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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Russische Briefe

4. ausländische Geschlechter, 5. Tituläradel und 6. Uradel. Es ist bezeichnend,
daß der verliehene Adel zuerst, der Uradel aber zuletzt aufgeführt wird.

Aus den Bestimmungen geht hervor, daß alle Militärs vom Obersten
aufwärts und alle Beamten der ersten bis vierten Rangklasse*) erbliche Edel¬
leute sein müssen, aber daß auch eine Anzahl von Professoren -- alle ordent¬
lichen --, Ärzten, Kaufleuten und Industriellen als Mitglieder gewisser Wohltätig-
keitsanstalten und Inhaber hoher Orden erbliche Edelleute werden können.
Denn sobald eine Person einen Tschin bekommt, gilt sie als im kaiserlichen
Dienst stehend und wird demgemäß bei irgend einem Departement, zum Bei¬
spiel bei den Wohltätigkeitsinstituten der Kaiserin Maria Feodorowna oder des
Prinzen von Oldenburg oder auch im Finanzministerium oder bei der Gestüt¬
verwaltung in den Listen geführt. Das Bild, das uns die ä>orjg.nstv0 unter
solchen Bedingungen für ihre Ergänzung in wirtschaftlicher und sozialer Be¬
ziehung gewährt, ist dementsprechend recht bunt. Es ist mir leider nicht
möglich gewesen, mir genaue Daten darüber zu verschaffen, wie sich zum
Beispiel die verschiednen Größen des Grundbesitzes auf den Adel verteilen,
wenngleich solche Daten zweifellos zu finden sein müssen. Dagegen habe ich
amtliche Mitteilungen über die Besitzverhältnisse der Beamten der zweiten und
der dritten Rangklasse zum 1. März 1905 zusammenstellen können. Daraus
geht hervor, daß von den 691 in Betracht kommenden Personen 394 keinen
Besitz an Land oder sonstigen Immobilien haben. Drei besitzen drei und mehr
Häuser, darunter einer vierzehn Häuser mit offnen Läden, 62 bis zwei Häuser,
14 haben Fabriken, 4 sind Besitzer von Weingärten. Der Landbesitz verteilt
sich auf die zweite und die dritte Rangklasse wie folgt:

10bis40 Hektar besitzt1Beamter6000 bis10000 Hektar besitzen 17 Beamte
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über S00000 Hektar besitzen 2 Beamte, nämlich 843788 der eine und 10674S0 Hektar der andre.

Angesichts dieser Zahlen ist es wohl verständlich, daß eine Solidarität
ständischer Interessen innerhalb des Adels ausgeschlossen ist. Was kann zum
Beispiel Fürst Ssergej Michailowitsch Golitzin, Stallmeister des Kaiserlichen
Hofes, der in acht verschiednen Gouvernements über 4240000 Morgen Land



") Seit den: Fürsten Gortschakow (1881) gibt es keine Person mehr in der ersten Rang¬
klasse. Am 1. März 190S befanden sich in der zweiten Rangklasse 107 Personen, in der dritten
S84 und in der vierten 3S06. Am 1. März 1904, also vor Ausbruch der Revolution waren
die Zahlen: 102. SS8 und 3177, am 1. Oktober 1900- 102, S17 und 2720, am 1. Ok¬
tober 1894: 81, 491 und 2418. So wird gegenwärtig, zur Zeit Nikolaus des Zweiten die
Möglichkeit, sich den erblichen Adel zu verdienen, 1088 Personen mehr gegeben als im
Jahre 1894.
Russische Briefe

4. ausländische Geschlechter, 5. Tituläradel und 6. Uradel. Es ist bezeichnend,
daß der verliehene Adel zuerst, der Uradel aber zuletzt aufgeführt wird.

Aus den Bestimmungen geht hervor, daß alle Militärs vom Obersten
aufwärts und alle Beamten der ersten bis vierten Rangklasse*) erbliche Edel¬
leute sein müssen, aber daß auch eine Anzahl von Professoren — alle ordent¬
lichen —, Ärzten, Kaufleuten und Industriellen als Mitglieder gewisser Wohltätig-
keitsanstalten und Inhaber hoher Orden erbliche Edelleute werden können.
Denn sobald eine Person einen Tschin bekommt, gilt sie als im kaiserlichen
Dienst stehend und wird demgemäß bei irgend einem Departement, zum Bei¬
spiel bei den Wohltätigkeitsinstituten der Kaiserin Maria Feodorowna oder des
Prinzen von Oldenburg oder auch im Finanzministerium oder bei der Gestüt¬
verwaltung in den Listen geführt. Das Bild, das uns die ä>orjg.nstv0 unter
solchen Bedingungen für ihre Ergänzung in wirtschaftlicher und sozialer Be¬
ziehung gewährt, ist dementsprechend recht bunt. Es ist mir leider nicht
möglich gewesen, mir genaue Daten darüber zu verschaffen, wie sich zum
Beispiel die verschiednen Größen des Grundbesitzes auf den Adel verteilen,
wenngleich solche Daten zweifellos zu finden sein müssen. Dagegen habe ich
amtliche Mitteilungen über die Besitzverhältnisse der Beamten der zweiten und
der dritten Rangklasse zum 1. März 1905 zusammenstellen können. Daraus
geht hervor, daß von den 691 in Betracht kommenden Personen 394 keinen
Besitz an Land oder sonstigen Immobilien haben. Drei besitzen drei und mehr
Häuser, darunter einer vierzehn Häuser mit offnen Läden, 62 bis zwei Häuser,
14 haben Fabriken, 4 sind Besitzer von Weingärten. Der Landbesitz verteilt
sich auf die zweite und die dritte Rangklasse wie folgt:

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über S00000 Hektar besitzen 2 Beamte, nämlich 843788 der eine und 10674S0 Hektar der andre.

