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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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"Line neue Blücher-Biographie

Jahrhunderts verflossen war. Erst mit der Verwendung der Dampfkraft und der
Elektrizität beginnt die neue Zeit. Die erste deutsche Eisenbahn mit Dampfbetrieb
wurde 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet, die zweite 1838 zwischen
Berlin und Potsdam, aber noch in den fünfziger Jahren mußte man sich zum
Teil der Post bedienen, um von Frankfurt nach Köln zu gelangen. Erst in den
sechziger und siebziger Jahren wurde das Eisenbahnnetz planmäßig ausgebaut.
1845 fuhr der erste Schraubendampfer über den Ozean, und erst 1856 stellte
die Hamburg-Amerika-Linie zwei Dampfschiffe ein; im Jahre 1843 hat in
Deutschland die Rheinische Bahn zuerst den elektrischen Telegraphen angewandt,
und noch 1850 wurden in ganz Preußen nicht mehr als 55000 Depeschen
befördert. Wie klein erscheint uns diese Zahl heute, und doch wie wenig Zeit
ist seitdem verflossen! Jetzt erst waren Raum und Zeit überwunden, war die
Bahn frei für den wirtschaftlichen Aufschwung, aber damit war auch ein Wende¬
punkt gekommen im Leben der Menschen. Dampfschiff, Eisenbahn und Telegraph
sind gleichsam heimatlos, sagt Lamprecht sehr richtig. Darum machen sie auch
heimatlos, lösen vom Boden, geben innerhalb der Erdverhültnisse unendlichen
Horizont.

Aus dem Hausfleiße der bäuerlichen Familie war einstmals die Haus¬
industrie hervorgegangen, aus gelegentlicher Arbeit wurde stündige Arbeit, und
der Hausierer, der alte vertraute Freund des Landbewohners, vertrieb die Ware.
Als aufgeklärte Fürsten in ihren Ländern die industrielle Tätigkeit zu fördern
suchten, entwickelte sich die Manufaktur, die Lamprecht als zentralisierte Haus¬
industrie bezeichnet. Bei den ersten Ansätzen zur Gewerbefreiheit entstand die
kleine Fabrik, erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts begann das Zeitalter
der eigentlichen Fabrikbetriebs, und nun förderte die freie Unternehmung schnell
die Entstehung des Großbetriebs, aus dem die Riesenunternehmcn unsrer Zeit
entstanden sind. Die Schnelligkeit, mit der diese Entwicklung vor sich ging, mußte
zersetzend wirken, zumal da auch Handwerk und Handel dieselbe Umbildung vom
Kleinbetrieb zum Großbetrieb erfuhren.




(Line neue Blücher-Biographie

! en hervorragendsten unsrer vaterländischen Helden der Befreiungs¬
kriege sind längst würdige biographische Denkmale gesetzt worden.
Seltsamerweise fehlte ein umfassendes, allen Ansprüchen der
heutigen Forschung entsprechendes und zugleich von richtiger
! militärischer Empfindung eingegebnes Werk über Blücher, wenn
auch eine Reihe wertvoller Schriften über den Marschall Vorwärts vorhanden
war. Es wird deshalb jeder Freund des Vaterlandes und insbesondre jeder
deutsche Soldat freudig begrüßen, daß sich General von Unger der mühevollen


«Line neue Blücher-Biographie

Jahrhunderts verflossen war. Erst mit der Verwendung der Dampfkraft und der
Elektrizität beginnt die neue Zeit. Die erste deutsche Eisenbahn mit Dampfbetrieb
wurde 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet, die zweite 1838 zwischen
Berlin und Potsdam, aber noch in den fünfziger Jahren mußte man sich zum
Teil der Post bedienen, um von Frankfurt nach Köln zu gelangen. Erst in den
sechziger und siebziger Jahren wurde das Eisenbahnnetz planmäßig ausgebaut.
1845 fuhr der erste Schraubendampfer über den Ozean, und erst 1856 stellte
die Hamburg-Amerika-Linie zwei Dampfschiffe ein; im Jahre 1843 hat in
Deutschland die Rheinische Bahn zuerst den elektrischen Telegraphen angewandt,
und noch 1850 wurden in ganz Preußen nicht mehr als 55000 Depeschen
befördert. Wie klein erscheint uns diese Zahl heute, und doch wie wenig Zeit
ist seitdem verflossen! Jetzt erst waren Raum und Zeit überwunden, war die
Bahn frei für den wirtschaftlichen Aufschwung, aber damit war auch ein Wende¬
punkt gekommen im Leben der Menschen. Dampfschiff, Eisenbahn und Telegraph
sind gleichsam heimatlos, sagt Lamprecht sehr richtig. Darum machen sie auch
heimatlos, lösen vom Boden, geben innerhalb der Erdverhültnisse unendlichen
Horizont.

