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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Das deutsche Kriegervereinswesen in seiner
gegenwärtigen Gestalt

n neuerer Zeit haben die Bestimmung und das Wirken der deutschen
Kriegervcrcine in der Öffentlichkeit eine sehr verschiedne Beur¬
teilung erfahren, und es hat nicht an sehr voneinander abweichenden
Meinungsäußerungen darüber gefehlt. Auf der einen Seite ist der
Wunsch zu erkennen gegeben worden, daß sie sich energischer der
Seiche der sogenannten staatserhaltenden Parteien annehmen und für diese eine
kräftigere Stütze sein müßten. Andrerseits hat man behauptet, daß diese Vereine
w der Pflege und der Beendigung des monarchischen Sinnes zu weit gingen
und sich zu sehr in politische Parteiströmungen mischten.

Über die Ziele und die Aufgaben, die sich das Kriegervereinstnm gestellt
^ut, geht die allgemeine Meinung wohl im ganzen ziemlich ungeteilt dahin, daß
^ Zweck dieser aus alten gedienten Soldaten bestehenden Vereine Erhaltung
des militärischen Geistes, Beendigung aufrichtiger Vaterlandsliebe und Stärkung
und Hebung des Nationalbewußtseins bleibt. Als Ausfluß dieser Bestrebungen
l°!ge, daß die Kriegervereine mit der Armee und ihren Einrichtungen in Fühlung
'leiden, den Gedanken pflegen, deren immer schlagfertige Reserve zu sein, daß
>'e nicht politisieren dürfen, sondern als Patrioten ihren Pflichten in Staat und
Gesellschaft nachkommen müssen. In der Erfüllung dieser Obliegenheiten liegt
le sittliche und rechtliche Bedeutung und ihr versöhnender, über die Partei¬
tendenzen hinaus reichender, auf die Volksseele wirkender Einfluß.

Mit seinem Eintritt in einen Kriegerverein bekräftigt jeder, daß er gesonnen
'U, den Grundsätzen, die ihm als Soldat eingeprägt worden sind, treu zu bleiben
und dadurch zur Verbreitung einer auf die Erhaltung der Wehrkraft des Vater-
nndes gerichteten Gesinnung und eines kräftigen Nationalgeftthls im deutschen
^°tke beizutragen.

Die Organisation des deutschen Kriegervereinswesens hat mit dem Jahre
1900 ihren Abschluß gefunden. Zu diesem Zeitpunkte war es gelungen, das


Grenzboten IV 190g S1,


Das deutsche Kriegervereinswesen in seiner
gegenwärtigen Gestalt

n neuerer Zeit haben die Bestimmung und das Wirken der deutschen
Kriegervcrcine in der Öffentlichkeit eine sehr verschiedne Beur¬
teilung erfahren, und es hat nicht an sehr voneinander abweichenden
Meinungsäußerungen darüber gefehlt. Auf der einen Seite ist der
Wunsch zu erkennen gegeben worden, daß sie sich energischer der
Seiche der sogenannten staatserhaltenden Parteien annehmen und für diese eine
kräftigere Stütze sein müßten. Andrerseits hat man behauptet, daß diese Vereine
w der Pflege und der Beendigung des monarchischen Sinnes zu weit gingen
und sich zu sehr in politische Parteiströmungen mischten.

Über die Ziele und die Aufgaben, die sich das Kriegervereinstnm gestellt
^ut, geht die allgemeine Meinung wohl im ganzen ziemlich ungeteilt dahin, daß
^ Zweck dieser aus alten gedienten Soldaten bestehenden Vereine Erhaltung
des militärischen Geistes, Beendigung aufrichtiger Vaterlandsliebe und Stärkung
und Hebung des Nationalbewußtseins bleibt. Als Ausfluß dieser Bestrebungen
l°!ge, daß die Kriegervereine mit der Armee und ihren Einrichtungen in Fühlung
'leiden, den Gedanken pflegen, deren immer schlagfertige Reserve zu sein, daß
>'e nicht politisieren dürfen, sondern als Patrioten ihren Pflichten in Staat und
Gesellschaft nachkommen müssen. In der Erfüllung dieser Obliegenheiten liegt
le sittliche und rechtliche Bedeutung und ihr versöhnender, über die Partei¬
tendenzen hinaus reichender, auf die Volksseele wirkender Einfluß.

Mit seinem Eintritt in einen Kriegerverein bekräftigt jeder, daß er gesonnen
'U, den Grundsätzen, die ihm als Soldat eingeprägt worden sind, treu zu bleiben
und dadurch zur Verbreitung einer auf die Erhaltung der Wehrkraft des Vater-
nndes gerichteten Gesinnung und eines kräftigen Nationalgeftthls im deutschen
^°tke beizutragen.

Die Organisation des deutschen Kriegervereinswesens hat mit dem Jahre
1900 ihren Abschluß gefunden. Zu diesem Zeitpunkte war es gelungen, das


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[0401] [Abbildung] Das deutsche Kriegervereinswesen in seiner gegenwärtigen Gestalt n neuerer Zeit haben die Bestimmung und das Wirken der deutschen Kriegervcrcine in der Öffentlichkeit eine sehr verschiedne Beur¬ teilung erfahren, und es hat nicht an sehr voneinander abweichenden Meinungsäußerungen darüber gefehlt. Auf der einen Seite ist der Wunsch zu erkennen gegeben worden, daß sie sich energischer der Seiche der sogenannten staatserhaltenden Parteien annehmen und für diese eine kräftigere Stütze sein müßten. Andrerseits hat man behauptet, daß diese Vereine w der Pflege und der Beendigung des monarchischen Sinnes zu weit gingen und sich zu sehr in politische Parteiströmungen mischten. Über die Ziele und die Aufgaben, die sich das Kriegervereinstnm gestellt ^ut, geht die allgemeine Meinung wohl im ganzen ziemlich ungeteilt dahin, daß ^ Zweck dieser aus alten gedienten Soldaten bestehenden Vereine Erhaltung des militärischen Geistes, Beendigung aufrichtiger Vaterlandsliebe und Stärkung und Hebung des Nationalbewußtseins bleibt. Als Ausfluß dieser Bestrebungen l°!ge, daß die Kriegervereine mit der Armee und ihren Einrichtungen in Fühlung 'leiden, den Gedanken pflegen, deren immer schlagfertige Reserve zu sein, daß >'e nicht politisieren dürfen, sondern als Patrioten ihren Pflichten in Staat und Gesellschaft nachkommen müssen. In der Erfüllung dieser Obliegenheiten liegt le sittliche und rechtliche Bedeutung und ihr versöhnender, über die Partei¬ tendenzen hinaus reichender, auf die Volksseele wirkender Einfluß. Mit seinem Eintritt in einen Kriegerverein bekräftigt jeder, daß er gesonnen 'U, den Grundsätzen, die ihm als Soldat eingeprägt worden sind, treu zu bleiben und dadurch zur Verbreitung einer auf die Erhaltung der Wehrkraft des Vater- nndes gerichteten Gesinnung und eines kräftigen Nationalgeftthls im deutschen ^°tke beizutragen. Die Organisation des deutschen Kriegervereinswesens hat mit dem Jahre 1900 ihren Abschluß gefunden. Zu diesem Zeitpunkte war es gelungen, das Grenzboten IV 190g S1,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/401>, abgerufen am 29.04.2024.