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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Volksbildung und Heimatkunde

ne Gesellschaft für Verbreitung der Volksbildung will in diesem
Jahre ihre Hauptversammlung vom 28. bis 30. September in
Hannover abhalten und als einzigen Gegenstand die Beziehungen
der Volksbildung zur Heimatkunde behandeln. Es sind Einzel-
I vortrüge über die Heimatliteratur und die Volksbibliotheken, über
niedersächsische Heimatliteratur, über heimatliche Stoffe für die Volksunter¬
haltungsabende, über rheinisches Leben auf rheinischen Volksunterhaltungsabenden
sowie über die Pflege der Heimatgeschichte durch die Volksbildungsvereine in
Aussicht genommen worden, und außerdem soll über die Naturschönheiten der
Heimat, über Tiere und Pflanzen in der Heimat, über den heimatlichen Boden
und über Naturbeobachtungen und Naturstudien in der Heimat, kurz über die
Naturdenkmalpslege in deu Volksbilduugsvereinen gesprochen werden.

Die Tagesordnung ist also sehr reichhaltig und erschöpft alles, was über
die Beziehungen der Volksbildung zur Heimatkunde gesagt werden kann. Man
darf sich deshalb freuen, daß die Gesellschaft, deren Leiter der Prinz Heinrich
Schönaich-Carolath ist, die mit einem Haushalt von 214050 Mark rechnet und
unter anderm allein für Bibliothekbegründungen im letzten Jahre 13000 Mark,
für öffentliche Vorträge 18000 Mark, für die Zeitschrift Volksbildung 14150 Mark,
für Beschaffung von Lichtbildern 3000 Mark und für örtliche Bildungszwecke
22000 Mark ausgegeben hat, die Frage der Heimatkunde gründlich erörtern
will. Wenn man unter Volksbildung die Erwerbung und Verbreitung von
Kenntnissen allgemein wissenschaftlicher Art versteht, die den Schichten des
Volkes zugeführt werden sollen, die in der Schule nur das notwendigste Wissen
gelernt und im täglichen Berufsleben keine Zeit, Gelegenheit und Mittel zur
eignen Weiterbildung haben, so liegt es nahe, daß diese an die Heimat an¬
knüpft, die in bezug auf Natur, Kunst und Geschichte das bietet, was für
diese Kreise des Volkes wissenswert ist, was am meisten fesselt und begeistert,
am leichtesten zu erreichen und am schnellsten zu sehen ist. Die Schule lehrt
jetzt zwar auch Heimatkunde, aber wegen der vielen andern Fächer kann diese
doch nur nebenher betrieben werden, und den Kindern fehlt mehr oder weniger
das richtige Verständnis dafür; es werden immer nur einzelne sein, die sich
von diesem Stoffe angezogen fühlen und auch außerhalb der Schule damit
befassen. Die Mehrzahl der Kinder kann sich bei der Heimatkunde nichts andres
denken wie bei den sonstigen Fächern, und es ist ja im letzten Grunde ihr




Volksbildung und Heimatkunde

ne Gesellschaft für Verbreitung der Volksbildung will in diesem
Jahre ihre Hauptversammlung vom 28. bis 30. September in
Hannover abhalten und als einzigen Gegenstand die Beziehungen
der Volksbildung zur Heimatkunde behandeln. Es sind Einzel-
I vortrüge über die Heimatliteratur und die Volksbibliotheken, über
niedersächsische Heimatliteratur, über heimatliche Stoffe für die Volksunter¬
haltungsabende, über rheinisches Leben auf rheinischen Volksunterhaltungsabenden
sowie über die Pflege der Heimatgeschichte durch die Volksbildungsvereine in
Aussicht genommen worden, und außerdem soll über die Naturschönheiten der
Heimat, über Tiere und Pflanzen in der Heimat, über den heimatlichen Boden
und über Naturbeobachtungen und Naturstudien in der Heimat, kurz über die
Naturdenkmalpslege in deu Volksbilduugsvereinen gesprochen werden.