Aus dem Hausfleiße der bäuerlichen Familie war einstmals die Haus¬
industrie hervorgegangen, aus gelegentlicher Arbeit wurde stündige Arbeit, und
der Hausierer, der alte vertraute Freund des Landbewohners, vertrieb die Ware.
Als aufgeklärte Fürsten in ihren Ländern die industrielle Tätigkeit zu fördern
suchten, entwickelte sich die Manufaktur, die Lamprecht als zentralisierte Haus¬
industrie bezeichnet. Bei den ersten Ansätzen zur Gewerbefreiheit entstand die
kleine Fabrik, erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts begann das Zeitalter
der eigentlichen Fabrikbetriebs, und nun förderte die freie Unternehmung schnell
die Entstehung des Großbetriebs, aus dem die Riesenunternehmcn unsrer Zeit
entstanden sind. Die Schnelligkeit, mit der diese Entwicklung vor sich ging, mußte
zersetzend wirken, zumal da auch Handwerk und Handel dieselbe Umbildung vom
Kleinbetrieb zum Großbetrieb erfuhren.




(Line neue Blücher-Biographie

! en hervorragendsten unsrer vaterländischen Helden der Befreiungs¬
kriege sind längst würdige biographische Denkmale gesetzt worden.
Seltsamerweise fehlte ein umfassendes, allen Ansprüchen der
heutigen Forschung entsprechendes und zugleich von richtiger
! militärischer Empfindung eingegebnes Werk über Blücher, wenn
auch eine Reihe wertvoller Schriften über den Marschall Vorwärts vorhanden
war. Es wird deshalb jeder Freund des Vaterlandes und insbesondre jeder
deutsche Soldat freudig begrüßen, daß sich General von Unger der mühevollen


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[0347] «Line neue Blücher-Biographie Jahrhunderts verflossen war. Erst mit der Verwendung der Dampfkraft und der Elektrizität beginnt die neue Zeit. Die erste deutsche Eisenbahn mit Dampfbetrieb wurde 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet, die zweite 1838 zwischen Berlin und Potsdam, aber noch in den fünfziger Jahren mußte man sich zum Teil der Post bedienen, um von Frankfurt nach Köln zu gelangen. Erst in den sechziger und siebziger Jahren wurde das Eisenbahnnetz planmäßig ausgebaut. 1845 fuhr der erste Schraubendampfer über den Ozean, und erst 1856 stellte die Hamburg-Amerika-Linie zwei Dampfschiffe ein; im Jahre 1843 hat in Deutschland die Rheinische Bahn zuerst den elektrischen Telegraphen angewandt, und noch 1850 wurden in ganz Preußen nicht mehr als 55000 Depeschen befördert. Wie klein erscheint uns diese Zahl heute, und doch wie wenig Zeit ist seitdem verflossen! Jetzt erst waren Raum und Zeit überwunden, war die Bahn frei für den wirtschaftlichen Aufschwung, aber damit war auch ein Wende¬ punkt gekommen im Leben der Menschen. Dampfschiff, Eisenbahn und Telegraph sind gleichsam heimatlos, sagt Lamprecht sehr richtig. Darum machen sie auch heimatlos, lösen vom Boden, geben innerhalb der Erdverhültnisse unendlichen Horizont. Aus dem Hausfleiße der bäuerlichen Familie war einstmals die Haus¬ industrie hervorgegangen, aus gelegentlicher Arbeit wurde stündige Arbeit, und der Hausierer, der alte vertraute Freund des Landbewohners, vertrieb die Ware. Als aufgeklärte Fürsten in ihren Ländern die industrielle Tätigkeit zu fördern suchten, entwickelte sich die Manufaktur, die Lamprecht als zentralisierte Haus¬ industrie bezeichnet. Bei den ersten Ansätzen zur Gewerbefreiheit entstand die kleine Fabrik, erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts begann das Zeitalter der eigentlichen Fabrikbetriebs, und nun förderte die freie Unternehmung schnell die Entstehung des Großbetriebs, aus dem die Riesenunternehmcn unsrer Zeit entstanden sind. Die Schnelligkeit, mit der diese Entwicklung vor sich ging, mußte zersetzend wirken, zumal da auch Handwerk und Handel dieselbe Umbildung vom Kleinbetrieb zum Großbetrieb erfuhren. (Line neue Blücher-Biographie ! en hervorragendsten unsrer vaterländischen Helden der Befreiungs¬ kriege sind längst würdige biographische Denkmale gesetzt worden. Seltsamerweise fehlte ein umfassendes, allen Ansprüchen der heutigen Forschung entsprechendes und zugleich von richtiger ! militärischer Empfindung eingegebnes Werk über Blücher, wenn auch eine Reihe wertvoller Schriften über den Marschall Vorwärts vorhanden war. Es wird deshalb jeder Freund des Vaterlandes und insbesondre jeder deutsche Soldat freudig begrüßen, daß sich General von Unger der mühevollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/347>, abgerufen am 29.04.2024.