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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Das Land Transkasxien

Staatsrat v. Br., der Gehilfe des Gutsverwalters, der unsre Führung
übernommen hatte und mit gleichbleibender Geduld unsre vielen Fragen be¬
antwortete, hat uns auch einige Angaben über die Tierwelt gemacht. Mein
Tagebuch spricht sich darüber folgendermaßen aus. Transkaspiens Fauna
bietet insofern ein Interesse, als sie die Anpassungsfähigkeit der Lebewesen an
ihnen ungünstige Boden- und Klimaverhältnisse zur Darstellung bringt. Von den
Säugetieren siud es verschiedne Nager, darunter Mäuse und Ratten von be¬
trächtlicher Größe, die unangenehm auffallen. Aber auch das Katzengeschlecht
ist mit Tiger, Leopard und Panther an den Flüssen vertreten, Schakal, Hyäne,
Fuchs und Wolf streifen durch Wüste und Oase, und Schwarzwild ist in den
Sümpfen der Flußenden eine schwer erreichbare Jagdbeute. Von den Vögeln
verdient als Eigenart der Ssaxaulhäher Beachtung. Fasanen reizten uns in
den Feldern von Beiram-Ali, die Schußwaffe zu ziehn, aber da auch die
Browningpistole kein Jagdgewehr ist, trafen wir ebensowenig wie auf der
Bergfahrt nach Gaudan, wo ein paar Völker Berghühner, eine kräftigere Abart
Rebhühner, nicht weit von uns aufgingen. Unsre Jagdbeute war überall
Null. Glücklicherweise kam nur einmal ein höherer Offizier auf den Gedanken,
danach zu fragen, nachdem die Aschabader Zeitungen, von unsrer Anwesenheit
Notiz nehmend, uns jagdsportliche Absichten als Neisezwecke nachgesagt hatten.
Von Reptilien sind eine große Art Varrtmus soinous, Schildkröten und
mehrere Schlangen vorhanden. Sehr zahlreich sind die Insekten, zum Teil
von unangenehmer Größe und Eigenschaft, vertreten. Die Heuschreckenplage
ist häufig und vernichtete im Sommer 1904 in Aschabad alles Wachstum,
alles Grün, das die heiße Sonne nicht verbrannt hatte. Es gibt jedoch auch
nützlichere Tierchen. Die Seidenraupenzucht verspricht, obwohl sie uoch im
argen liegt, erträgliche Fortschritte.

Die Viehzucht ist neben dein Ackerbau noch immer die am meisten bevor¬
zugte Tätigkeit, begünstigt durch ausgedehnte Weideflächen, die auch in? Winter
ausreichend frisches Futter gewähren. Sie mußte sich aber den eigenartigen
Boden- und Witterungsverhältnissen anpassen und besonders auf Züchtung
eines weite Strecken zurücklegenden anspruchslosen, auch Wolle liefernden
Tieres, des Kamels, ausgehn. In zweiter Linie ist die Zucht der Wolle und
Fleisch liefernden Schafe gegeben. Der kriegerischen Neigung des Volkes, der
Notwendigkeit schneller Fortbewegung, auch der Lust am Raubzug entsprach
die Züchtung eines vorzüglich ausdauernden Pferdes. Leider ist mit der Ver¬
änderung der Lebensweise der Turkmenen gerade dieser Zweig der Viehzucht
stark zurückgegangen, und es muß bezweifelt werden, ob die vom Staate (durch
das Gestüt in Keschi bei Aschabad) versuchte Erhaltung der Reinzucht des Te-
kinzen-Vollbluts gelingen wird.




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Das Land Transkasxien

Staatsrat v. Br., der Gehilfe des Gutsverwalters, der unsre Führung
übernommen hatte und mit gleichbleibender Geduld unsre vielen Fragen be¬
antwortete, hat uns auch einige Angaben über die Tierwelt gemacht. Mein
Tagebuch spricht sich darüber folgendermaßen aus. Transkaspiens Fauna
bietet insofern ein Interesse, als sie die Anpassungsfähigkeit der Lebewesen an
ihnen ungünstige Boden- und Klimaverhältnisse zur Darstellung bringt. Von den
Säugetieren siud es verschiedne Nager, darunter Mäuse und Ratten von be¬
trächtlicher Größe, die unangenehm auffallen. Aber auch das Katzengeschlecht
ist mit Tiger, Leopard und Panther an den Flüssen vertreten, Schakal, Hyäne,
Fuchs und Wolf streifen durch Wüste und Oase, und Schwarzwild ist in den
Sümpfen der Flußenden eine schwer erreichbare Jagdbeute. Von den Vögeln
verdient als Eigenart der Ssaxaulhäher Beachtung. Fasanen reizten uns in
den Feldern von Beiram-Ali, die Schußwaffe zu ziehn, aber da auch die
Browningpistole kein Jagdgewehr ist, trafen wir ebensowenig wie auf der
Bergfahrt nach Gaudan, wo ein paar Völker Berghühner, eine kräftigere Abart
Rebhühner, nicht weit von uns aufgingen. Unsre Jagdbeute war überall
Null. Glücklicherweise kam nur einmal ein höherer Offizier auf den Gedanken,
danach zu fragen, nachdem die Aschabader Zeitungen, von unsrer Anwesenheit
Notiz nehmend, uns jagdsportliche Absichten als Neisezwecke nachgesagt hatten.
Von Reptilien sind eine große Art Varrtmus soinous, Schildkröten und
mehrere Schlangen vorhanden. Sehr zahlreich sind die Insekten, zum Teil
von unangenehmer Größe und Eigenschaft, vertreten. Die Heuschreckenplage
ist häufig und vernichtete im Sommer 1904 in Aschabad alles Wachstum,
alles Grün, das die heiße Sonne nicht verbrannt hatte. Es gibt jedoch auch
nützlichere Tierchen. Die Seidenraupenzucht verspricht, obwohl sie uoch im
argen liegt, erträgliche Fortschritte.

