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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Die kleine graue Katze

zu lassen. In Erwartung eines großartigen Aufschwungs in Handel und Verkehr
infolge dieser Konzession entstand ein boon, in persischen Unternehmungen, nicht
unähnlich dem gegenwärtigen für sibirische Minen, die aber alle an den elenden
Zuständen, dem Übelwollen der Regierung und der Beamten sowie an den
hohen Transportkosten scheiterten.

Mehrere große Unternehmungen englischen und belgischen Kapitals, wie die
?6rsian NininZ Korporation, das Tabakmonopol, eine große Zuckerfabrik bei
Teheran, die Beleuchtung der Hauptstadt mit Gas, eine große Glasfabrik, eine
ausgedehnte Musterfarm bei Teheran gingen entweder wieder ein oder arbeiten
mit Verlust. Von der Gasversorgung heißt es, daß die Kohlen zu teuer seien,
80 bis 100 Mark pro Tonne, trotzdem sich nur zehn deutsche Meilen davon
entfernt Kohlenbergwerke befinden; von der Musterfarm, daß die Ertrüge vom
Felde gestohlen werden, und daß die Muhcmnnedaner die Butter und andre
Erzeugnisse von Ungläubigen nicht anrühren. Die Folge solcher Fehlschläge
war ein Zurückweichen des Kapitals, nachdem sich gezeigt hatte, daß es vor
den Ausdeutungen durch persische Beamte nicht geschützt werden konnte. Ein¬
fluß hatte in Teheran eben nur Rußland. Das einzig bleibende und einen
wirklichen Erfolg darstellende, was England bis zum russisch-japanischen Kriege
erreichen konnte, war die 1902 erlangte Konzession zu einer neuen Telegraphen¬
linie über Jesd, Kerman und Bcimpur nach Veludschistan und zur Nieder¬
lassung der englischen Telegraphengesellschaft auf der Insel Cherdschama im
Persischen Golf.

Trotz aller Hindernisse hat sich der Handel in den letzten Jahren, insbe¬
sondre der über den Karunfluß, wesentlich gehoben. Ein wirklich bedeutender
Aufschwung ist aber erst mit dem Bau von Eisenbahnen zu erwarten. Es wird
berechnet, daß sich die Kosten für den Gütertransport von den Hafenplätzen
nach dem Innern um das acht- bis zehnfache niedriger stellen, daß die Reise¬
dauer von Bushire nach Jsfahan von dreißig Tagen auf einen Tag herab¬
sinken würde.




Die kleine graue Katze
Ingeborg Maria Sick von (Fortsetzung)

1. Oktober

> le Besorgnis, die der hier herrschende Zustand bei mir hervorgerufen
hat, ist noch gewachsen.

Heute vormittag wurde ein Ausflug zu Pferde nach einer alten
historisch merkwürdigen Burg in der Umgegend gemacht. Wie immer
sorgte mir Axel für ein Pferd, auf dessen Ruhe man sich verlassen
--I kann. und er hielt sich im Hinweg auch an meiner Seite, während
seine Frau mit ein paar erst gestern angekommnen jungen Edelleuten vorausflog, die
als Ablösung für die letzte Partie Jagdgäste eingerückt sind, und die sie in einer
Weise zum Courmachen aufmuntert, die mir äußerst zuwider ist.

In ihrem Auftreten verschmäht sie die Huldigung der Nordländer lange nicht
so absolut wie in ihrer Rede.


Grenzboten IV 1907 27
Die kleine graue Katze

zu lassen. In Erwartung eines großartigen Aufschwungs in Handel und Verkehr
infolge dieser Konzession entstand ein boon, in persischen Unternehmungen, nicht
unähnlich dem gegenwärtigen für sibirische Minen, die aber alle an den elenden
Zuständen, dem Übelwollen der Regierung und der Beamten sowie an den
hohen Transportkosten scheiterten.

Mehrere große Unternehmungen englischen und belgischen Kapitals, wie die
?6rsian NininZ Korporation, das Tabakmonopol, eine große Zuckerfabrik bei
Teheran, die Beleuchtung der Hauptstadt mit Gas, eine große Glasfabrik, eine
ausgedehnte Musterfarm bei Teheran gingen entweder wieder ein oder arbeiten
mit Verlust. Von der Gasversorgung heißt es, daß die Kohlen zu teuer seien,
80 bis 100 Mark pro Tonne, trotzdem sich nur zehn deutsche Meilen davon
entfernt Kohlenbergwerke befinden; von der Musterfarm, daß die Ertrüge vom
Felde gestohlen werden, und daß die Muhcmnnedaner die Butter und andre
Erzeugnisse von Ungläubigen nicht anrühren. Die Folge solcher Fehlschläge
war ein Zurückweichen des Kapitals, nachdem sich gezeigt hatte, daß es vor
den Ausdeutungen durch persische Beamte nicht geschützt werden konnte. Ein¬
fluß hatte in Teheran eben nur Rußland. Das einzig bleibende und einen
wirklichen Erfolg darstellende, was England bis zum russisch-japanischen Kriege
erreichen konnte, war die 1902 erlangte Konzession zu einer neuen Telegraphen¬
linie über Jesd, Kerman und Bcimpur nach Veludschistan und zur Nieder¬
lassung der englischen Telegraphengesellschaft auf der Insel Cherdschama im
Persischen Golf.

