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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Merkmale der Ariegführung Friedrichs des Großen, Napoleons und Moltkes

zu packen. Sie sollen zeigen, daß sie politischen Sinn haben, nicht nur Theo¬
retiker sondern Taktiker sind.

Im Anfang schien die Konfusion groß: man wollte nach fünf Fronten
kämpfen, um von fünf Fronten geschlagen zu werden. Gegen Reaktion, gegen
Zentrum, gegen persönliches Regiment, gegen Regierung, gegen Sozialdemokratie.
Wo sitzt denn die Reaktion im Reiche, wenn nicht im Zentrum? Agrarische
Schutzzölle sind doch eine Frage für sich und zurzeit nicht auf der Tages¬
ordnung. Wo ist denn das persönliche Regiment eigentlich? Man nenne doch
einen einzigen persönlichen unkonstitutionellen Negierungsakt! Ist die Regierung
etwa ein böses Prinzip an sich? Sie hat getan, was sie mit der bestehenden
Reichstagsmehrheit tun konnte und tun mußte! Ist die Majorität eine andre,
dann ist sicher Fürst Bülow der letzte, der sein eignes Bemühen, eine andre
Mehrheit zu schaffen, verleugnet.

Die Utopisten und Doktrinaristen in manchen Lagern gleichen jenen Heer¬
führern der Verbündeten von 1815, die, als Napoleon mit einem Schlage
wieder auftauchte, in Erwägungen und Betrachtungen erstickend, nicht wußten,
wo aus noch ein, während Blücher das Wesentliche traf und frischweg rief: Die
Franzosen habe ich vor mich, den Ruhm hinter mich, balde wird es knallen,
denn der Bonaparte hat ja nichts.

In Wirklichkeit ist die Lage, die am Anfang so verwirrt schien, durchaus
klar. Der Liberalismus hat nichts zu tun, als den Weg zu beschreiten, den
ihm seine Abstimmung vom 13. Dezember und die Haltung des Reichskanzlers
vorgezeichnet hat. Für Konservative wie für Liberale bleiben die ewigen Prin¬
zipien unverloren, wenn sie dem Augenblick geben, was der Augenblick verlangt-
Idealismus ist nur dann fruchtbar, wenn er nicht nach unerreichbaren Sternen
schauend über kleine Wurzeln stolpert, sondern zu Boden sieht und vorwärts
schreitet und an diesem Tage weiß und an diesem Tage tut, was gerade dieser
Tag verlangt.




charakteristische Merkmale der Kriegführung Friedrichs
des Großen, Napoleons und Moltkes

> le großen und gewaltigen Kriegstaten sind zu allen Zeiten mehr
durch die hohen geistigen Eigenschaften der in ihnen auftretenden
und wirkenden Feldherren als durch den innern Wert der von
diesen befehligten Heere entschieden worden. Wo es der Feld¬
herr verstand, das "Wagen" mit dem "Wägen" in harmonischen
Einklang zu bringen, wo er die Kraft und die Macht hatte, in den Stunden
der Gefahr die Massen nach seinem Willen zu lenken und diesen Willen mit
Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen, dein Ehrgeiz und der Liebe zum Ruhm,
mit Tatendrang und Tapferkeit zu paaren, hat er auch allezeit große und
entscheidende Erfolge davonzutragen vermocht. So finden wir diese Charakter-


Merkmale der Ariegführung Friedrichs des Großen, Napoleons und Moltkes

zu packen. Sie sollen zeigen, daß sie politischen Sinn haben, nicht nur Theo¬
retiker sondern Taktiker sind.

Im Anfang schien die Konfusion groß: man wollte nach fünf Fronten
kämpfen, um von fünf Fronten geschlagen zu werden. Gegen Reaktion, gegen
Zentrum, gegen persönliches Regiment, gegen Regierung, gegen Sozialdemokratie.
Wo sitzt denn die Reaktion im Reiche, wenn nicht im Zentrum? Agrarische
Schutzzölle sind doch eine Frage für sich und zurzeit nicht auf der Tages¬
ordnung. Wo ist denn das persönliche Regiment eigentlich? Man nenne doch
einen einzigen persönlichen unkonstitutionellen Negierungsakt! Ist die Regierung
etwa ein böses Prinzip an sich? Sie hat getan, was sie mit der bestehenden
Reichstagsmehrheit tun konnte und tun mußte! Ist die Majorität eine andre,
dann ist sicher Fürst Bülow der letzte, der sein eignes Bemühen, eine andre
Mehrheit zu schaffen, verleugnet.

Die Utopisten und Doktrinaristen in manchen Lagern gleichen jenen Heer¬
führern der Verbündeten von 1815, die, als Napoleon mit einem Schlage
wieder auftauchte, in Erwägungen und Betrachtungen erstickend, nicht wußten,
wo aus noch ein, während Blücher das Wesentliche traf und frischweg rief: Die
Franzosen habe ich vor mich, den Ruhm hinter mich, balde wird es knallen,
denn der Bonaparte hat ja nichts.

