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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Schicksal
Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von
(Schluß)

WR
AK>ut dann kam die Stadt mit ihrem Geschrei und dem Gerassel der
eigentümlichen Esel- und Maultierkarren, die ans nichts bestanden
als dem kleinen viereckigen Holzboden mit Zaunstäben umsteckt, schwebend
über zwei hohen Rädern. Jedes dieser Fuhrwerke sah gebrechlich
und zufällig aus, als wenn es eben zusammengesucht und aufgerichtet
wäre. Und auf jedem stand breitbeinig und sicher der Kutscher und
ließ die Peitsche von seiner Höhe herab dein bnutbetroddelten Tiere um die Ohren
knallen.

Oder die wunderlichen Fahrzeuge waren schwer beladen mit Steinen oder
Säcken. Dann ging vor dem ersten Esel oder Maultier ein zweites und vor dem
zweiten ein drittes bis zu fünf Tieren hintereinander. Die legten sich alle ins
Gewicht gegen die Last, die auf ihren zwei Rädern hintenüber zog.

Da waren die Straßen mit dem Pflaster von Basaltplatten, die sich von beiden
Seiten nach der Mitte zu senkten, sodaß das Regenwasser inmitten der Straße
abfließen konnte. Jetzt in der trocknen Zeit lag der Kehricht da und wartete auf
den Regen, der ihn forttragen würde. Von beiden Häuserreihen war er zur Mitte
hingekehrt, und hier und da ruhten die Überreste eines Besens obenauf, um zu
bezeichnen, daß die Reinlichkeit hier bekannt wäre wie in andern Ländern und nnr
anders in Erscheinung träte.

In den Hauptstraßen, die eine sehr stattliche Breite hatten mit Bürgersteigen
rechts und links, begegnete Lex einem Araber, der im Turban ernsthaft hinschritt,
den bunten Überwurf über dem Weißen Hemd, das darunter hervorsah, die bronze-
farbnen Beine von den Knien ab nackt, und die Füße in hellen Leinwandsandalen.
Niemand fand seine Erscheinung anffallend, während Lex mit dem Riemen über
der Schulter, an dem das Fernrohr hing, als Fremder gekennzeichnet war. Er
wurde von einem Gefolge begleitet, das mit jedem Schritt zahlreicher wurde.

Schließlich trat er in ein Cafe und setzte sich ins Fenster, um von da aus
die Geduld seiner Begleiter auf die Probe zu stellen. Erst verharrten sie alle
unter dem Fenster. Nach und nach aber verlor sich das eine und das andre der
dunkeläugiger Gesichter, und nach Verlauf einer halben Stunde war die Belagerung
aufgehoben.

Auch Lex hatte seinen Kaffee zu Ende getrunken. Seine Absicht war, den
Gibralfaro zu besteigen, den Berg, der Malaga krönt und die Ruinen der alten
maurischen Zwingburg trägt, in deren Resten eine kleine spanische Besatzung haust.
Bei der glühenden Hitze würde wohl ein Esel gut sein, um hinaufzureiten.

Lex winkte dem Kellner und versuchte, mit französischen Bruchstücken seinen
Wunsch klar zu machen. Schließlich zeichnete er mit Bleistift einen Esel auf den
Rand einer Zeitung.




Schicksal
Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von
(Schluß)

WR
AK>ut dann kam die Stadt mit ihrem Geschrei und dem Gerassel der
eigentümlichen Esel- und Maultierkarren, die ans nichts bestanden
als dem kleinen viereckigen Holzboden mit Zaunstäben umsteckt, schwebend
über zwei hohen Rädern. Jedes dieser Fuhrwerke sah gebrechlich
und zufällig aus, als wenn es eben zusammengesucht und aufgerichtet
wäre. Und auf jedem stand breitbeinig und sicher der Kutscher und
ließ die Peitsche von seiner Höhe herab dein bnutbetroddelten Tiere um die Ohren
knallen.

Oder die wunderlichen Fahrzeuge waren schwer beladen mit Steinen oder
Säcken. Dann ging vor dem ersten Esel oder Maultier ein zweites und vor dem
zweiten ein drittes bis zu fünf Tieren hintereinander. Die legten sich alle ins
Gewicht gegen die Last, die auf ihren zwei Rädern hintenüber zog.

Da waren die Straßen mit dem Pflaster von Basaltplatten, die sich von beiden
Seiten nach der Mitte zu senkten, sodaß das Regenwasser inmitten der Straße
abfließen konnte. Jetzt in der trocknen Zeit lag der Kehricht da und wartete auf
den Regen, der ihn forttragen würde. Von beiden Häuserreihen war er zur Mitte
hingekehrt, und hier und da ruhten die Überreste eines Besens obenauf, um zu
bezeichnen, daß die Reinlichkeit hier bekannt wäre wie in andern Ländern und nnr
anders in Erscheinung träte.

