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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Beschluß der badischen Regierung, ihre Truppen zum achten Bundeskorps stoßen
zu lassen, seinen Sitz in der Kammer und Baden selbst verlassen hatte, indem er
seinem Freunde Mathy erklärte: ich gehe zu den Volskern, hatte damals wohl nur
die Mission, der amtlichen Verhandlung die Wege zu ebnen, wobei ihm seine guten
persönlichen Beziehungen in Berlin zustatten kamen. Er hatte am 8. August
eine Unterredung mit Bismarck, während der amtliche Unterhändler von Frey¬
dorf, begleitet vom Staatsrat Gelzer, erst am folgenden Tage vom Kanzler
empfangen wurde. Gelzer, seit dem Jahre 1845 ein in Berlin gern gesehener
vertrauter Freund des preußischen Königshauses, war, damit er für diese Ver¬
handlungen einen amtlichen Charakter erhielte, vom Großherzog zum badischen
Staatsrat ernannt worden, die Gegenzeichnung war eine der ersten Unterschriften
Mathys nach seiner Übernahme des Ministeriums am 27. Juli gewesen.

Wenn irgend etwas in Berlin zu erreichen war, mußte es Gelzer
gelingen, der dort noch fast im Augenblicke des Kriegsausbruchs als ver¬
trauter Abgesandter des Großherzogs mit dem höchsten Vertrauen empfangen
worden war. Er überbrachte damals dem König ein Schreiben Großherzog
Friedrichs über das negative Ergebnis der Reise nach Pillnitz zum König
Johann und über die letzten Möglichkeiten, den Krieg zu vermeiden. Der
Großherzog empfahl zu diesem Zwecke die energische Durchführung der Bundes-
reform und eine direkte Verhandlung mit dem Herzog von Augustenburg, der
bereit sei, gegen das Versprechen sofortiger Einsetzung auf die preußischen
Februarbedingungen einzugehn. Damit scheide die Schleswig-holsteinische Frage
als Kriegsursache aus. Es ist nicht zu verkennen, daß die Verwirklichung
beider Vorschläge auf die Stimmung in Deutschland, des zweiten Vorschlags
wenigstens auf die Stimmung außerhalb Preußens, einen großen Eindruck
gemacht haben würde. Die Verwirklichung des einen verhinderten der öster¬
reichische Antrag vom 11. und der Bundesbeschluß vom 14. Juni, die des
andern die Unentschlossenheit des Herzogs, der vielleicht unter fremdem Einfluß
von einem Siege der österreichischen Waffen mehr erwartete oder den ihm noch
am 12. Juni dnrch ein Telegramm Bismarcks an den preußischen Gesandten
in Karlsruhe nahegelegten Weg zum Könige nicht finden konnte. Am Vor¬
mittage des 10. Juni 1866, desselben Tages, an dem der preußische Bundes-
reformplan allen deutschen Regierungen telegraphisch übermittelt wurde, war
Gelzer vom König empfangen worden, dem er in langer Unterredung die
badischen Borschläge entwickeln durfte, während er vom Könige selbst eine ein¬
gehende Darlegung der preußischen Politik empfing, zugleich forderte der Monarch
ihn in der huldvollsten Weise zum Aussprechen seiner eignen Ansichten auf.

Die Vorschläge des Großherzogs wurden nicht von der Hand gewiesen,
vom Herzog von Augustenburg wurde nur noch verlangt, daß er sich in dem
bevorstehenden Konflikt mit Österreich rasch und entschlossen auf die Seite
Preußens stelle. In diesem Sinne schrieb der König noch am 14. Juni an
den Großherzog einen Brief, den er Gelzer offen übergeben ließ. Am Abend


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

Beschluß der badischen Regierung, ihre Truppen zum achten Bundeskorps stoßen
zu lassen, seinen Sitz in der Kammer und Baden selbst verlassen hatte, indem er
seinem Freunde Mathy erklärte: ich gehe zu den Volskern, hatte damals wohl nur
die Mission, der amtlichen Verhandlung die Wege zu ebnen, wobei ihm seine guten
persönlichen Beziehungen in Berlin zustatten kamen. Er hatte am 8. August
eine Unterredung mit Bismarck, während der amtliche Unterhändler von Frey¬
dorf, begleitet vom Staatsrat Gelzer, erst am folgenden Tage vom Kanzler
empfangen wurde. Gelzer, seit dem Jahre 1845 ein in Berlin gern gesehener
vertrauter Freund des preußischen Königshauses, war, damit er für diese Ver¬
handlungen einen amtlichen Charakter erhielte, vom Großherzog zum badischen
Staatsrat ernannt worden, die Gegenzeichnung war eine der ersten Unterschriften
Mathys nach seiner Übernahme des Ministeriums am 27. Juli gewesen.