Die Tagesordnung ist also sehr reichhaltig und erschöpft alles, was über
die Beziehungen der Volksbildung zur Heimatkunde gesagt werden kann. Man
darf sich deshalb freuen, daß die Gesellschaft, deren Leiter der Prinz Heinrich
Schönaich-Carolath ist, die mit einem Haushalt von 214050 Mark rechnet und
unter anderm allein für Bibliothekbegründungen im letzten Jahre 13000 Mark,
für öffentliche Vorträge 18000 Mark, für die Zeitschrift Volksbildung 14150 Mark,
für Beschaffung von Lichtbildern 3000 Mark und für örtliche Bildungszwecke
22000 Mark ausgegeben hat, die Frage der Heimatkunde gründlich erörtern
will. Wenn man unter Volksbildung die Erwerbung und Verbreitung von
Kenntnissen allgemein wissenschaftlicher Art versteht, die den Schichten des
Volkes zugeführt werden sollen, die in der Schule nur das notwendigste Wissen
gelernt und im täglichen Berufsleben keine Zeit, Gelegenheit und Mittel zur
eignen Weiterbildung haben, so liegt es nahe, daß diese an die Heimat an¬
knüpft, die in bezug auf Natur, Kunst und Geschichte das bietet, was für
diese Kreise des Volkes wissenswert ist, was am meisten fesselt und begeistert,
am leichtesten zu erreichen und am schnellsten zu sehen ist. Die Schule lehrt
jetzt zwar auch Heimatkunde, aber wegen der vielen andern Fächer kann diese
doch nur nebenher betrieben werden, und den Kindern fehlt mehr oder weniger
das richtige Verständnis dafür; es werden immer nur einzelne sein, die sich
von diesem Stoffe angezogen fühlen und auch außerhalb der Schule damit
befassen. Die Mehrzahl der Kinder kann sich bei der Heimatkunde nichts andres
denken wie bei den sonstigen Fächern, und es ist ja im letzten Grunde ihr


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[0629] [Abbildung] Volksbildung und Heimatkunde ne Gesellschaft für Verbreitung der Volksbildung will in diesem Jahre ihre Hauptversammlung vom 28. bis 30. September in Hannover abhalten und als einzigen Gegenstand die Beziehungen der Volksbildung zur Heimatkunde behandeln. Es sind Einzel- I vortrüge über die Heimatliteratur und die Volksbibliotheken, über niedersächsische Heimatliteratur, über heimatliche Stoffe für die Volksunter¬ haltungsabende, über rheinisches Leben auf rheinischen Volksunterhaltungsabenden sowie über die Pflege der Heimatgeschichte durch die Volksbildungsvereine in Aussicht genommen worden, und außerdem soll über die Naturschönheiten der Heimat, über Tiere und Pflanzen in der Heimat, über den heimatlichen Boden und über Naturbeobachtungen und Naturstudien in der Heimat, kurz über die Naturdenkmalpslege in deu Volksbilduugsvereinen gesprochen werden. Die Tagesordnung ist also sehr reichhaltig und erschöpft alles, was über die Beziehungen der Volksbildung zur Heimatkunde gesagt werden kann. Man darf sich deshalb freuen, daß die Gesellschaft, deren Leiter der Prinz Heinrich Schönaich-Carolath ist, die mit einem Haushalt von 214050 Mark rechnet und unter anderm allein für Bibliothekbegründungen im letzten Jahre 13000 Mark, für öffentliche Vorträge 18000 Mark, für die Zeitschrift Volksbildung 14150 Mark, für Beschaffung von Lichtbildern 3000 Mark und für örtliche Bildungszwecke 22000 Mark ausgegeben hat, die Frage der Heimatkunde gründlich erörtern will. Wenn man unter Volksbildung die Erwerbung und Verbreitung von Kenntnissen allgemein wissenschaftlicher Art versteht, die den Schichten des Volkes zugeführt werden sollen, die in der Schule nur das notwendigste Wissen gelernt und im täglichen Berufsleben keine Zeit, Gelegenheit und Mittel zur eignen Weiterbildung haben, so liegt es nahe, daß diese an die Heimat an¬ knüpft, die in bezug auf Natur, Kunst und Geschichte das bietet, was für diese Kreise des Volkes wissenswert ist, was am meisten fesselt und begeistert, am leichtesten zu erreichen und am schnellsten zu sehen ist. Die Schule lehrt jetzt zwar auch Heimatkunde, aber wegen der vielen andern Fächer kann diese doch nur nebenher betrieben werden, und den Kindern fehlt mehr oder weniger das richtige Verständnis dafür; es werden immer nur einzelne sein, die sich von diesem Stoffe angezogen fühlen und auch außerhalb der Schule damit befassen. Die Mehrzahl der Kinder kann sich bei der Heimatkunde nichts andres denken wie bei den sonstigen Fächern, und es ist ja im letzten Grunde ihr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/629>, abgerufen am 28.04.2024.