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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die kongolesischen Dampfverkehrswege

benutzt werden sollte, wie einst der Bundestag zu Frankfurt, auch so enden
könnte wie dieser. Die Friedensbürgschaften der Gegenwart liegen gnr nicht in
Friedenskongressen und Friedensagitationen selbstgefälliger Schönredner, sondern
vor allem in den Volksheeren der allgemeinen Wehrpflicht, die keine Regierung
der Welt jemals in Bewegung setzen wird außer in Fällen, in denen es sich
wirklich um die Lebensinteressen des Staates handelt. In Deutschland, das
die Segnungen der allgemeinen Wehrpflicht am längsten empfunden hat, ist
dieser Friedensgedanke am innigsten ausgeprägt, und seine drei Kaiser waren
darum Friedenskaiser. Für Existenzfragen, zu denen auch die sich in der Gegen¬
wart vorbereitenden Fragen der Weltpolitik gehören, wird man das Volk in
Waffen einsetzen, bei allen andern Streitigkeiten, um derentwillen man in frühern
Jahrhunderten Mietlings Heere kämpfen ließ, wird man friedliche diplomatische
Mittel, unter Umständen auch Schiedsgerichte, anwenden. Dazu bedarf es gar
keiner Agitation der Friedensapostel, unter denen sich sogar auffällig viele Leute
befinden, die von jeher hinter ihrer Friedensmaske eine unverkennbare Feind¬
seligkeit gegen das deutsche Kaiserreich zu verbergen suchten. Die Berechtigung
dieser mit großen Mitteln arbeitenden Männer -- und Damen -- zu ihrem
Tun ist nicht weit her, sie haben sie sich selbst verliehn und suchen andern ihre
Ideen aufzudrängen. Dieser Mangel an jeder Legitimation ist den Herren auch
auf der interparlamentarischen Konferenz in Loudon zum Bewußtsein gekommen,
wo sie beschlossen haben, sich künftig von den einzelnen Parlamenten daheim förm¬
lich wählen zu lassen. Sie verhandelten auch schon über den Wahlmodus und der¬
gleichen. Hoffentlich gibt der deutsche Reichstag, wenn das dreiste Ansinnen
einer solchen Wahl an ihn herantreten sollte, die einzig würdige Antwort durch
Übergang zur Tagesordnung. Er kann die ihm in der Reichsverfassung über-
wiesene Aufgabe, in Vereinbarung mit der kaiserlichen Negierung und dem
Bundesrat für die Verteidigung des Reichs zu sorgen, auch nicht zum kleinsten
Teil einer andern Körperschaft übertragen, nenne sie sich auch so hochtrabend
wie möglich. ___




Die kongolesischen Dampfverkehrswege

sie Zusammenkunft des Kaisers mit dem Könige der Belgier in
Karlsruhe hat die Aufmerksamkeit aufs neue auf die Verhältnisse
des Kongostaates gelenkt. Die britische Absicht, eine zweite inter¬
nationale Kongokonferenz zu veranstalten und durch diese die au-
I geblieben Mißstände prüfen zu lassen, muß als gescheitert gelten,
nachdem die verschiednen Mächte, bei denen man von London aus angefragt
hatte, es in mehr oder minder verbindlicher Form abgelehnt haben, sich irgendwie
einzumischen. Der Kongostaat hat nunmehr die Ehrenpflicht, der Welt zu zeigen,


Die kongolesischen Dampfverkehrswege

benutzt werden sollte, wie einst der Bundestag zu Frankfurt, auch so enden
könnte wie dieser. Die Friedensbürgschaften der Gegenwart liegen gnr nicht in
Friedenskongressen und Friedensagitationen selbstgefälliger Schönredner, sondern
vor allem in den Volksheeren der allgemeinen Wehrpflicht, die keine Regierung
der Welt jemals in Bewegung setzen wird außer in Fällen, in denen es sich
wirklich um die Lebensinteressen des Staates handelt. In Deutschland, das
die Segnungen der allgemeinen Wehrpflicht am längsten empfunden hat, ist
dieser Friedensgedanke am innigsten ausgeprägt, und seine drei Kaiser waren
darum Friedenskaiser. Für Existenzfragen, zu denen auch die sich in der Gegen¬
wart vorbereitenden Fragen der Weltpolitik gehören, wird man das Volk in
Waffen einsetzen, bei allen andern Streitigkeiten, um derentwillen man in frühern
Jahrhunderten Mietlings Heere kämpfen ließ, wird man friedliche diplomatische
Mittel, unter Umständen auch Schiedsgerichte, anwenden. Dazu bedarf es gar
keiner Agitation der Friedensapostel, unter denen sich sogar auffällig viele Leute
befinden, die von jeher hinter ihrer Friedensmaske eine unverkennbare Feind¬
seligkeit gegen das deutsche Kaiserreich zu verbergen suchten. Die Berechtigung
dieser mit großen Mitteln arbeitenden Männer — und Damen — zu ihrem
Tun ist nicht weit her, sie haben sie sich selbst verliehn und suchen andern ihre
Ideen aufzudrängen. Dieser Mangel an jeder Legitimation ist den Herren auch
auf der interparlamentarischen Konferenz in Loudon zum Bewußtsein gekommen,
wo sie beschlossen haben, sich künftig von den einzelnen Parlamenten daheim förm¬
lich wählen zu lassen. Sie verhandelten auch schon über den Wahlmodus und der¬
gleichen. Hoffentlich gibt der deutsche Reichstag, wenn das dreiste Ansinnen
einer solchen Wahl an ihn herantreten sollte, die einzig würdige Antwort durch
Übergang zur Tagesordnung. Er kann die ihm in der Reichsverfassung über-
wiesene Aufgabe, in Vereinbarung mit der kaiserlichen Negierung und dem
Bundesrat für die Verteidigung des Reichs zu sorgen, auch nicht zum kleinsten
Teil einer andern Körperschaft übertragen, nenne sie sich auch so hochtrabend
wie möglich. ___




Die kongolesischen Dampfverkehrswege

sie Zusammenkunft des Kaisers mit dem Könige der Belgier in
Karlsruhe hat die Aufmerksamkeit aufs neue auf die Verhältnisse
des Kongostaates gelenkt. Die britische Absicht, eine zweite inter¬
nationale Kongokonferenz zu veranstalten und durch diese die au-
I geblieben Mißstände prüfen zu lassen, muß als gescheitert gelten,
nachdem die verschiednen Mächte, bei denen man von London aus angefragt
hatte, es in mehr oder minder verbindlicher Form abgelehnt haben, sich irgendwie
einzumischen. Der Kongostaat hat nunmehr die Ehrenpflicht, der Welt zu zeigen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/298>, abgerufen am 29.04.2024.