In den Hauptstraßen, die eine sehr stattliche Breite hatten mit Bürgersteigen
rechts und links, begegnete Lex einem Araber, der im Turban ernsthaft hinschritt,
den bunten Überwurf über dem Weißen Hemd, das darunter hervorsah, die bronze-
farbnen Beine von den Knien ab nackt, und die Füße in hellen Leinwandsandalen.
Niemand fand seine Erscheinung anffallend, während Lex mit dem Riemen über
der Schulter, an dem das Fernrohr hing, als Fremder gekennzeichnet war. Er
wurde von einem Gefolge begleitet, das mit jedem Schritt zahlreicher wurde.

Schließlich trat er in ein Cafe und setzte sich ins Fenster, um von da aus
die Geduld seiner Begleiter auf die Probe zu stellen. Erst verharrten sie alle
unter dem Fenster. Nach und nach aber verlor sich das eine und das andre der
dunkeläugiger Gesichter, und nach Verlauf einer halben Stunde war die Belagerung
aufgehoben.

Auch Lex hatte seinen Kaffee zu Ende getrunken. Seine Absicht war, den
Gibralfaro zu besteigen, den Berg, der Malaga krönt und die Ruinen der alten
maurischen Zwingburg trägt, in deren Resten eine kleine spanische Besatzung haust.
Bei der glühenden Hitze würde wohl ein Esel gut sein, um hinaufzureiten.

Lex winkte dem Kellner und versuchte, mit französischen Bruchstücken seinen
Wunsch klar zu machen. Schließlich zeichnete er mit Bleistift einen Esel auf den
Rand einer Zeitung.


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[0434] [Abbildung] Schicksal Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von (Schluß) WR AK>ut dann kam die Stadt mit ihrem Geschrei und dem Gerassel der eigentümlichen Esel- und Maultierkarren, die ans nichts bestanden als dem kleinen viereckigen Holzboden mit Zaunstäben umsteckt, schwebend über zwei hohen Rädern. Jedes dieser Fuhrwerke sah gebrechlich und zufällig aus, als wenn es eben zusammengesucht und aufgerichtet wäre. Und auf jedem stand breitbeinig und sicher der Kutscher und ließ die Peitsche von seiner Höhe herab dein bnutbetroddelten Tiere um die Ohren knallen. Oder die wunderlichen Fahrzeuge waren schwer beladen mit Steinen oder Säcken. Dann ging vor dem ersten Esel oder Maultier ein zweites und vor dem zweiten ein drittes bis zu fünf Tieren hintereinander. Die legten sich alle ins Gewicht gegen die Last, die auf ihren zwei Rädern hintenüber zog. Da waren die Straßen mit dem Pflaster von Basaltplatten, die sich von beiden Seiten nach der Mitte zu senkten, sodaß das Regenwasser inmitten der Straße abfließen konnte. Jetzt in der trocknen Zeit lag der Kehricht da und wartete auf den Regen, der ihn forttragen würde. Von beiden Häuserreihen war er zur Mitte hingekehrt, und hier und da ruhten die Überreste eines Besens obenauf, um zu bezeichnen, daß die Reinlichkeit hier bekannt wäre wie in andern Ländern und nnr anders in Erscheinung träte. In den Hauptstraßen, die eine sehr stattliche Breite hatten mit Bürgersteigen rechts und links, begegnete Lex einem Araber, der im Turban ernsthaft hinschritt, den bunten Überwurf über dem Weißen Hemd, das darunter hervorsah, die bronze- farbnen Beine von den Knien ab nackt, und die Füße in hellen Leinwandsandalen. Niemand fand seine Erscheinung anffallend, während Lex mit dem Riemen über der Schulter, an dem das Fernrohr hing, als Fremder gekennzeichnet war. Er wurde von einem Gefolge begleitet, das mit jedem Schritt zahlreicher wurde. Schließlich trat er in ein Cafe und setzte sich ins Fenster, um von da aus die Geduld seiner Begleiter auf die Probe zu stellen. Erst verharrten sie alle unter dem Fenster. Nach und nach aber verlor sich das eine und das andre der dunkeläugiger Gesichter, und nach Verlauf einer halben Stunde war die Belagerung aufgehoben. Auch Lex hatte seinen Kaffee zu Ende getrunken. Seine Absicht war, den Gibralfaro zu besteigen, den Berg, der Malaga krönt und die Ruinen der alten maurischen Zwingburg trägt, in deren Resten eine kleine spanische Besatzung haust. Bei der glühenden Hitze würde wohl ein Esel gut sein, um hinaufzureiten. Lex winkte dem Kellner und versuchte, mit französischen Bruchstücken seinen Wunsch klar zu machen. Schließlich zeichnete er mit Bleistift einen Esel auf den Rand einer Zeitung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/434>, abgerufen am 02.05.2024.