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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Russische Briefe
George Lleinow von
^0. Adel, Beamtentum und Grundbesitz

LTM'
^"""K^S^ilexandcr der Dritte sah seine wichtigste Aufgabe in der Wieder¬
herstellung der angeblich durch die Reformen seines Vorgängers
erschütterten Staatsgewalt. Den Weg zur Erfüllung dieser Auf¬
gabe erkannte er aber nicht in der Verbreitung von Bildung und
!dem Ausbau der Rechtsprechung bei gleichzeitiger Besserung der
Verwaltung, sondern einzig in der Unterwerfung aller Regungen des Volks¬
lebens unter seinen absoluten Willen. Seine Werkzeuge sollten die Kirche und
der Adel sein. Ans dieser neuerlichen Berufung des Adelsstandes zur Ver¬
waltung des Landes und zur Regierung über die andern Stände läßt sich er¬
kennen, wie wenig Alexander wußte, wer eigentlich der russische Adel ist.

Nach dem Gesetz von den Ständen gibt es zwei Arten von Adel: persön¬
lichen und erblichen. Uns interessiert ausschließlich der erbliche Adel, da dieser
mit den politischen Sonderrechten ausgerüstet ist, die für die fernere Ent¬
wicklung der russischen Verfassung so schwer ins Gewicht fallen. Sein Wesen
wurde in den voraufgegcmgnen Briefen im Lichte der Geschichte geschildert.
Der erbliche Adel wird in sechs Klassen eingeteilt, nämlich: 1. verliehener oder
wirklicher Adel,*) 2. militärischer Adel, 3. Dienst-**) und Ordensadel.***)





*) Band IX der Gesetzsammlung, Ausgabe 1899/1902, Artikel 19 lautet: "Der erbliche
Adel wird durch Verleihung erworben, wenn irgend eine Person in den Adel mit Vercrbungs-
recht infolge besondern Ermessens der selbstherrlichen Gewalt erhoben wird."
**) Ebenda Artikel 20 bis 34. Den erblichen Adel haben sich erdient Offiziere, sobald sie den
Oberstenrang, Zivilbeamte, sobald sie die vierte Rangklasse (Wirklicher Staatsrat) erhalten und
nicht gleichzeitig verabschiedet werden. Für die Kosaken und die asiatischen Fremdvölker bestehn
noch Sondervorschriften, die für uns, unerheblich sind. Aus dem polnischen Adel sind nur be¬
stimmte in Artikel 31 aufgezählte Kategorien anerkannt.
***) Ebenda Artikel 35. Das Recht des erblichen Adels geben die erste Klasse aller russischen
Orden, alle Klassen des Se. Georgs- und die drei ersten Klassen der Se. Wladimirordens.
Grenzboten IV 1907 - ig


Russische Briefe
George Lleinow von
^0. Adel, Beamtentum und Grundbesitz

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^«»»K^S^ilexandcr der Dritte sah seine wichtigste Aufgabe in der Wieder¬
herstellung der angeblich durch die Reformen seines Vorgängers
erschütterten Staatsgewalt. Den Weg zur Erfüllung dieser Auf¬
gabe erkannte er aber nicht in der Verbreitung von Bildung und
!dem Ausbau der Rechtsprechung bei gleichzeitiger Besserung der
Verwaltung, sondern einzig in der Unterwerfung aller Regungen des Volks¬
lebens unter seinen absoluten Willen. Seine Werkzeuge sollten die Kirche und
der Adel sein. Ans dieser neuerlichen Berufung des Adelsstandes zur Ver¬
waltung des Landes und zur Regierung über die andern Stände läßt sich er¬
kennen, wie wenig Alexander wußte, wer eigentlich der russische Adel ist.