Angesichts dieser Zahlen ist es wohl verständlich, daß eine Solidarität
ständischer Interessen innerhalb des Adels ausgeschlossen ist. Was kann zum
Beispiel Fürst Ssergej Michailowitsch Golitzin, Stallmeister des Kaiserlichen
Hofes, der in acht verschiednen Gouvernements über 4240000 Morgen Land



») Seit den: Fürsten Gortschakow (1881) gibt es keine Person mehr in der ersten Rang¬
klasse. Am 1. März 190S befanden sich in der zweiten Rangklasse 107 Personen, in der dritten
S84 und in der vierten 3S06. Am 1. März 1904, also vor Ausbruch der Revolution waren
die Zahlen: 102. SS8 und 3177, am 1. Oktober 1900- 102, S17 und 2720, am 1. Ok¬
tober 1894: 81, 491 und 2418. So wird gegenwärtig, zur Zeit Nikolaus des Zweiten die
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[0122] Russische Briefe 4. ausländische Geschlechter, 5. Tituläradel und 6. Uradel. Es ist bezeichnend, daß der verliehene Adel zuerst, der Uradel aber zuletzt aufgeführt wird. Aus den Bestimmungen geht hervor, daß alle Militärs vom Obersten aufwärts und alle Beamten der ersten bis vierten Rangklasse*) erbliche Edel¬ leute sein müssen, aber daß auch eine Anzahl von Professoren — alle ordent¬ lichen —, Ärzten, Kaufleuten und Industriellen als Mitglieder gewisser Wohltätig- keitsanstalten und Inhaber hoher Orden erbliche Edelleute werden können. Denn sobald eine Person einen Tschin bekommt, gilt sie als im kaiserlichen Dienst stehend und wird demgemäß bei irgend einem Departement, zum Bei¬ spiel bei den Wohltätigkeitsinstituten der Kaiserin Maria Feodorowna oder des Prinzen von Oldenburg oder auch im Finanzministerium oder bei der Gestüt¬ verwaltung in den Listen geführt. Das Bild, das uns die ä>orjg.nstv0 unter solchen Bedingungen für ihre Ergänzung in wirtschaftlicher und sozialer Be¬ ziehung gewährt, ist dementsprechend recht bunt. Es ist mir leider nicht möglich gewesen, mir genaue Daten darüber zu verschaffen, wie sich zum Beispiel die verschiednen Größen des Grundbesitzes auf den Adel verteilen, wenngleich solche Daten zweifellos zu finden sein müssen. Dagegen habe ich amtliche Mitteilungen über die Besitzverhältnisse der Beamten der zweiten und der dritten Rangklasse zum 1. März 1905 zusammenstellen können. Daraus geht hervor, daß von den 691 in Betracht kommenden Personen 394 keinen Besitz an Land oder sonstigen Immobilien haben. Drei besitzen drei und mehr Häuser, darunter einer vierzehn Häuser mit offnen Läden, 62 bis zwei Häuser, 14 haben Fabriken, 4 sind Besitzer von Weingärten. Der Landbesitz verteilt sich auf die zweite und die dritte Rangklasse wie folgt: 10bis40 Hektar besitzt1Beamter6000 bis10000 Hektar besitzen 17 Beamte 40100besitzen7Beamte10000 „Is 000 „7» ' „ 10030021Is000 „30000 „„ !6 „ 30010006330000 „60000 „,, 6 „ 1000300061, 60000 „100000 „„ 4 ., 3000600032100000 „S00000 „3 „ über S00000 Hektar besitzen 2 Beamte, nämlich 843788 der eine und 10674S0 Hektar der andre. Angesichts dieser Zahlen ist es wohl verständlich, daß eine Solidarität ständischer Interessen innerhalb des Adels ausgeschlossen ist. Was kann zum Beispiel Fürst Ssergej Michailowitsch Golitzin, Stallmeister des Kaiserlichen Hofes, der in acht verschiednen Gouvernements über 4240000 Morgen Land ») Seit den: Fürsten Gortschakow (1881) gibt es keine Person mehr in der ersten Rang¬ klasse. Am 1. März 190S befanden sich in der zweiten Rangklasse 107 Personen, in der dritten S84 und in der vierten 3S06. Am 1. März 1904, also vor Ausbruch der Revolution waren die Zahlen: 102. SS8 und 3177, am 1. Oktober 1900- 102, S17 und 2720, am 1. Ok¬ tober 1894: 81, 491 und 2418. So wird gegenwärtig, zur Zeit Nikolaus des Zweiten die Möglichkeit, sich den erblichen Adel zu verdienen, 1088 Personen mehr gegeben als im Jahre 1894.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/122>, abgerufen am 17.06.2024.