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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles
i

roßherzvg Friedrich hatte es bei der Aufrichtung des Nord¬
deutschen Bundes mit tiefem Schmerz empfunden, daß Baden
draußen blieb. Die Erfahrungen des Jahres 1866 hatten ihn
überzeugt, daß Badens Zukunft nur durch eine organische Ver¬
bindung mit Preußen, möglichst zugleich durch eine territoriale
.mung zu sichern sei, bei der ein abermaliges Versagen des preußischen
Schutzes, wie im Juni 1866, ausgeschlossen wäre. Dieser Wunsch, die Zu-
unft Badens gleichsam "unter preußischen Kanonen" sicher zu stellen, mag
damals auch, wie es sehr naheliegend war, zu einer Anregung verdichtet
Mben, durch eine anderweite Verteilung südwestdeutscher Ländergebiete eine
unmittelbare nachbarliche Umgrenzung Badens an Preußen herzustellen. Bis-
warck lM, wie er im zweiten Bande seiner "Gedanken und Erinnerungen"
^elend, diese durch Roggenbach beim Friedensschluß mit Baden an ihn heran-
äetretne Anregung "g, Aulus abgelehnt", weil er darin "einen Mangel an
Augenmaß für die Zukunft und eine Verdunkelung des Blicks durch badische
Hauspolitik" gefunden habe. Ob Noggenbach diese Sondierung des preußischen
"nisters im Auftrage und mit Wissen seines Souveräns vorgenommen oder
"ur seiner eignen Eingebung dabei gefolgt ist, läßt Bismarck selbst zweifelhaft;
"ach den Erfahrungen bei dem Ausbruch des Krieges und bei der Aussicht
auf einen Südbund unter österreichisch-französischem Protektorat waren solche
Wunsche auf badischer Seite, wo man damals befürchtete, das Opfer einer
"hrisch-österreichischen Verständigung zu werden (Vertrag von Ried!), durchaus
. ^reiflich. Im übrigen aber war nicht Roggenbach, sondern der am 27. Juli
U! das Amt getretne Ministerialpräsident von Freydorf der amtliche Unterhändler
Friedens mit Preußen, dem der zum Ministerpräsidenten ernannte praktische
und kluge Mathy, dessen Name immer in hohen Ehren genannt werden muß,
wenn es sich um die Geschichte des deutscheu Werdens handelt, kaum einen
Eichen Auftrag erteilt haben würde. Roggenbach der im Frühjahr, nach dem


Grenzboten III 1906 79


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles
i

roßherzvg Friedrich hatte es bei der Aufrichtung des Nord¬
deutschen Bundes mit tiefem Schmerz empfunden, daß Baden
draußen blieb. Die Erfahrungen des Jahres 1866 hatten ihn
überzeugt, daß Badens Zukunft nur durch eine organische Ver¬
bindung mit Preußen, möglichst zugleich durch eine territoriale
.mung zu sichern sei, bei der ein abermaliges Versagen des preußischen
Schutzes, wie im Juni 1866, ausgeschlossen wäre. Dieser Wunsch, die Zu-
unft Badens gleichsam „unter preußischen Kanonen" sicher zu stellen, mag
damals auch, wie es sehr naheliegend war, zu einer Anregung verdichtet
Mben, durch eine anderweite Verteilung südwestdeutscher Ländergebiete eine
unmittelbare nachbarliche Umgrenzung Badens an Preußen herzustellen. Bis-
warck lM, wie er im zweiten Bande seiner „Gedanken und Erinnerungen"
^elend, diese durch Roggenbach beim Friedensschluß mit Baden an ihn heran-
äetretne Anregung „g, Aulus abgelehnt", weil er darin „einen Mangel an
Augenmaß für die Zukunft und eine Verdunkelung des Blicks durch badische
Hauspolitik" gefunden habe. Ob Noggenbach diese Sondierung des preußischen
"nisters im Auftrage und mit Wissen seines Souveräns vorgenommen oder
"ur seiner eignen Eingebung dabei gefolgt ist, läßt Bismarck selbst zweifelhaft;
"ach den Erfahrungen bei dem Ausbruch des Krieges und bei der Aussicht
auf einen Südbund unter österreichisch-französischem Protektorat waren solche
Wunsche auf badischer Seite, wo man damals befürchtete, das Opfer einer
"hrisch-österreichischen Verständigung zu werden (Vertrag von Ried!), durchaus
. ^reiflich. Im übrigen aber war nicht Roggenbach, sondern der am 27. Juli
U! das Amt getretne Ministerialpräsident von Freydorf der amtliche Unterhändler
Friedens mit Preußen, dem der zum Ministerpräsidenten ernannte praktische
und kluge Mathy, dessen Name immer in hohen Ehren genannt werden muß,
wenn es sich um die Geschichte des deutscheu Werdens handelt, kaum einen
Eichen Auftrag erteilt haben würde. Roggenbach der im Frühjahr, nach dem


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[0601] [Abbildung] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles i roßherzvg Friedrich hatte es bei der Aufrichtung des Nord¬ deutschen Bundes mit tiefem Schmerz empfunden, daß Baden draußen blieb. Die Erfahrungen des Jahres 1866 hatten ihn überzeugt, daß Badens Zukunft nur durch eine organische Ver¬ bindung mit Preußen, möglichst zugleich durch eine territoriale .mung zu sichern sei, bei der ein abermaliges Versagen des preußischen Schutzes, wie im Juni 1866, ausgeschlossen wäre. Dieser Wunsch, die Zu- unft Badens gleichsam „unter preußischen Kanonen" sicher zu stellen, mag damals auch, wie es sehr naheliegend war, zu einer Anregung verdichtet Mben, durch eine anderweite Verteilung südwestdeutscher Ländergebiete eine unmittelbare nachbarliche Umgrenzung Badens an Preußen herzustellen. Bis- warck lM, wie er im zweiten Bande seiner „Gedanken und Erinnerungen" ^elend, diese durch Roggenbach beim Friedensschluß mit Baden an ihn heran- äetretne Anregung „g, Aulus abgelehnt", weil er darin „einen Mangel an Augenmaß für die Zukunft und eine Verdunkelung des Blicks durch badische Hauspolitik" gefunden habe. Ob Noggenbach diese Sondierung des preußischen "nisters im Auftrage und mit Wissen seines Souveräns vorgenommen oder "ur seiner eignen Eingebung dabei gefolgt ist, läßt Bismarck selbst zweifelhaft; "ach den Erfahrungen bei dem Ausbruch des Krieges und bei der Aussicht auf einen Südbund unter österreichisch-französischem Protektorat waren solche Wunsche auf badischer Seite, wo man damals befürchtete, das Opfer einer "hrisch-österreichischen Verständigung zu werden (Vertrag von Ried!), durchaus . ^reiflich. Im übrigen aber war nicht Roggenbach, sondern der am 27. Juli U! das Amt getretne Ministerialpräsident von Freydorf der amtliche Unterhändler Friedens mit Preußen, dem der zum Ministerpräsidenten ernannte praktische und kluge Mathy, dessen Name immer in hohen Ehren genannt werden muß, wenn es sich um die Geschichte des deutscheu Werdens handelt, kaum einen Eichen Auftrag erteilt haben würde. Roggenbach der im Frühjahr, nach dem Grenzboten III 1906 79

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/601>, abgerufen am 30.04.2024.