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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die evangelischen Deutschen im Auslande

n demselben Maße, wie sich das Deutsche Reich von einer Gro߬
macht zur Weltmacht entwickelt hat, sind auch die Aufgaben
gewachsen, die ihm aus der pflichtmäßigen Rücksichtnahme auf die
Interessen der im Auslande lebenden Deutschen erwachsen. Während
noch in den sechziger Jahren Bismarck in einem diplomatischen
Erlaß den preußischen Vertreter in einer der interessanten latino-amerikanischen
Republiken anwies, die Reklamation eines dort lebenden Deutschen gegen die
fremde Regierung amtlich nicht zu unterstützen, da jeder, der sich in solche Länder
begäbe, selbst das Risiko dafür tragen müsse, wird jetzt grundsätzlich jede begründet
erscheinende Reklamation von den diplomatischen Missionen im Auslande mit
Nachdruck vertreten und in der Mehrzahl der Fülle auch von der Rechtsabteilung
des Auswärtigen Amtes genau verfolgt.

Leider durchkreuzt unsre in internationalen Fragen so wenig geschulte und
infolge des großen Mangels guter Korrespondenten oft durch unzuverlässige
Quellen gespeiste Presse häufig die Absichten der Reichsregierung, die natürlich
nur dann das ganze Gewicht der Großmachtstellung für eine Reklamation ein¬
setzen kann, wenn Aussicht auf eine erfolgreiche Erledigung vorhanden ist. So
lange hierin kein Wandel eintritt, und die großen deutschen Blätter nicht das
Beispiel der britischen Zeitungen nachahmen und überall in der Welt zuverlässige
Korrespondenten bestellen, werden die Reklamationen immer zu den dornenvollsten
Aufgaben der deutschen Diplomaten gehören, da diese nur in den seltensten
fallen von der heimischen Presse richtig beurteilt und nur zu oft dazu benutzt
werden, einen nach bestem Wissen und Gewissen handelnden Gesandten vor der
osfentkchen Meinung in ein ungünstiges Licht zu setzen.

Der seit einigen Jahren von den verschiednen Ressorts der Reichsregierung
und der Bundesregierungen vorberatne und demnächst zu erwartende Entwurf
eines neuen Reichsangehörigkeitsgesetzes wird eine wichtige Etappe auf dem Wege
zu einem verstärkten Schutze der Auslandsdeutschen bedeuten, da diese in vielen
Punkten günstiger als bisher gestellt werden sollen. Große Schwierigkeiten
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Grenzboten III 1907 22


Die evangelischen Deutschen im Auslande

n demselben Maße, wie sich das Deutsche Reich von einer Gro߬
macht zur Weltmacht entwickelt hat, sind auch die Aufgaben
gewachsen, die ihm aus der pflichtmäßigen Rücksichtnahme auf die
Interessen der im Auslande lebenden Deutschen erwachsen. Während
noch in den sechziger Jahren Bismarck in einem diplomatischen
Erlaß den preußischen Vertreter in einer der interessanten latino-amerikanischen
Republiken anwies, die Reklamation eines dort lebenden Deutschen gegen die
fremde Regierung amtlich nicht zu unterstützen, da jeder, der sich in solche Länder
begäbe, selbst das Risiko dafür tragen müsse, wird jetzt grundsätzlich jede begründet
erscheinende Reklamation von den diplomatischen Missionen im Auslande mit
Nachdruck vertreten und in der Mehrzahl der Fülle auch von der Rechtsabteilung
des Auswärtigen Amtes genau verfolgt.

Leider durchkreuzt unsre in internationalen Fragen so wenig geschulte und
infolge des großen Mangels guter Korrespondenten oft durch unzuverlässige
Quellen gespeiste Presse häufig die Absichten der Reichsregierung, die natürlich
nur dann das ganze Gewicht der Großmachtstellung für eine Reklamation ein¬
setzen kann, wenn Aussicht auf eine erfolgreiche Erledigung vorhanden ist. So
lange hierin kein Wandel eintritt, und die großen deutschen Blätter nicht das
Beispiel der britischen Zeitungen nachahmen und überall in der Welt zuverlässige
Korrespondenten bestellen, werden die Reklamationen immer zu den dornenvollsten
Aufgaben der deutschen Diplomaten gehören, da diese nur in den seltensten
fallen von der heimischen Presse richtig beurteilt und nur zu oft dazu benutzt
werden, einen nach bestem Wissen und Gewissen handelnden Gesandten vor der
osfentkchen Meinung in ein ungünstiges Licht zu setzen.

Der seit einigen Jahren von den verschiednen Ressorts der Reichsregierung
und der Bundesregierungen vorberatne und demnächst zu erwartende Entwurf
eines neuen Reichsangehörigkeitsgesetzes wird eine wichtige Etappe auf dem Wege
zu einem verstärkten Schutze der Auslandsdeutschen bedeuten, da diese in vielen
Punkten günstiger als bisher gestellt werden sollen. Große Schwierigkeiten
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Grenzboten III 1907 22
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[0169] [Abbildung] Die evangelischen Deutschen im Auslande n demselben Maße, wie sich das Deutsche Reich von einer Gro߬ macht zur Weltmacht entwickelt hat, sind auch die Aufgaben gewachsen, die ihm aus der pflichtmäßigen Rücksichtnahme auf die Interessen der im Auslande lebenden Deutschen erwachsen. Während noch in den sechziger Jahren Bismarck in einem diplomatischen Erlaß den preußischen Vertreter in einer der interessanten latino-amerikanischen Republiken anwies, die Reklamation eines dort lebenden Deutschen gegen die fremde Regierung amtlich nicht zu unterstützen, da jeder, der sich in solche Länder begäbe, selbst das Risiko dafür tragen müsse, wird jetzt grundsätzlich jede begründet erscheinende Reklamation von den diplomatischen Missionen im Auslande mit Nachdruck vertreten und in der Mehrzahl der Fülle auch von der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes genau verfolgt. Leider durchkreuzt unsre in internationalen Fragen so wenig geschulte und infolge des großen Mangels guter Korrespondenten oft durch unzuverlässige Quellen gespeiste Presse häufig die Absichten der Reichsregierung, die natürlich nur dann das ganze Gewicht der Großmachtstellung für eine Reklamation ein¬ setzen kann, wenn Aussicht auf eine erfolgreiche Erledigung vorhanden ist. So lange hierin kein Wandel eintritt, und die großen deutschen Blätter nicht das Beispiel der britischen Zeitungen nachahmen und überall in der Welt zuverlässige Korrespondenten bestellen, werden die Reklamationen immer zu den dornenvollsten Aufgaben der deutschen Diplomaten gehören, da diese nur in den seltensten fallen von der heimischen Presse richtig beurteilt und nur zu oft dazu benutzt werden, einen nach bestem Wissen und Gewissen handelnden Gesandten vor der osfentkchen Meinung in ein ungünstiges Licht zu setzen. Der seit einigen Jahren von den verschiednen Ressorts der Reichsregierung und der Bundesregierungen vorberatne und demnächst zu erwartende Entwurf eines neuen Reichsangehörigkeitsgesetzes wird eine wichtige Etappe auf dem Wege zu einem verstärkten Schutze der Auslandsdeutschen bedeuten, da diese in vielen Punkten günstiger als bisher gestellt werden sollen. Große Schwierigkeiten ' Grenzboten III 1907 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/169>, abgerufen am 28.04.2024.