Nach dem Gesetz von den Ständen gibt es zwei Arten von Adel: persön¬
lichen und erblichen. Uns interessiert ausschließlich der erbliche Adel, da dieser
mit den politischen Sonderrechten ausgerüstet ist, die für die fernere Ent¬
wicklung der russischen Verfassung so schwer ins Gewicht fallen. Sein Wesen
wurde in den voraufgegcmgnen Briefen im Lichte der Geschichte geschildert.
Der erbliche Adel wird in sechs Klassen eingeteilt, nämlich: 1. verliehener oder
wirklicher Adel,*) 2. militärischer Adel, 3. Dienst-**) und Ordensadel.***)





*) Band IX der Gesetzsammlung, Ausgabe 1899/1902, Artikel 19 lautet: „Der erbliche
Adel wird durch Verleihung erworben, wenn irgend eine Person in den Adel mit Vercrbungs-
recht infolge besondern Ermessens der selbstherrlichen Gewalt erhoben wird."
**) Ebenda Artikel 20 bis 34. Den erblichen Adel haben sich erdient Offiziere, sobald sie den
Oberstenrang, Zivilbeamte, sobald sie die vierte Rangklasse (Wirklicher Staatsrat) erhalten und
nicht gleichzeitig verabschiedet werden. Für die Kosaken und die asiatischen Fremdvölker bestehn
noch Sondervorschriften, die für uns, unerheblich sind. Aus dem polnischen Adel sind nur be¬
stimmte in Artikel 31 aufgezählte Kategorien anerkannt.
***) Ebenda Artikel 35. Das Recht des erblichen Adels geben die erste Klasse aller russischen
Orden, alle Klassen des Se. Georgs- und die drei ersten Klassen der Se. Wladimirordens.
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[0121] [Abbildung] Russische Briefe George Lleinow von ^0. Adel, Beamtentum und Grundbesitz LTM' ^«»»K^S^ilexandcr der Dritte sah seine wichtigste Aufgabe in der Wieder¬ herstellung der angeblich durch die Reformen seines Vorgängers erschütterten Staatsgewalt. Den Weg zur Erfüllung dieser Auf¬ gabe erkannte er aber nicht in der Verbreitung von Bildung und !dem Ausbau der Rechtsprechung bei gleichzeitiger Besserung der Verwaltung, sondern einzig in der Unterwerfung aller Regungen des Volks¬ lebens unter seinen absoluten Willen. Seine Werkzeuge sollten die Kirche und der Adel sein. Ans dieser neuerlichen Berufung des Adelsstandes zur Ver¬ waltung des Landes und zur Regierung über die andern Stände läßt sich er¬ kennen, wie wenig Alexander wußte, wer eigentlich der russische Adel ist. Nach dem Gesetz von den Ständen gibt es zwei Arten von Adel: persön¬ lichen und erblichen. Uns interessiert ausschließlich der erbliche Adel, da dieser mit den politischen Sonderrechten ausgerüstet ist, die für die fernere Ent¬ wicklung der russischen Verfassung so schwer ins Gewicht fallen. Sein Wesen wurde in den voraufgegcmgnen Briefen im Lichte der Geschichte geschildert. Der erbliche Adel wird in sechs Klassen eingeteilt, nämlich: 1. verliehener oder wirklicher Adel,*) 2. militärischer Adel, 3. Dienst-**) und Ordensadel.***) *) Band IX der Gesetzsammlung, Ausgabe 1899/1902, Artikel 19 lautet: „Der erbliche Adel wird durch Verleihung erworben, wenn irgend eine Person in den Adel mit Vercrbungs- recht infolge besondern Ermessens der selbstherrlichen Gewalt erhoben wird." **) Ebenda Artikel 20 bis 34. Den erblichen Adel haben sich erdient Offiziere, sobald sie den Oberstenrang, Zivilbeamte, sobald sie die vierte Rangklasse (Wirklicher Staatsrat) erhalten und nicht gleichzeitig verabschiedet werden. Für die Kosaken und die asiatischen Fremdvölker bestehn noch Sondervorschriften, die für uns, unerheblich sind. Aus dem polnischen Adel sind nur be¬ stimmte in Artikel 31 aufgezählte Kategorien anerkannt. ***) Ebenda Artikel 35. Das Recht des erblichen Adels geben die erste Klasse aller russischen Orden, alle Klassen des Se. Georgs- und die drei ersten Klassen der Se. Wladimirordens. Grenzboten IV 1907 - ig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/121>, abgerufen am 26.05.2024.