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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Aus Prinz Uraft zu Hohenlohes Erinnerungen

und an Kavalleriebrigaden abgegeben, sodaß Hohenlohe nur 5 Batterien mit
30 Geschützen und den Munitionskolonnen Anfang Juni ins Feld führte. Ehe der
Ausmarsch begann, versammelte der König die Generale und die Kommandeure
des Gardekorps in seinem Palais zu einer kurzen, nachdrücklichen Ansprache,
die "durch Mark und Bein ging". Da das Gardekorps zunächst der Ersten
Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl, die sich in der Lausitz sammelte,
zugeteilt war, so ging Hohenlohes Marsch nach Kottbus und Guben; erst als
die Garden, weil man einen österreichischen Angriff auf Oberschlesien fürchtete,
der Zweiten Armee (des Kronprinzen) überwiesen wurden, wurde auch diese
Artillerie mit Eisenbahn von Guben bis Brieg befördert und trat von dort
aus über das Schlachtfeld von Mollwitz den Marsch nach der Grenze an, die
sie über Silberberg und Neurode am 26. Juni unter dem Jubel der nunmehr
von aller Furcht befreiten Grenzbewohner Schlesiens erreichte und am 27. Juni
in der Richtung auf Braunau überschritt, weit hinter der Hauptmasse des
Gardekorps, wie es damals das von Hohenlohe von jeher als verkehrt be¬
zeichnete Reglement vorschrieb. An demselben Tage wurde das erste Armee¬
korps (Bonin) nördlich davon bei Trautenau zurückgeworfen und siegte Steinmetz
mit dem fünften weiter südlich bei Nachod. Ohne etwas davon zu wissen,
dirigierte Hohenlohe sechs seiner schwerfälligen Munitionskolonnen, 150 Wagen,
auf Trautenau, wo sie nur durch die Geistesgegenwart ihres Führers der
Gefahr entgingen, geradeswegs in die Österreicher hineinzufahren; er selbst mit
seinen Batterien marschierte zwischen jenen beiden Anmarschstraßen auf Kosteletz,
traf hier mit dem Kronprinzen und seinem Generalstabschef Blumenthal zu¬
sammen und beobachtete aus der Ferne das Gefecht von Soor, das die Garden
den Österreichern lieferten, beide mit verkehrter Front, sodaß Hohenlohe lange
Zeit über die Zugehörigkeit der Truppen auf beiden Seiten im unklaren blieb,
während von Süden her der Kanonendonner von Skalitz grollte, wo Steinmetz
zum zweitenmal siegte.

Am nächsten Tage, 29. Juni, erstürmten die Garden Königinhof und
sicherten damit den Übergang über die Elbe, aber auch diesesmal kam Hohenlohe
infolge der Marschordnung zu seinem grimmigen Ärger nicht zum Schuß und
mußte nun drei lange müßige Tage (30. Juni bis 2. Juli) im Biwak bei
Königinhof im Regen liegen bleiben, da die Österreicher mit sechs Armeekorps
auf dem Hochplateau von Dubenetz eine sehr feste Stellung behaupteten und
der Kronprinz deshalb die Elbe nicht eher überschreiten wollte, als bis die
Erste Armee und die Elbarmee näher heran seien. Ohne Ahnung dessen, was
unmittelbar bevorstand, veranstaltete Hohenlohe am 2. Juli eine Abendmahls¬
feier für seine Truppen, die sich sehr eindrucksvoll gestaltete, und der auch das
katholische Landvolk der Umgegend andächtig beiwohnte. Aber am 2. Juli be¬
zogen die Österreicher ihre neue Stellung auf dem welligen Hügellande hinter
der Bistritz und der Trotina westlich von Königgrätz, und in der Nacht erhielt
der Kronprinz Befehl, sie mit aller Macht von Norden her anzugreifen. Früh


Aus Prinz Uraft zu Hohenlohes Erinnerungen

und an Kavalleriebrigaden abgegeben, sodaß Hohenlohe nur 5 Batterien mit
30 Geschützen und den Munitionskolonnen Anfang Juni ins Feld führte. Ehe der
Ausmarsch begann, versammelte der König die Generale und die Kommandeure
des Gardekorps in seinem Palais zu einer kurzen, nachdrücklichen Ansprache,
die „durch Mark und Bein ging". Da das Gardekorps zunächst der Ersten
Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl, die sich in der Lausitz sammelte,
zugeteilt war, so ging Hohenlohes Marsch nach Kottbus und Guben; erst als
die Garden, weil man einen österreichischen Angriff auf Oberschlesien fürchtete,
der Zweiten Armee (des Kronprinzen) überwiesen wurden, wurde auch diese
Artillerie mit Eisenbahn von Guben bis Brieg befördert und trat von dort
aus über das Schlachtfeld von Mollwitz den Marsch nach der Grenze an, die
sie über Silberberg und Neurode am 26. Juni unter dem Jubel der nunmehr
von aller Furcht befreiten Grenzbewohner Schlesiens erreichte und am 27. Juni
in der Richtung auf Braunau überschritt, weit hinter der Hauptmasse des
Gardekorps, wie es damals das von Hohenlohe von jeher als verkehrt be¬
zeichnete Reglement vorschrieb. An demselben Tage wurde das erste Armee¬
korps (Bonin) nördlich davon bei Trautenau zurückgeworfen und siegte Steinmetz
mit dem fünften weiter südlich bei Nachod. Ohne etwas davon zu wissen,
dirigierte Hohenlohe sechs seiner schwerfälligen Munitionskolonnen, 150 Wagen,
auf Trautenau, wo sie nur durch die Geistesgegenwart ihres Führers der
Gefahr entgingen, geradeswegs in die Österreicher hineinzufahren; er selbst mit
seinen Batterien marschierte zwischen jenen beiden Anmarschstraßen auf Kosteletz,
traf hier mit dem Kronprinzen und seinem Generalstabschef Blumenthal zu¬
sammen und beobachtete aus der Ferne das Gefecht von Soor, das die Garden
den Österreichern lieferten, beide mit verkehrter Front, sodaß Hohenlohe lange
Zeit über die Zugehörigkeit der Truppen auf beiden Seiten im unklaren blieb,
während von Süden her der Kanonendonner von Skalitz grollte, wo Steinmetz
zum zweitenmal siegte.

