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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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vor vierzig Jahren

eine durchaus abgeklärte, leidenschaftslose, überall Freude und Friede verbreitende
Gestalt mit einem milden, alle Gegensätze überbrückenden Lächeln vor unserm
geistigen Auge steht. Erkannte doch auch er in der Freundschaft das höchste
irdische Gut, das dem Menschen verliehen ist. An den Berliner Rntlionen Karl
Zöllner schreibt Lazarus in einem Geburtstagsbricf aus Nizza die schönen
Worte: "Wir haben es auf süße Art positiv und auf recht harte Art auch
negativ im Gemüt erfahren, daß der beste Kern des Lebens doch nur gedeiht
in der innigen Gemeinschaft mit verehrten und geliebten Menschen."


Otto Eduard Schmidt


Vor vierzig Jahren
Veto Aaemmel Erinnerungen von
3- I" Zittau beim Einmarsch nach Böhmen

in das Nachfolgende für Fernerstehende, die sich dafür interessieren
sollten, besser verstündlich zu machen und namentlich um die
strategische Bedeutung Zittaus bei diesem Feldzuge zu erklären,
dürften einige Bemerkungen am Platze sein. Die Stadt, ihrer
ganzen Anlage nach eine deutsche Gründling aus dem dreizehnten
Jahrhundert, die ihr Stadtrecht vom Böhmenkönig Ottokar dem Zweiten 1255
erhielt, liegt etwa anderthalb bis zwei Stunden vom Fuße des Gebirges
entfernt auf einem hochwasserfreien Plateau und dessen südlicher Senkung
nach der Flußniederung der Mauban und der Reiße zu. Von jeher war sie
ein Straßenknotenpunkt und ist eben deshalb an dieser Stelle angelegt worden-
Denn hier vereinigen sich von Norden oder Nordosten her kommend die Straßen
von Löbau und von Görlitz, die beide an der alten Hohen Straße von Leipzig
über Großenhain und Bautzen nach Schlesien lagen, und von denen die eine
Straße durch das Fraueutor im Osten, die andre durch das Bautzner Tor im
Norden in die Stadt eintritt. Nach Süden verläßt die Straße nach Böhmen
die Stadt durch das Böhmische Tor, gabelt sich aber in der Niederung; der
östliche Zweig folgt der Reiße und zieht über Grottau, Weißkirchen und
Kratzau nach Reichenberg, der westliche Zweig führt in ziemlich steilem Anstieg
nach dem Gebirge und durch den Paß von Lückendorf auf die nordostböhmische
Hochebene, die malerische Phonolithkegel überragen, hinauf nach Gabel; zwischen
beiden führen einige schwierige Übergänge eben dorthin. Westlich von der
Stadt geht eine Straße bei Waltersdorf am Kegel der Lausche über das
Gebirge, weiter im Osten tritt eine Straße bei Seidenberg, eine andre bei
Marklissa auf höhnisches Gebiet. Schon im Dreißigjährigen Kriege war Zittau
ein vielumkämpfter Platz und wurde mehrmals belagert; in den Kriegen


vor vierzig Jahren

eine durchaus abgeklärte, leidenschaftslose, überall Freude und Friede verbreitende
Gestalt mit einem milden, alle Gegensätze überbrückenden Lächeln vor unserm
geistigen Auge steht. Erkannte doch auch er in der Freundschaft das höchste
irdische Gut, das dem Menschen verliehen ist. An den Berliner Rntlionen Karl
Zöllner schreibt Lazarus in einem Geburtstagsbricf aus Nizza die schönen
Worte: „Wir haben es auf süße Art positiv und auf recht harte Art auch
negativ im Gemüt erfahren, daß der beste Kern des Lebens doch nur gedeiht
in der innigen Gemeinschaft mit verehrten und geliebten Menschen."


Otto Eduard Schmidt


Vor vierzig Jahren
Veto Aaemmel Erinnerungen von
3- I" Zittau beim Einmarsch nach Böhmen

