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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Zur Reichssteuerreform

hinderter handhaben zu können. Ans diese Dinge dürfte das Verhalten der
Arbeiterschaft einen großen Einfluß haben. Noch stehn erst ganz kleine Teile
von ihr auf sozialdemokratischen Boden. Die große Masse wirkt mit den
bürgerlichen Parteien zusammen, jedoch nicht einheitlich, sondern in beide Lager
verteilt. An Bemühungen, sie einheitlich zu organisieren, hat es nicht gefehlt;
man sucht sie dafür zu gewinnen, ihr Gesamtgewicht als Arbeiterpartei geltend
zu macheu. Beide bürgerlichen Parteien würden dann wetteifern, ihre Gunst
zu erringen. Auf dem Gebiet der auswärtigen Politik ist Präsident Noose-
velts Bahn klarer zu übersehen. In den letzten Jahren neigt er ausgesprochen
dem wirtschaftlichen Panamerikcmismus zu, der sich gegen den europäischen
Handel wendet. Den politischen Panamerikcmismus hat er immer verschmäht,
und das mit so triftigen Gründen, daß man an ihrem Ernst nicht zweifeln
kaum Roosevelts Imperialismus ist etwas andres. Ihn haben wir vor allem
in dem Entschluß vor uns, die Philippinen zu behaupten. Im übrigen hat
Noosevelt so viele Beweise einer weisen, besonnenen Politik geliefert, daß man
auch für ein neues Lustrum die kluge Fortsetzung des bisherigen Kurses von
ihm erwarten darf. Seine Bemühungen, den Konflikt mit Japan aus der
Welt zu schaffen, sind ein Ruhmeskranz für ihn. Vielleicht denkt er an eine
ferne Zukunft, die die Karten ganz anders gemischt hält. Für diese dürfte die
starke Flottenvermehrung bestimmt sein, für die er unausgesetzt eintritt.

Uns Deutschen wird es um so leichter, ihm volles Vertrauen entgegenzu¬
bringen, als die ausgesprochen deutschfreundliche Rede, die der amerikanische
Botschafter für Deutschland, Mr. Charlemagne Tower, am L.April im Manhattcm-
klub zu Newyork gehalten hat, vorher seine Billigung gefunden haben muß.




Zur Reichssteuerreform*)

or langen Jahren erinnere ich mich in Raumers Geschichte der
Hohenstaufen von einer Lombardenstadt gelesen zu haben, die
einmal ihre Signori absetzte, weil diese den Patriotismus der
Bürgerschaft durch die Ausschreibung einer zu kleinen Anlage
beleidigt hatten. Bei der Verbreiterung des Stadtstaates zum
Großstaate hat diese Art Patriotismus eine so starke Verdünnung erlitten,
daß heute nichts mehr davon zu spüren ist. Als Bismarck das Tabakmonopol



*) Die Reichsfinanzreform von 1906. Ein Rückblick auf ihre Geschichte von
Hugo Linschmann, Doktor der Staatswissenschaften, Redakteur der Kölnischen Zeitung.
Stuttgart, Heinrich Moritz, 1906. -- Die neuen Neichssteuern von Dr. Hugo Linschmann.
Zweites Heft des dritten Bandes der Burschenschaftlichen Bücherei. Berlin ^V, Carl Heymann
1906. -- Die deutsche Finanz-Reform der Zukunft. Dritter Teil von "Staatsstreich
oder Reformen" von einen: Ausland-Deutschen. Zürich, Zürcher <K Furrer, 1906.
Zur Reichssteuerreform

hinderter handhaben zu können. Ans diese Dinge dürfte das Verhalten der
Arbeiterschaft einen großen Einfluß haben. Noch stehn erst ganz kleine Teile
von ihr auf sozialdemokratischen Boden. Die große Masse wirkt mit den
bürgerlichen Parteien zusammen, jedoch nicht einheitlich, sondern in beide Lager
verteilt. An Bemühungen, sie einheitlich zu organisieren, hat es nicht gefehlt;
man sucht sie dafür zu gewinnen, ihr Gesamtgewicht als Arbeiterpartei geltend
zu macheu. Beide bürgerlichen Parteien würden dann wetteifern, ihre Gunst
zu erringen. Auf dem Gebiet der auswärtigen Politik ist Präsident Noose-
velts Bahn klarer zu übersehen. In den letzten Jahren neigt er ausgesprochen
dem wirtschaftlichen Panamerikcmismus zu, der sich gegen den europäischen
Handel wendet. Den politischen Panamerikcmismus hat er immer verschmäht,
und das mit so triftigen Gründen, daß man an ihrem Ernst nicht zweifeln
kaum Roosevelts Imperialismus ist etwas andres. Ihn haben wir vor allem
in dem Entschluß vor uns, die Philippinen zu behaupten. Im übrigen hat
Noosevelt so viele Beweise einer weisen, besonnenen Politik geliefert, daß man
auch für ein neues Lustrum die kluge Fortsetzung des bisherigen Kurses von
ihm erwarten darf. Seine Bemühungen, den Konflikt mit Japan aus der
Welt zu schaffen, sind ein Ruhmeskranz für ihn. Vielleicht denkt er an eine
ferne Zukunft, die die Karten ganz anders gemischt hält. Für diese dürfte die
starke Flottenvermehrung bestimmt sein, für die er unausgesetzt eintritt.

