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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die kongolesischen vainpsvcrkehrswege

daß die von ihm geplanten Reformen lind erlassenen Dekrete wirklich ausgeführt
werden. Allem Anscheine nach ist er auch bestrebt, seinen guten Willen durch
die Tat zu beweisen.

Einer der hauptsächlichsten Vorwürfe lag in der Behauptung, daß der
Kongostaat in übermäßiger Weise die Eingebornen durch Heranziehung zu
Trägerdiensten belaste, die bekanntlich auch in unsern Schutzgebieten noch eine
große Rolle spielen. Um die Trägerdienste möglichst einzuschränken, hat der
Kongvstaat darum eine Verkehrspolitik in konsequenter Weise durchgeführt, die
augenblicklich schon bis auf eine Entfernung von ungefähr 2400 Kilometern
von der Küste bis ins Innere des Landes die Dampfverkehrsmittel an die Stelle
der Menschen setzt. Der Kongo ist für Dampfschiffe benutzbar vom Meere bis
Matadi, von Leopoldville bis zu den berühmten Füllen bei Stanleyville, von
Ponthierville bis Kindu und von Bull bis zum neunten südlichen Breitengrade.
Die Zwischenglieder von Matadi bis Leopoldville sowie von Stanleyville nach
Ponthierville sind durch Eisenbahnen von einem Meter Spurweite gebildet.
Die zuletzt genannte Strecke ist am 1. September dieses Jahres dem Verkehr
übergeben worden. Es fehlt noch das Stück von Kindu bis Bull.

Für Deutsch-Ostafrika ist es von großer Bedeutung, daß die Eisenbahn
von Kindu bis Bull mit einer Anschlußstrecke von Bull nach Kibanga am Tan-
ganikasee voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren fertiggestellt sein wird, da
wir dann nicht mehr ausschließlich auf die englisch-ostafrikanische Bahn für
unsre Hinterlandtransporte angewiesen sein werden und auch für unsre spätere
Zentralbahn einen guten Aktschluß finden.

Beim Bahnball ist große Rücksicht auf die zu deu Arbeiten verwandten Einge¬
bornen genommen worden. Sie erhielten außer Wohnung, Nahrung, Kleidung und
Decken einen nach ihrer professionellen Geschicklichkeit abgestuften Lohn, wurden
täglich nie mehr als acht und eine halbe Stunde beschäftigt und wiesen, wie
die zugeteilten Ärzte festgestellt haben, immer gute gesundheitliche Zustände auf.
Die dort gemachten Erfahrungen könnten deshalb von uns bei den zukünftigen
deutsch-afrikanischen Bahnbauten verwertet werden, da bei den Bahnbauten andrer
Nationen in Afrika die Arbeiterfrage immer eine unsagbar traurige gewesen ist.
So erreichte zum Beispiel die Sterblichkeit der bei der britisch - ostafrikanischen
Bahn beschäftigten indischen Arbeiter die furchtbare Höhe von 29 Prozent.
Fremde Arbeiter wird man demnach, auch wenn sie unzweifelhaft geschickter sind,
in Afrika nicht wieder heranziehn können, sondern man wird sich, wie es die
Kvngobahngesellschaft getan hat, mit den einheimischen Kräften begnügen, die
an das Klima gewöhnt sind und bei menschenfreundlicher Behandlung nicht
durch die Arbeit dezimiert werden.

Die obengenannte große Verkehrsstrecke ist hauptsächlich dazu bestimmt, das
an Mineralien, besonders an Kupfer und Gold sehr reiche Katanga auszu¬
schließen, das etwa 600 Kilometer südlich von Bull beginnt. In Stanleyville
soll sich dann später eine ungefähr 1100 Kilometer lange Strecke nach Mahagi


Die kongolesischen vainpsvcrkehrswege

daß die von ihm geplanten Reformen lind erlassenen Dekrete wirklich ausgeführt
werden. Allem Anscheine nach ist er auch bestrebt, seinen guten Willen durch
die Tat zu beweisen.

Einer der hauptsächlichsten Vorwürfe lag in der Behauptung, daß der
Kongostaat in übermäßiger Weise die Eingebornen durch Heranziehung zu
Trägerdiensten belaste, die bekanntlich auch in unsern Schutzgebieten noch eine
große Rolle spielen. Um die Trägerdienste möglichst einzuschränken, hat der
Kongvstaat darum eine Verkehrspolitik in konsequenter Weise durchgeführt, die
augenblicklich schon bis auf eine Entfernung von ungefähr 2400 Kilometern
von der Küste bis ins Innere des Landes die Dampfverkehrsmittel an die Stelle
der Menschen setzt. Der Kongo ist für Dampfschiffe benutzbar vom Meere bis
Matadi, von Leopoldville bis zu den berühmten Füllen bei Stanleyville, von
Ponthierville bis Kindu und von Bull bis zum neunten südlichen Breitengrade.
Die Zwischenglieder von Matadi bis Leopoldville sowie von Stanleyville nach
Ponthierville sind durch Eisenbahnen von einem Meter Spurweite gebildet.
Die zuletzt genannte Strecke ist am 1. September dieses Jahres dem Verkehr
übergeben worden. Es fehlt noch das Stück von Kindu bis Bull.

Für Deutsch-Ostafrika ist es von großer Bedeutung, daß die Eisenbahn
von Kindu bis Bull mit einer Anschlußstrecke von Bull nach Kibanga am Tan-
ganikasee voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren fertiggestellt sein wird, da
wir dann nicht mehr ausschließlich auf die englisch-ostafrikanische Bahn für
unsre Hinterlandtransporte angewiesen sein werden und auch für unsre spätere
Zentralbahn einen guten Aktschluß finden.

Beim Bahnball ist große Rücksicht auf die zu deu Arbeiten verwandten Einge¬
bornen genommen worden. Sie erhielten außer Wohnung, Nahrung, Kleidung und
Decken einen nach ihrer professionellen Geschicklichkeit abgestuften Lohn, wurden
täglich nie mehr als acht und eine halbe Stunde beschäftigt und wiesen, wie
die zugeteilten Ärzte festgestellt haben, immer gute gesundheitliche Zustände auf.
Die dort gemachten Erfahrungen könnten deshalb von uns bei den zukünftigen
deutsch-afrikanischen Bahnbauten verwertet werden, da bei den Bahnbauten andrer
Nationen in Afrika die Arbeiterfrage immer eine unsagbar traurige gewesen ist.
So erreichte zum Beispiel die Sterblichkeit der bei der britisch - ostafrikanischen
Bahn beschäftigten indischen Arbeiter die furchtbare Höhe von 29 Prozent.
Fremde Arbeiter wird man demnach, auch wenn sie unzweifelhaft geschickter sind,
in Afrika nicht wieder heranziehn können, sondern man wird sich, wie es die
Kvngobahngesellschaft getan hat, mit den einheimischen Kräften begnügen, die
an das Klima gewöhnt sind und bei menschenfreundlicher Behandlung nicht
durch die Arbeit dezimiert werden.

Die obengenannte große Verkehrsstrecke ist hauptsächlich dazu bestimmt, das
an Mineralien, besonders an Kupfer und Gold sehr reiche Katanga auszu¬
schließen, das etwa 600 Kilometer südlich von Bull beginnt. In Stanleyville
soll sich dann später eine ungefähr 1100 Kilometer lange Strecke nach Mahagi


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/299>, abgerufen am 16.05.2024.