in das Nachfolgende für Fernerstehende, die sich dafür interessieren
sollten, besser verstündlich zu machen und namentlich um die
strategische Bedeutung Zittaus bei diesem Feldzuge zu erklären,
dürften einige Bemerkungen am Platze sein. Die Stadt, ihrer
ganzen Anlage nach eine deutsche Gründling aus dem dreizehnten
Jahrhundert, die ihr Stadtrecht vom Böhmenkönig Ottokar dem Zweiten 1255
erhielt, liegt etwa anderthalb bis zwei Stunden vom Fuße des Gebirges
entfernt auf einem hochwasserfreien Plateau und dessen südlicher Senkung
nach der Flußniederung der Mauban und der Reiße zu. Von jeher war sie
ein Straßenknotenpunkt und ist eben deshalb an dieser Stelle angelegt worden-
Denn hier vereinigen sich von Norden oder Nordosten her kommend die Straßen
von Löbau und von Görlitz, die beide an der alten Hohen Straße von Leipzig
über Großenhain und Bautzen nach Schlesien lagen, und von denen die eine
Straße durch das Fraueutor im Osten, die andre durch das Bautzner Tor im
Norden in die Stadt eintritt. Nach Süden verläßt die Straße nach Böhmen
die Stadt durch das Böhmische Tor, gabelt sich aber in der Niederung; der
östliche Zweig folgt der Reiße und zieht über Grottau, Weißkirchen und
Kratzau nach Reichenberg, der westliche Zweig führt in ziemlich steilem Anstieg
nach dem Gebirge und durch den Paß von Lückendorf auf die nordostböhmische
Hochebene, die malerische Phonolithkegel überragen, hinauf nach Gabel; zwischen
beiden führen einige schwierige Übergänge eben dorthin. Westlich von der
Stadt geht eine Straße bei Waltersdorf am Kegel der Lausche über das
Gebirge, weiter im Osten tritt eine Straße bei Seidenberg, eine andre bei
Marklissa auf höhnisches Gebiet. Schon im Dreißigjährigen Kriege war Zittau
ein vielumkämpfter Platz und wurde mehrmals belagert; in den Kriegen


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[0472] vor vierzig Jahren eine durchaus abgeklärte, leidenschaftslose, überall Freude und Friede verbreitende Gestalt mit einem milden, alle Gegensätze überbrückenden Lächeln vor unserm geistigen Auge steht. Erkannte doch auch er in der Freundschaft das höchste irdische Gut, das dem Menschen verliehen ist. An den Berliner Rntlionen Karl Zöllner schreibt Lazarus in einem Geburtstagsbricf aus Nizza die schönen Worte: „Wir haben es auf süße Art positiv und auf recht harte Art auch negativ im Gemüt erfahren, daß der beste Kern des Lebens doch nur gedeiht in der innigen Gemeinschaft mit verehrten und geliebten Menschen." Otto Eduard Schmidt Vor vierzig Jahren Veto Aaemmel Erinnerungen von 3- I" Zittau beim Einmarsch nach Böhmen in das Nachfolgende für Fernerstehende, die sich dafür interessieren sollten, besser verstündlich zu machen und namentlich um die strategische Bedeutung Zittaus bei diesem Feldzuge zu erklären, dürften einige Bemerkungen am Platze sein. Die Stadt, ihrer ganzen Anlage nach eine deutsche Gründling aus dem dreizehnten Jahrhundert, die ihr Stadtrecht vom Böhmenkönig Ottokar dem Zweiten 1255 erhielt, liegt etwa anderthalb bis zwei Stunden vom Fuße des Gebirges entfernt auf einem hochwasserfreien Plateau und dessen südlicher Senkung nach der Flußniederung der Mauban und der Reiße zu. Von jeher war sie ein Straßenknotenpunkt und ist eben deshalb an dieser Stelle angelegt worden- Denn hier vereinigen sich von Norden oder Nordosten her kommend die Straßen von Löbau und von Görlitz, die beide an der alten Hohen Straße von Leipzig über Großenhain und Bautzen nach Schlesien lagen, und von denen die eine Straße durch das Fraueutor im Osten, die andre durch das Bautzner Tor im Norden in die Stadt eintritt. Nach Süden verläßt die Straße nach Böhmen die Stadt durch das Böhmische Tor, gabelt sich aber in der Niederung; der östliche Zweig folgt der Reiße und zieht über Grottau, Weißkirchen und Kratzau nach Reichenberg, der westliche Zweig führt in ziemlich steilem Anstieg nach dem Gebirge und durch den Paß von Lückendorf auf die nordostböhmische Hochebene, die malerische Phonolithkegel überragen, hinauf nach Gabel; zwischen beiden führen einige schwierige Übergänge eben dorthin. Westlich von der Stadt geht eine Straße bei Waltersdorf am Kegel der Lausche über das Gebirge, weiter im Osten tritt eine Straße bei Seidenberg, eine andre bei Marklissa auf höhnisches Gebiet. Schon im Dreißigjährigen Kriege war Zittau ein vielumkämpfter Platz und wurde mehrmals belagert; in den Kriegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/472>, abgerufen am 29.04.2024.