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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kultur- und Universalgeschichte.

An der Leipziger Universität ist die
Bildung eines Seminars sür Kultur- und Universalgeschichte im Gange. Lamprecht,
der Schöpfer der neuen Einrichtung, ist schon seit mehreren Jahren dabei, von den
Studien und der Darstellung der deutschen Geschichte zu einer einheitlichen, psychologisch¬
historischen Erfassung der Entwicklung der Erdenvölker überzugehen. Das neue
Seminar soll zugleich dieser in ihrer gründlichen Art ersten Weltgeschichtsforschung
dienen und ihren Teildisziplinen, den Kulturgeschichten einzelner Nationen. Wir
wünschen heute hier auf einige literarische Vorposten dieser verheißungsvoller Be¬
strebungen aufmerksam zu machen. Lamprecht gibt neuerdings in zwei Serien die
besten der Arbeiten seiner Schüler heraus. Bei Perthes erscheinen "Geschichtliche
Untersuchungen" -- darin volkspsychologisches, wie die guten Studien von Arms
"Das Tiroler Volk in seinen Weistümern", Markgraf "Das moselländische Volk in
seinen Weistümern" und Brandt "Der Bauer im Herzogtum Sachsen-Altenburg" --
und eine Anzahl trefflicher Untersuchungen zur Geschichte des historisches Denkens
(zum Beispiel über Mosheim, Gervinus, Luden, Boden, Abbe). Die andre Reihe
heißt geradezu "Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte" (Voigtländer), hebt
an mit einer verständigen, großzügigen und frisch geschriebnen Arbeit über Goethe
als Geschichtsphilosoph, die das Thema viel weiter und tiefer faßt als die wohl
manchem unsrer Leser bekannten Schriften von Wegele und Lorenz, und läßt dann
unter anderm zwei Studien über die Entwicklung des ältesten japanischen Seelen¬
lebens nach seinen literarischen Ausdrucksformen und über die altchinesische Ornamentik
folgen. Alles das ist methodisch sicher gearbeitet, und solange wir Lamprechts eigne
Darstellung der Weltgeschichte noch zu erwarten haben, wird man diesen überraschend
neuen Bausteinen zu einer uns befriedigenden Vorstellung von dem, was metu
Weltgeschichte nennt, volles Interesse nicht versagen können.








Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kultur- und Universalgeschichte.

An der Leipziger Universität ist die
Bildung eines Seminars sür Kultur- und Universalgeschichte im Gange. Lamprecht,
der Schöpfer der neuen Einrichtung, ist schon seit mehreren Jahren dabei, von den
Studien und der Darstellung der deutschen Geschichte zu einer einheitlichen, psychologisch¬
historischen Erfassung der Entwicklung der Erdenvölker überzugehen. Das neue
Seminar soll zugleich dieser in ihrer gründlichen Art ersten Weltgeschichtsforschung
dienen und ihren Teildisziplinen, den Kulturgeschichten einzelner Nationen. Wir
wünschen heute hier auf einige literarische Vorposten dieser verheißungsvoller Be¬
strebungen aufmerksam zu machen. Lamprecht gibt neuerdings in zwei Serien die
besten der Arbeiten seiner Schüler heraus. Bei Perthes erscheinen „Geschichtliche
Untersuchungen" — darin volkspsychologisches, wie die guten Studien von Arms
„Das Tiroler Volk in seinen Weistümern", Markgraf „Das moselländische Volk in
seinen Weistümern" und Brandt „Der Bauer im Herzogtum Sachsen-Altenburg" —
und eine Anzahl trefflicher Untersuchungen zur Geschichte des historisches Denkens
(zum Beispiel über Mosheim, Gervinus, Luden, Boden, Abbe). Die andre Reihe
heißt geradezu „Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte" (Voigtländer), hebt
an mit einer verständigen, großzügigen und frisch geschriebnen Arbeit über Goethe
als Geschichtsphilosoph, die das Thema viel weiter und tiefer faßt als die wohl
manchem unsrer Leser bekannten Schriften von Wegele und Lorenz, und läßt dann
unter anderm zwei Studien über die Entwicklung des ältesten japanischen Seelen¬
lebens nach seinen literarischen Ausdrucksformen und über die altchinesische Ornamentik
folgen. Alles das ist methodisch sicher gearbeitet, und solange wir Lamprechts eigne
Darstellung der Weltgeschichte noch zu erwarten haben, wird man diesen überraschend
neuen Bausteinen zu einer uns befriedigenden Vorstellung von dem, was metu
Weltgeschichte nennt, volles Interesse nicht versagen können.








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[0280] Maßgebliches und Unmaßgebliches Kultur- und Universalgeschichte. An der Leipziger Universität ist die Bildung eines Seminars sür Kultur- und Universalgeschichte im Gange. Lamprecht, der Schöpfer der neuen Einrichtung, ist schon seit mehreren Jahren dabei, von den Studien und der Darstellung der deutschen Geschichte zu einer einheitlichen, psychologisch¬ historischen Erfassung der Entwicklung der Erdenvölker überzugehen. Das neue Seminar soll zugleich dieser in ihrer gründlichen Art ersten Weltgeschichtsforschung dienen und ihren Teildisziplinen, den Kulturgeschichten einzelner Nationen. Wir wünschen heute hier auf einige literarische Vorposten dieser verheißungsvoller Be¬ strebungen aufmerksam zu machen. Lamprecht gibt neuerdings in zwei Serien die besten der Arbeiten seiner Schüler heraus. Bei Perthes erscheinen „Geschichtliche Untersuchungen" — darin volkspsychologisches, wie die guten Studien von Arms „Das Tiroler Volk in seinen Weistümern", Markgraf „Das moselländische Volk in seinen Weistümern" und Brandt „Der Bauer im Herzogtum Sachsen-Altenburg" — und eine Anzahl trefflicher Untersuchungen zur Geschichte des historisches Denkens (zum Beispiel über Mosheim, Gervinus, Luden, Boden, Abbe). Die andre Reihe heißt geradezu „Beiträge zur Kultur- und Universalgeschichte" (Voigtländer), hebt an mit einer verständigen, großzügigen und frisch geschriebnen Arbeit über Goethe als Geschichtsphilosoph, die das Thema viel weiter und tiefer faßt als die wohl manchem unsrer Leser bekannten Schriften von Wegele und Lorenz, und läßt dann unter anderm zwei Studien über die Entwicklung des ältesten japanischen Seelen¬ lebens nach seinen literarischen Ausdrucksformen und über die altchinesische Ornamentik folgen. Alles das ist methodisch sicher gearbeitet, und solange wir Lamprechts eigne Darstellung der Weltgeschichte noch zu erwarten haben, wird man diesen überraschend neuen Bausteinen zu einer uns befriedigenden Vorstellung von dem, was metu Weltgeschichte nennt, volles Interesse nicht versagen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/280>, abgerufen am 28.04.2024.