Uns Deutschen wird es um so leichter, ihm volles Vertrauen entgegenzu¬
bringen, als die ausgesprochen deutschfreundliche Rede, die der amerikanische
Botschafter für Deutschland, Mr. Charlemagne Tower, am L.April im Manhattcm-
klub zu Newyork gehalten hat, vorher seine Billigung gefunden haben muß.




Zur Reichssteuerreform*)

or langen Jahren erinnere ich mich in Raumers Geschichte der
Hohenstaufen von einer Lombardenstadt gelesen zu haben, die
einmal ihre Signori absetzte, weil diese den Patriotismus der
Bürgerschaft durch die Ausschreibung einer zu kleinen Anlage
beleidigt hatten. Bei der Verbreiterung des Stadtstaates zum
Großstaate hat diese Art Patriotismus eine so starke Verdünnung erlitten,
daß heute nichts mehr davon zu spüren ist. Als Bismarck das Tabakmonopol



*) Die Reichsfinanzreform von 1906. Ein Rückblick auf ihre Geschichte von
Hugo Linschmann, Doktor der Staatswissenschaften, Redakteur der Kölnischen Zeitung.
Stuttgart, Heinrich Moritz, 1906. — Die neuen Neichssteuern von Dr. Hugo Linschmann.
Zweites Heft des dritten Bandes der Burschenschaftlichen Bücherei. Berlin ^V, Carl Heymann
1906. — Die deutsche Finanz-Reform der Zukunft. Dritter Teil von „Staatsstreich
oder Reformen" von einen: Ausland-Deutschen. Zürich, Zürcher <K Furrer, 1906.
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[0179] Zur Reichssteuerreform hinderter handhaben zu können. Ans diese Dinge dürfte das Verhalten der Arbeiterschaft einen großen Einfluß haben. Noch stehn erst ganz kleine Teile von ihr auf sozialdemokratischen Boden. Die große Masse wirkt mit den bürgerlichen Parteien zusammen, jedoch nicht einheitlich, sondern in beide Lager verteilt. An Bemühungen, sie einheitlich zu organisieren, hat es nicht gefehlt; man sucht sie dafür zu gewinnen, ihr Gesamtgewicht als Arbeiterpartei geltend zu macheu. Beide bürgerlichen Parteien würden dann wetteifern, ihre Gunst zu erringen. Auf dem Gebiet der auswärtigen Politik ist Präsident Noose- velts Bahn klarer zu übersehen. In den letzten Jahren neigt er ausgesprochen dem wirtschaftlichen Panamerikcmismus zu, der sich gegen den europäischen Handel wendet. Den politischen Panamerikcmismus hat er immer verschmäht, und das mit so triftigen Gründen, daß man an ihrem Ernst nicht zweifeln kaum Roosevelts Imperialismus ist etwas andres. Ihn haben wir vor allem in dem Entschluß vor uns, die Philippinen zu behaupten. Im übrigen hat Noosevelt so viele Beweise einer weisen, besonnenen Politik geliefert, daß man auch für ein neues Lustrum die kluge Fortsetzung des bisherigen Kurses von ihm erwarten darf. Seine Bemühungen, den Konflikt mit Japan aus der Welt zu schaffen, sind ein Ruhmeskranz für ihn. Vielleicht denkt er an eine ferne Zukunft, die die Karten ganz anders gemischt hält. Für diese dürfte die starke Flottenvermehrung bestimmt sein, für die er unausgesetzt eintritt. Uns Deutschen wird es um so leichter, ihm volles Vertrauen entgegenzu¬ bringen, als die ausgesprochen deutschfreundliche Rede, die der amerikanische Botschafter für Deutschland, Mr. Charlemagne Tower, am L.April im Manhattcm- klub zu Newyork gehalten hat, vorher seine Billigung gefunden haben muß. Zur Reichssteuerreform*) or langen Jahren erinnere ich mich in Raumers Geschichte der Hohenstaufen von einer Lombardenstadt gelesen zu haben, die einmal ihre Signori absetzte, weil diese den Patriotismus der Bürgerschaft durch die Ausschreibung einer zu kleinen Anlage beleidigt hatten. Bei der Verbreiterung des Stadtstaates zum Großstaate hat diese Art Patriotismus eine so starke Verdünnung erlitten, daß heute nichts mehr davon zu spüren ist. Als Bismarck das Tabakmonopol *) Die Reichsfinanzreform von 1906. Ein Rückblick auf ihre Geschichte von Hugo Linschmann, Doktor der Staatswissenschaften, Redakteur der Kölnischen Zeitung. Stuttgart, Heinrich Moritz, 1906. — Die neuen Neichssteuern von Dr. Hugo Linschmann. Zweites Heft des dritten Bandes der Burschenschaftlichen Bücherei. Berlin ^V, Carl Heymann 1906. — Die deutsche Finanz-Reform der Zukunft. Dritter Teil von „Staatsstreich oder Reformen" von einen: Ausland-Deutschen. Zürich, Zürcher <K Furrer, 1906.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/179>, abgerufen am 03.05.2024.