Die Viehzucht ist neben dein Ackerbau noch immer die am meisten bevor¬
zugte Tätigkeit, begünstigt durch ausgedehnte Weideflächen, die auch in? Winter
ausreichend frisches Futter gewähren. Sie mußte sich aber den eigenartigen
Boden- und Witterungsverhältnissen anpassen und besonders auf Züchtung
eines weite Strecken zurücklegenden anspruchslosen, auch Wolle liefernden
Tieres, des Kamels, ausgehn. In zweiter Linie ist die Zucht der Wolle und
Fleisch liefernden Schafe gegeben. Der kriegerischen Neigung des Volkes, der
Notwendigkeit schneller Fortbewegung, auch der Lust am Raubzug entsprach
die Züchtung eines vorzüglich ausdauernden Pferdes. Leider ist mit der Ver¬
änderung der Lebensweise der Turkmenen gerade dieser Zweig der Viehzucht
stark zurückgegangen, und es muß bezweifelt werden, ob die vom Staate (durch
das Gestüt in Keschi bei Aschabad) versuchte Erhaltung der Reinzucht des Te-
kinzen-Vollbluts gelingen wird.




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[0433] Das Land Transkasxien Staatsrat v. Br., der Gehilfe des Gutsverwalters, der unsre Führung übernommen hatte und mit gleichbleibender Geduld unsre vielen Fragen be¬ antwortete, hat uns auch einige Angaben über die Tierwelt gemacht. Mein Tagebuch spricht sich darüber folgendermaßen aus. Transkaspiens Fauna bietet insofern ein Interesse, als sie die Anpassungsfähigkeit der Lebewesen an ihnen ungünstige Boden- und Klimaverhältnisse zur Darstellung bringt. Von den Säugetieren siud es verschiedne Nager, darunter Mäuse und Ratten von be¬ trächtlicher Größe, die unangenehm auffallen. Aber auch das Katzengeschlecht ist mit Tiger, Leopard und Panther an den Flüssen vertreten, Schakal, Hyäne, Fuchs und Wolf streifen durch Wüste und Oase, und Schwarzwild ist in den Sümpfen der Flußenden eine schwer erreichbare Jagdbeute. Von den Vögeln verdient als Eigenart der Ssaxaulhäher Beachtung. Fasanen reizten uns in den Feldern von Beiram-Ali, die Schußwaffe zu ziehn, aber da auch die Browningpistole kein Jagdgewehr ist, trafen wir ebensowenig wie auf der Bergfahrt nach Gaudan, wo ein paar Völker Berghühner, eine kräftigere Abart Rebhühner, nicht weit von uns aufgingen. Unsre Jagdbeute war überall Null. Glücklicherweise kam nur einmal ein höherer Offizier auf den Gedanken, danach zu fragen, nachdem die Aschabader Zeitungen, von unsrer Anwesenheit Notiz nehmend, uns jagdsportliche Absichten als Neisezwecke nachgesagt hatten. Von Reptilien sind eine große Art Varrtmus soinous, Schildkröten und mehrere Schlangen vorhanden. Sehr zahlreich sind die Insekten, zum Teil von unangenehmer Größe und Eigenschaft, vertreten. Die Heuschreckenplage ist häufig und vernichtete im Sommer 1904 in Aschabad alles Wachstum, alles Grün, das die heiße Sonne nicht verbrannt hatte. Es gibt jedoch auch nützlichere Tierchen. Die Seidenraupenzucht verspricht, obwohl sie uoch im argen liegt, erträgliche Fortschritte. Die Viehzucht ist neben dein Ackerbau noch immer die am meisten bevor¬ zugte Tätigkeit, begünstigt durch ausgedehnte Weideflächen, die auch in? Winter ausreichend frisches Futter gewähren. Sie mußte sich aber den eigenartigen Boden- und Witterungsverhältnissen anpassen und besonders auf Züchtung eines weite Strecken zurücklegenden anspruchslosen, auch Wolle liefernden Tieres, des Kamels, ausgehn. In zweiter Linie ist die Zucht der Wolle und Fleisch liefernden Schafe gegeben. Der kriegerischen Neigung des Volkes, der Notwendigkeit schneller Fortbewegung, auch der Lust am Raubzug entsprach die Züchtung eines vorzüglich ausdauernden Pferdes. Leider ist mit der Ver¬ änderung der Lebensweise der Turkmenen gerade dieser Zweig der Viehzucht stark zurückgegangen, und es muß bezweifelt werden, ob die vom Staate (durch das Gestüt in Keschi bei Aschabad) versuchte Erhaltung der Reinzucht des Te- kinzen-Vollbluts gelingen wird. Grenzboten I ISO?5><;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/433>, abgerufen am 15.05.2024.