Trotz aller Hindernisse hat sich der Handel in den letzten Jahren, insbe¬
sondre der über den Karunfluß, wesentlich gehoben. Ein wirklich bedeutender
Aufschwung ist aber erst mit dem Bau von Eisenbahnen zu erwarten. Es wird
berechnet, daß sich die Kosten für den Gütertransport von den Hafenplätzen
nach dem Innern um das acht- bis zehnfache niedriger stellen, daß die Reise¬
dauer von Bushire nach Jsfahan von dreißig Tagen auf einen Tag herab¬
sinken würde.




Die kleine graue Katze
Ingeborg Maria Sick von (Fortsetzung)

1. Oktober

> le Besorgnis, die der hier herrschende Zustand bei mir hervorgerufen
hat, ist noch gewachsen.

Heute vormittag wurde ein Ausflug zu Pferde nach einer alten
historisch merkwürdigen Burg in der Umgegend gemacht. Wie immer
sorgte mir Axel für ein Pferd, auf dessen Ruhe man sich verlassen
—I kann. und er hielt sich im Hinweg auch an meiner Seite, während
seine Frau mit ein paar erst gestern angekommnen jungen Edelleuten vorausflog, die
als Ablösung für die letzte Partie Jagdgäste eingerückt sind, und die sie in einer
Weise zum Courmachen aufmuntert, die mir äußerst zuwider ist.

In ihrem Auftreten verschmäht sie die Huldigung der Nordländer lange nicht
so absolut wie in ihrer Rede.


Grenzboten IV 1907 27
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[0213] Die kleine graue Katze zu lassen. In Erwartung eines großartigen Aufschwungs in Handel und Verkehr infolge dieser Konzession entstand ein boon, in persischen Unternehmungen, nicht unähnlich dem gegenwärtigen für sibirische Minen, die aber alle an den elenden Zuständen, dem Übelwollen der Regierung und der Beamten sowie an den hohen Transportkosten scheiterten. Mehrere große Unternehmungen englischen und belgischen Kapitals, wie die ?6rsian NininZ Korporation, das Tabakmonopol, eine große Zuckerfabrik bei Teheran, die Beleuchtung der Hauptstadt mit Gas, eine große Glasfabrik, eine ausgedehnte Musterfarm bei Teheran gingen entweder wieder ein oder arbeiten mit Verlust. Von der Gasversorgung heißt es, daß die Kohlen zu teuer seien, 80 bis 100 Mark pro Tonne, trotzdem sich nur zehn deutsche Meilen davon entfernt Kohlenbergwerke befinden; von der Musterfarm, daß die Ertrüge vom Felde gestohlen werden, und daß die Muhcmnnedaner die Butter und andre Erzeugnisse von Ungläubigen nicht anrühren. Die Folge solcher Fehlschläge war ein Zurückweichen des Kapitals, nachdem sich gezeigt hatte, daß es vor den Ausdeutungen durch persische Beamte nicht geschützt werden konnte. Ein¬ fluß hatte in Teheran eben nur Rußland. Das einzig bleibende und einen wirklichen Erfolg darstellende, was England bis zum russisch-japanischen Kriege erreichen konnte, war die 1902 erlangte Konzession zu einer neuen Telegraphen¬ linie über Jesd, Kerman und Bcimpur nach Veludschistan und zur Nieder¬ lassung der englischen Telegraphengesellschaft auf der Insel Cherdschama im Persischen Golf. Trotz aller Hindernisse hat sich der Handel in den letzten Jahren, insbe¬ sondre der über den Karunfluß, wesentlich gehoben. Ein wirklich bedeutender Aufschwung ist aber erst mit dem Bau von Eisenbahnen zu erwarten. Es wird berechnet, daß sich die Kosten für den Gütertransport von den Hafenplätzen nach dem Innern um das acht- bis zehnfache niedriger stellen, daß die Reise¬ dauer von Bushire nach Jsfahan von dreißig Tagen auf einen Tag herab¬ sinken würde. Die kleine graue Katze Ingeborg Maria Sick von (Fortsetzung) 1. Oktober > le Besorgnis, die der hier herrschende Zustand bei mir hervorgerufen hat, ist noch gewachsen. Heute vormittag wurde ein Ausflug zu Pferde nach einer alten historisch merkwürdigen Burg in der Umgegend gemacht. Wie immer sorgte mir Axel für ein Pferd, auf dessen Ruhe man sich verlassen —I kann. und er hielt sich im Hinweg auch an meiner Seite, während seine Frau mit ein paar erst gestern angekommnen jungen Edelleuten vorausflog, die als Ablösung für die letzte Partie Jagdgäste eingerückt sind, und die sie in einer Weise zum Courmachen aufmuntert, die mir äußerst zuwider ist. In ihrem Auftreten verschmäht sie die Huldigung der Nordländer lange nicht so absolut wie in ihrer Rede. Grenzboten IV 1907 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/213>, abgerufen am 26.05.2024.