Wenn irgend etwas in Berlin zu erreichen war, mußte es Gelzer
gelingen, der dort noch fast im Augenblicke des Kriegsausbruchs als ver¬
trauter Abgesandter des Großherzogs mit dem höchsten Vertrauen empfangen
worden war. Er überbrachte damals dem König ein Schreiben Großherzog
Friedrichs über das negative Ergebnis der Reise nach Pillnitz zum König
Johann und über die letzten Möglichkeiten, den Krieg zu vermeiden. Der
Großherzog empfahl zu diesem Zwecke die energische Durchführung der Bundes-
reform und eine direkte Verhandlung mit dem Herzog von Augustenburg, der
bereit sei, gegen das Versprechen sofortiger Einsetzung auf die preußischen
Februarbedingungen einzugehn. Damit scheide die Schleswig-holsteinische Frage
als Kriegsursache aus. Es ist nicht zu verkennen, daß die Verwirklichung
beider Vorschläge auf die Stimmung in Deutschland, des zweiten Vorschlags
wenigstens auf die Stimmung außerhalb Preußens, einen großen Eindruck
gemacht haben würde. Die Verwirklichung des einen verhinderten der öster¬
reichische Antrag vom 11. und der Bundesbeschluß vom 14. Juni, die des
andern die Unentschlossenheit des Herzogs, der vielleicht unter fremdem Einfluß
von einem Siege der österreichischen Waffen mehr erwartete oder den ihm noch
am 12. Juni dnrch ein Telegramm Bismarcks an den preußischen Gesandten
in Karlsruhe nahegelegten Weg zum Könige nicht finden konnte. Am Vor¬
mittage des 10. Juni 1866, desselben Tages, an dem der preußische Bundes-
reformplan allen deutschen Regierungen telegraphisch übermittelt wurde, war
Gelzer vom König empfangen worden, dem er in langer Unterredung die
badischen Borschläge entwickeln durfte, während er vom Könige selbst eine ein¬
gehende Darlegung der preußischen Politik empfing, zugleich forderte der Monarch
ihn in der huldvollsten Weise zum Aussprechen seiner eignen Ansichten auf.

Die Vorschläge des Großherzogs wurden nicht von der Hand gewiesen,
vom Herzog von Augustenburg wurde nur noch verlangt, daß er sich in dem
bevorstehenden Konflikt mit Österreich rasch und entschlossen auf die Seite
Preußens stelle. In diesem Sinne schrieb der König noch am 14. Juni an
den Großherzog einen Brief, den er Gelzer offen übergeben ließ. Am Abend


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[0602] Großherzog Friedrich von Baden in Versailles Beschluß der badischen Regierung, ihre Truppen zum achten Bundeskorps stoßen zu lassen, seinen Sitz in der Kammer und Baden selbst verlassen hatte, indem er seinem Freunde Mathy erklärte: ich gehe zu den Volskern, hatte damals wohl nur die Mission, der amtlichen Verhandlung die Wege zu ebnen, wobei ihm seine guten persönlichen Beziehungen in Berlin zustatten kamen. Er hatte am 8. August eine Unterredung mit Bismarck, während der amtliche Unterhändler von Frey¬ dorf, begleitet vom Staatsrat Gelzer, erst am folgenden Tage vom Kanzler empfangen wurde. Gelzer, seit dem Jahre 1845 ein in Berlin gern gesehener vertrauter Freund des preußischen Königshauses, war, damit er für diese Ver¬ handlungen einen amtlichen Charakter erhielte, vom Großherzog zum badischen Staatsrat ernannt worden, die Gegenzeichnung war eine der ersten Unterschriften Mathys nach seiner Übernahme des Ministeriums am 27. Juli gewesen. Wenn irgend etwas in Berlin zu erreichen war, mußte es Gelzer gelingen, der dort noch fast im Augenblicke des Kriegsausbruchs als ver¬ trauter Abgesandter des Großherzogs mit dem höchsten Vertrauen empfangen worden war. Er überbrachte damals dem König ein Schreiben Großherzog Friedrichs über das negative Ergebnis der Reise nach Pillnitz zum König Johann und über die letzten Möglichkeiten, den Krieg zu vermeiden. Der Großherzog empfahl zu diesem Zwecke die energische Durchführung der Bundes- reform und eine direkte Verhandlung mit dem Herzog von Augustenburg, der bereit sei, gegen das Versprechen sofortiger Einsetzung auf die preußischen Februarbedingungen einzugehn. Damit scheide die Schleswig-holsteinische Frage als Kriegsursache aus. Es ist nicht zu verkennen, daß die Verwirklichung beider Vorschläge auf die Stimmung in Deutschland, des zweiten Vorschlags wenigstens auf die Stimmung außerhalb Preußens, einen großen Eindruck gemacht haben würde. Die Verwirklichung des einen verhinderten der öster¬ reichische Antrag vom 11. und der Bundesbeschluß vom 14. Juni, die des andern die Unentschlossenheit des Herzogs, der vielleicht unter fremdem Einfluß von einem Siege der österreichischen Waffen mehr erwartete oder den ihm noch am 12. Juni dnrch ein Telegramm Bismarcks an den preußischen Gesandten in Karlsruhe nahegelegten Weg zum Könige nicht finden konnte. Am Vor¬ mittage des 10. Juni 1866, desselben Tages, an dem der preußische Bundes- reformplan allen deutschen Regierungen telegraphisch übermittelt wurde, war Gelzer vom König empfangen worden, dem er in langer Unterredung die badischen Borschläge entwickeln durfte, während er vom Könige selbst eine ein¬ gehende Darlegung der preußischen Politik empfing, zugleich forderte der Monarch ihn in der huldvollsten Weise zum Aussprechen seiner eignen Ansichten auf. Die Vorschläge des Großherzogs wurden nicht von der Hand gewiesen, vom Herzog von Augustenburg wurde nur noch verlangt, daß er sich in dem bevorstehenden Konflikt mit Österreich rasch und entschlossen auf die Seite Preußens stelle. In diesem Sinne schrieb der König noch am 14. Juni an den Großherzog einen Brief, den er Gelzer offen übergeben ließ. Am Abend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/602>, abgerufen am 21.05.2024.