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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Problem der Veringsmeer-Eisenbahn
R. Hennig vonin

is kürzlich durch die Tagesblätter die bald wieder dementierte
Meldung ging, der Zar habe eine Konzession zur Abzweigung
einer neuen sibirischen Bahn von der Station Kainsk im Gou¬
vernement Jenisseisk durch Nordsibirien und zur Untertunnelung
der Beringstraße erteilt, wird wohl mancher, der die geographischen
und klimatischen Verhältnisse Nordsibiriens und der Beringstraße auch nur
einigermaßen kennt, geneigt gewesen sein, einem solchen Projekt gegenüber un¬
gläubig den Kopf zu schütteln und es für die Ausgeburt einer ausschweifenden
Phantasie zu halten. Dennoch ist der gigantische Plan durchaus ernst zu
nehmen, und die amerikanischen Interessentengruppen, die schon seit einer Reihe
von Jahren mit allen Mitteln an der Verwirklichung der Idee arbeite",
werden nicht so leicht ruhen und rasten und ihr Projekt, von dem sie sich
die größten finanziellen Vorteile versprechen, fahren lassen. Im Gegenteil,
die Vorarbeiten zur Realisierung des Gedankens sind gerade neuerdings
energisch gefördert worden, und wenn nicht Rußland schließlich doch noch
aus politischen oder sonstigen Gründen die Baukonzession versagt (was aber
auf die Dauer kaum wahrscheinlich ist), so dürfte das grandiose Projekt Tat¬
sache werden.

Untertunnelungen von Meeresstraßen für die Zwecke einer bessern Eisen¬
bahnverbindung sind schon an verschiednen Stellen der Erde geplant worden,
ohne daß jedoch bisher eine solche Idee irgendwo zur Ausführung gelangt
wäre. So tauchte bekanntlich im Laufe des letzten Jahres wieder einmal der
alte Plan einer Unterseebahn zwischen Frankreich und England mittels eines
Tunnels unter dem Ärmelkanal auf, scheiterte aber an der etwas naiven Be¬
fürchtung der Engländer, daß der Tunnel eine feindliche Invasion begünstigen
könnte. Andre ähnliche Pläne sind ebenfalls bisher nicht verwirklicht worden:
so wollte man zum Beispiel vor einer Reihe von Jahren eine Eisenbahn von
Spanien nach Nordafrika unter der Straße von Gibraltar hinweg bauen, und


Grc.izboten IV 1907 36


Das Problem der Veringsmeer-Eisenbahn
R. Hennig vonin

is kürzlich durch die Tagesblätter die bald wieder dementierte
Meldung ging, der Zar habe eine Konzession zur Abzweigung
einer neuen sibirischen Bahn von der Station Kainsk im Gou¬
vernement Jenisseisk durch Nordsibirien und zur Untertunnelung
der Beringstraße erteilt, wird wohl mancher, der die geographischen
und klimatischen Verhältnisse Nordsibiriens und der Beringstraße auch nur
einigermaßen kennt, geneigt gewesen sein, einem solchen Projekt gegenüber un¬
gläubig den Kopf zu schütteln und es für die Ausgeburt einer ausschweifenden
Phantasie zu halten. Dennoch ist der gigantische Plan durchaus ernst zu
nehmen, und die amerikanischen Interessentengruppen, die schon seit einer Reihe
von Jahren mit allen Mitteln an der Verwirklichung der Idee arbeite»,
werden nicht so leicht ruhen und rasten und ihr Projekt, von dem sie sich
die größten finanziellen Vorteile versprechen, fahren lassen. Im Gegenteil,
die Vorarbeiten zur Realisierung des Gedankens sind gerade neuerdings
energisch gefördert worden, und wenn nicht Rußland schließlich doch noch
aus politischen oder sonstigen Gründen die Baukonzession versagt (was aber
auf die Dauer kaum wahrscheinlich ist), so dürfte das grandiose Projekt Tat¬
sache werden.

Untertunnelungen von Meeresstraßen für die Zwecke einer bessern Eisen¬
bahnverbindung sind schon an verschiednen Stellen der Erde geplant worden,
ohne daß jedoch bisher eine solche Idee irgendwo zur Ausführung gelangt
wäre. So tauchte bekanntlich im Laufe des letzten Jahres wieder einmal der
alte Plan einer Unterseebahn zwischen Frankreich und England mittels eines
Tunnels unter dem Ärmelkanal auf, scheiterte aber an der etwas naiven Be¬
fürchtung der Engländer, daß der Tunnel eine feindliche Invasion begünstigen
könnte. Andre ähnliche Pläne sind ebenfalls bisher nicht verwirklicht worden:
so wollte man zum Beispiel vor einer Reihe von Jahren eine Eisenbahn von
Spanien nach Nordafrika unter der Straße von Gibraltar hinweg bauen, und


Grc.izboten IV 1907 36
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[0285] [Abbildung] Das Problem der Veringsmeer-Eisenbahn R. Hennig vonin is kürzlich durch die Tagesblätter die bald wieder dementierte Meldung ging, der Zar habe eine Konzession zur Abzweigung einer neuen sibirischen Bahn von der Station Kainsk im Gou¬ vernement Jenisseisk durch Nordsibirien und zur Untertunnelung der Beringstraße erteilt, wird wohl mancher, der die geographischen und klimatischen Verhältnisse Nordsibiriens und der Beringstraße auch nur einigermaßen kennt, geneigt gewesen sein, einem solchen Projekt gegenüber un¬ gläubig den Kopf zu schütteln und es für die Ausgeburt einer ausschweifenden Phantasie zu halten. Dennoch ist der gigantische Plan durchaus ernst zu nehmen, und die amerikanischen Interessentengruppen, die schon seit einer Reihe von Jahren mit allen Mitteln an der Verwirklichung der Idee arbeite», werden nicht so leicht ruhen und rasten und ihr Projekt, von dem sie sich die größten finanziellen Vorteile versprechen, fahren lassen. Im Gegenteil, die Vorarbeiten zur Realisierung des Gedankens sind gerade neuerdings energisch gefördert worden, und wenn nicht Rußland schließlich doch noch aus politischen oder sonstigen Gründen die Baukonzession versagt (was aber auf die Dauer kaum wahrscheinlich ist), so dürfte das grandiose Projekt Tat¬ sache werden. Untertunnelungen von Meeresstraßen für die Zwecke einer bessern Eisen¬ bahnverbindung sind schon an verschiednen Stellen der Erde geplant worden, ohne daß jedoch bisher eine solche Idee irgendwo zur Ausführung gelangt wäre. So tauchte bekanntlich im Laufe des letzten Jahres wieder einmal der alte Plan einer Unterseebahn zwischen Frankreich und England mittels eines Tunnels unter dem Ärmelkanal auf, scheiterte aber an der etwas naiven Be¬ fürchtung der Engländer, daß der Tunnel eine feindliche Invasion begünstigen könnte. Andre ähnliche Pläne sind ebenfalls bisher nicht verwirklicht worden: so wollte man zum Beispiel vor einer Reihe von Jahren eine Eisenbahn von Spanien nach Nordafrika unter der Straße von Gibraltar hinweg bauen, und Grc.izboten IV 1907 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/285>, abgerufen am 19.05.2024.