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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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vor vierzig Jahren

Schließlich sei, um das Bild von der gegenwärtigen Bedeutung der
optischen Telegraphie zu vervollständigen, noch der ungeheuern Verbreitung
der Verständigung durch Signalflaggen kurz gedacht. Mit einer Flagge ver¬
mag man 33 Zeichen zu übermitteln, mit zwei Flaggen schon 1400, mit drei
13 500 usw. Eine fühlbare Konkurrenz ist dem optischen Telegraphen, besonders
im Verkehr von Schiffen untereinander oder zwischen Schiffen und Land,
in der drahtlosen Telegraphie erwachsen, die jedenfalls berufen sein wird, die
unvollkommnere optische Zeichengebung in vielen Fällen entbehrlich zu machen.
Dennoch wird, trotz aller Fortschritte der elektrischen Telegraphie in ihren
verschiednen Systemen, der optische Telegraph auch weiterhin noch Gelegenheit
genug haben, eine wichtige Rolle im menschlichen Verkehrswesen zu spielen,
und wir werden seiner kaum jemals völlig entraten können.




Vor vierzig fahren
E Gelo Raeininel rinnerungen von
In Zittau während des böhmischen Feldzuges

a die Stadt als Etappe während des ganzen Feldzuges starken
Durchgangsverkehr zu erwarten hatte, so wurde ein Wagenpark
gebildet, um der regellosen Requisition einzelner Militärs zu
steuern, eine Feldbäckerei auf der Schießwicse eingerichtet, die
zuletzt dreihundert Militärbäcker beschäftigte, und das Lazarett in
der frei und luftig liegenden neuen Bürgerschule an der Promenade, von der
die weiße Flagge mit dem roten Kreuze wehte, auf 600 Betten gebracht,
namentlich für Schwerverwundete, die nicht weit transportiert werden konnten.
Die Behandlung übernahmen neben den Militärärzten auch Ärzte der Stadt.
Daß es sich bald füllen würde, war zu erwarten, denn der Kriegsschauplatz
Ittg zunächst wenig Meilen von der Grenze und in Hörweite des Kanonen¬
donners. Aus den Zeitungen erfuhren wir darüber in den ersten Tagen
wenig, denn sie kamen spärlich und unregelmäßig an, dafür wurden die amt¬
lichen preußischen Depeschen durch Anschlag bekannt gemacht. Man las sie
anfangs mit kritischem Blick, spöttelte wohl darüber, hielt die darin gemeldeten
Erfolge für übertrieben, für "preußischen Wind", und manche widerstanden nicht
der Versuchung, sie abzureißen, wogegen bald eine scharfe Verordnung erging,
stand doch die Stadt unter Kriegsrecht. Aber die ruhige, schmucklose Sachlichkeit
dieser kurzeu Berichte machte bald einen überzeugenden Eindruck, weil jeder
folgende die vorhergehenden gewissermaßen bestätigte, und sie stach weit ab von
den aufgebauschten unwahrhaftigen Depeschen, die von österreichischer Seite etwa
durch die Vermittlung der Augsburger Allgemeinen Zeitung zu uns drangen.


vor vierzig Jahren

Schließlich sei, um das Bild von der gegenwärtigen Bedeutung der
optischen Telegraphie zu vervollständigen, noch der ungeheuern Verbreitung
der Verständigung durch Signalflaggen kurz gedacht. Mit einer Flagge ver¬
mag man 33 Zeichen zu übermitteln, mit zwei Flaggen schon 1400, mit drei
13 500 usw. Eine fühlbare Konkurrenz ist dem optischen Telegraphen, besonders
im Verkehr von Schiffen untereinander oder zwischen Schiffen und Land,
in der drahtlosen Telegraphie erwachsen, die jedenfalls berufen sein wird, die
unvollkommnere optische Zeichengebung in vielen Fällen entbehrlich zu machen.
Dennoch wird, trotz aller Fortschritte der elektrischen Telegraphie in ihren
verschiednen Systemen, der optische Telegraph auch weiterhin noch Gelegenheit
genug haben, eine wichtige Rolle im menschlichen Verkehrswesen zu spielen,
und wir werden seiner kaum jemals völlig entraten können.




Vor vierzig fahren
E Gelo Raeininel rinnerungen von
In Zittau während des böhmischen Feldzuges

a die Stadt als Etappe während des ganzen Feldzuges starken
Durchgangsverkehr zu erwarten hatte, so wurde ein Wagenpark
gebildet, um der regellosen Requisition einzelner Militärs zu
steuern, eine Feldbäckerei auf der Schießwicse eingerichtet, die
zuletzt dreihundert Militärbäcker beschäftigte, und das Lazarett in
der frei und luftig liegenden neuen Bürgerschule an der Promenade, von der
die weiße Flagge mit dem roten Kreuze wehte, auf 600 Betten gebracht,
namentlich für Schwerverwundete, die nicht weit transportiert werden konnten.
Die Behandlung übernahmen neben den Militärärzten auch Ärzte der Stadt.
Daß es sich bald füllen würde, war zu erwarten, denn der Kriegsschauplatz
Ittg zunächst wenig Meilen von der Grenze und in Hörweite des Kanonen¬
donners. Aus den Zeitungen erfuhren wir darüber in den ersten Tagen
wenig, denn sie kamen spärlich und unregelmäßig an, dafür wurden die amt¬
lichen preußischen Depeschen durch Anschlag bekannt gemacht. Man las sie
anfangs mit kritischem Blick, spöttelte wohl darüber, hielt die darin gemeldeten
Erfolge für übertrieben, für „preußischen Wind", und manche widerstanden nicht
der Versuchung, sie abzureißen, wogegen bald eine scharfe Verordnung erging,
stand doch die Stadt unter Kriegsrecht. Aber die ruhige, schmucklose Sachlichkeit
dieser kurzeu Berichte machte bald einen überzeugenden Eindruck, weil jeder
folgende die vorhergehenden gewissermaßen bestätigte, und sie stach weit ab von
den aufgebauschten unwahrhaftigen Depeschen, die von österreichischer Seite etwa
durch die Vermittlung der Augsburger Allgemeinen Zeitung zu uns drangen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/589>, abgerufen am 29.04.2024.