Am nächsten Tage, 29. Juni, erstürmten die Garden Königinhof und
sicherten damit den Übergang über die Elbe, aber auch diesesmal kam Hohenlohe
infolge der Marschordnung zu seinem grimmigen Ärger nicht zum Schuß und
mußte nun drei lange müßige Tage (30. Juni bis 2. Juli) im Biwak bei
Königinhof im Regen liegen bleiben, da die Österreicher mit sechs Armeekorps
auf dem Hochplateau von Dubenetz eine sehr feste Stellung behaupteten und
der Kronprinz deshalb die Elbe nicht eher überschreiten wollte, als bis die
Erste Armee und die Elbarmee näher heran seien. Ohne Ahnung dessen, was
unmittelbar bevorstand, veranstaltete Hohenlohe am 2. Juli eine Abendmahls¬
feier für seine Truppen, die sich sehr eindrucksvoll gestaltete, und der auch das
katholische Landvolk der Umgegend andächtig beiwohnte. Aber am 2. Juli be¬
zogen die Österreicher ihre neue Stellung auf dem welligen Hügellande hinter
der Bistritz und der Trotina westlich von Königgrätz, und in der Nacht erhielt
der Kronprinz Befehl, sie mit aller Macht von Norden her anzugreifen. Früh


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[0246] Aus Prinz Uraft zu Hohenlohes Erinnerungen und an Kavalleriebrigaden abgegeben, sodaß Hohenlohe nur 5 Batterien mit 30 Geschützen und den Munitionskolonnen Anfang Juni ins Feld führte. Ehe der Ausmarsch begann, versammelte der König die Generale und die Kommandeure des Gardekorps in seinem Palais zu einer kurzen, nachdrücklichen Ansprache, die „durch Mark und Bein ging". Da das Gardekorps zunächst der Ersten Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl, die sich in der Lausitz sammelte, zugeteilt war, so ging Hohenlohes Marsch nach Kottbus und Guben; erst als die Garden, weil man einen österreichischen Angriff auf Oberschlesien fürchtete, der Zweiten Armee (des Kronprinzen) überwiesen wurden, wurde auch diese Artillerie mit Eisenbahn von Guben bis Brieg befördert und trat von dort aus über das Schlachtfeld von Mollwitz den Marsch nach der Grenze an, die sie über Silberberg und Neurode am 26. Juni unter dem Jubel der nunmehr von aller Furcht befreiten Grenzbewohner Schlesiens erreichte und am 27. Juni in der Richtung auf Braunau überschritt, weit hinter der Hauptmasse des Gardekorps, wie es damals das von Hohenlohe von jeher als verkehrt be¬ zeichnete Reglement vorschrieb. An demselben Tage wurde das erste Armee¬ korps (Bonin) nördlich davon bei Trautenau zurückgeworfen und siegte Steinmetz mit dem fünften weiter südlich bei Nachod. Ohne etwas davon zu wissen, dirigierte Hohenlohe sechs seiner schwerfälligen Munitionskolonnen, 150 Wagen, auf Trautenau, wo sie nur durch die Geistesgegenwart ihres Führers der Gefahr entgingen, geradeswegs in die Österreicher hineinzufahren; er selbst mit seinen Batterien marschierte zwischen jenen beiden Anmarschstraßen auf Kosteletz, traf hier mit dem Kronprinzen und seinem Generalstabschef Blumenthal zu¬ sammen und beobachtete aus der Ferne das Gefecht von Soor, das die Garden den Österreichern lieferten, beide mit verkehrter Front, sodaß Hohenlohe lange Zeit über die Zugehörigkeit der Truppen auf beiden Seiten im unklaren blieb, während von Süden her der Kanonendonner von Skalitz grollte, wo Steinmetz zum zweitenmal siegte. Am nächsten Tage, 29. Juni, erstürmten die Garden Königinhof und sicherten damit den Übergang über die Elbe, aber auch diesesmal kam Hohenlohe infolge der Marschordnung zu seinem grimmigen Ärger nicht zum Schuß und mußte nun drei lange müßige Tage (30. Juni bis 2. Juli) im Biwak bei Königinhof im Regen liegen bleiben, da die Österreicher mit sechs Armeekorps auf dem Hochplateau von Dubenetz eine sehr feste Stellung behaupteten und der Kronprinz deshalb die Elbe nicht eher überschreiten wollte, als bis die Erste Armee und die Elbarmee näher heran seien. Ohne Ahnung dessen, was unmittelbar bevorstand, veranstaltete Hohenlohe am 2. Juli eine Abendmahls¬ feier für seine Truppen, die sich sehr eindrucksvoll gestaltete, und der auch das katholische Landvolk der Umgegend andächtig beiwohnte. Aber am 2. Juli be¬ zogen die Österreicher ihre neue Stellung auf dem welligen Hügellande hinter der Bistritz und der Trotina westlich von Königgrätz, und in der Nacht erhielt der Kronprinz Befehl, sie mit aller Macht von Norden her anzugreifen. Früh

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/246>, abgerufen am 17.05.2024.