In Wirklichkeit ist die Lage, die am Anfang so verwirrt schien, durchaus
klar. Der Liberalismus hat nichts zu tun, als den Weg zu beschreiten, den
ihm seine Abstimmung vom 13. Dezember und die Haltung des Reichskanzlers
vorgezeichnet hat. Für Konservative wie für Liberale bleiben die ewigen Prin¬
zipien unverloren, wenn sie dem Augenblick geben, was der Augenblick verlangt-
Idealismus ist nur dann fruchtbar, wenn er nicht nach unerreichbaren Sternen
schauend über kleine Wurzeln stolpert, sondern zu Boden sieht und vorwärts
schreitet und an diesem Tage weiß und an diesem Tage tut, was gerade dieser
Tag verlangt.




charakteristische Merkmale der Kriegführung Friedrichs
des Großen, Napoleons und Moltkes

> le großen und gewaltigen Kriegstaten sind zu allen Zeiten mehr
durch die hohen geistigen Eigenschaften der in ihnen auftretenden
und wirkenden Feldherren als durch den innern Wert der von
diesen befehligten Heere entschieden worden. Wo es der Feld¬
herr verstand, das „Wagen" mit dem „Wägen" in harmonischen
Einklang zu bringen, wo er die Kraft und die Macht hatte, in den Stunden
der Gefahr die Massen nach seinem Willen zu lenken und diesen Willen mit
Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen, dein Ehrgeiz und der Liebe zum Ruhm,
mit Tatendrang und Tapferkeit zu paaren, hat er auch allezeit große und
entscheidende Erfolge davonzutragen vermocht. So finden wir diese Charakter-


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[0694] Merkmale der Ariegführung Friedrichs des Großen, Napoleons und Moltkes zu packen. Sie sollen zeigen, daß sie politischen Sinn haben, nicht nur Theo¬ retiker sondern Taktiker sind. Im Anfang schien die Konfusion groß: man wollte nach fünf Fronten kämpfen, um von fünf Fronten geschlagen zu werden. Gegen Reaktion, gegen Zentrum, gegen persönliches Regiment, gegen Regierung, gegen Sozialdemokratie. Wo sitzt denn die Reaktion im Reiche, wenn nicht im Zentrum? Agrarische Schutzzölle sind doch eine Frage für sich und zurzeit nicht auf der Tages¬ ordnung. Wo ist denn das persönliche Regiment eigentlich? Man nenne doch einen einzigen persönlichen unkonstitutionellen Negierungsakt! Ist die Regierung etwa ein böses Prinzip an sich? Sie hat getan, was sie mit der bestehenden Reichstagsmehrheit tun konnte und tun mußte! Ist die Majorität eine andre, dann ist sicher Fürst Bülow der letzte, der sein eignes Bemühen, eine andre Mehrheit zu schaffen, verleugnet. Die Utopisten und Doktrinaristen in manchen Lagern gleichen jenen Heer¬ führern der Verbündeten von 1815, die, als Napoleon mit einem Schlage wieder auftauchte, in Erwägungen und Betrachtungen erstickend, nicht wußten, wo aus noch ein, während Blücher das Wesentliche traf und frischweg rief: Die Franzosen habe ich vor mich, den Ruhm hinter mich, balde wird es knallen, denn der Bonaparte hat ja nichts. In Wirklichkeit ist die Lage, die am Anfang so verwirrt schien, durchaus klar. Der Liberalismus hat nichts zu tun, als den Weg zu beschreiten, den ihm seine Abstimmung vom 13. Dezember und die Haltung des Reichskanzlers vorgezeichnet hat. Für Konservative wie für Liberale bleiben die ewigen Prin¬ zipien unverloren, wenn sie dem Augenblick geben, was der Augenblick verlangt- Idealismus ist nur dann fruchtbar, wenn er nicht nach unerreichbaren Sternen schauend über kleine Wurzeln stolpert, sondern zu Boden sieht und vorwärts schreitet und an diesem Tage weiß und an diesem Tage tut, was gerade dieser Tag verlangt. charakteristische Merkmale der Kriegführung Friedrichs des Großen, Napoleons und Moltkes > le großen und gewaltigen Kriegstaten sind zu allen Zeiten mehr durch die hohen geistigen Eigenschaften der in ihnen auftretenden und wirkenden Feldherren als durch den innern Wert der von diesen befehligten Heere entschieden worden. Wo es der Feld¬ herr verstand, das „Wagen" mit dem „Wägen" in harmonischen Einklang zu bringen, wo er die Kraft und die Macht hatte, in den Stunden der Gefahr die Massen nach seinem Willen zu lenken und diesen Willen mit Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen, dein Ehrgeiz und der Liebe zum Ruhm, mit Tatendrang und Tapferkeit zu paaren, hat er auch allezeit große und entscheidende Erfolge davonzutragen vermocht. So finden wir diese Charakter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/694>, abgerufen am 29.04.2024.