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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Die öffentliche Brandmarkung des Beleidigten

Würde, das jetzt die Rücksicht der Reichsregierung auf und ihre Anlehnung an
das im preußischen Landtage noch vorherrschende Element der Stetigkeit bildet,
der wird gegenüber dem Ansturm der linksstehenden Parteien des nationalen
Blocks im Reichstage seinen Standpunkt zu nehmen wissen. Idealistische Ge¬
sinnung spricht aus deren Beginnen nicht, wohl aber kaufmännische Berechnung,
wenn für die positive Betätigung in Fragen nationaler Politik Gegenwerte be¬
ansprucht werden. Gewiß hat Preußen schon oft seine Sonderinteressen der
deutschen Sache zum Opfer gebracht, das sollten sich die Parteien aber als
Ansporn zur Nacheiferung dienen lassen, statt jene Erfahrungstatsache lediglich
als Posten in das Rechenexempel einzustellen, wieviel sich für die Partei aus
Hans Rede der politischen Konjunktur herausschlagen läßt.




Die öffentliche Vrandmarkung des Beleidigten

ckMan mag über den Ausgang der Privatklage, die der ehemalige Kom¬
mandant von Berlin, Graf Kuno von Moltke, gegen Maximilian
Harden angestrengt hat, man mag über den Wert oder den Unwert
der Persönlichkeiten, die dabei eine Rolle gespielt haben, denken,
wie man will -- in jeder Hinsicht hat diese Sache eine weit über
den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Und diese ist nicht erschöpft mit den
Betrachtungen über die Schlagworte, wie "Verseuchung der höchsten Gesell¬
schaft", "Kamarilla um die Allerhöchste Person", "Vergiftung der öffentlichen
Moral", "Schweineglück der Sozialdemokratie", und welche immer man prägen
mag; immer neue Seiten bieten sich dem Betrachter dieser Vorgänge, die tiefe
Schatten weit hinauswerfen.

Wenn man die Sache von allem Beiwerk der Sensation, die durch den
Gegenstand und die beteiligten Persönlichkeiten veranlaßt worden ist, einmal
entkleidet, so liegt sie sehr einfach: Ein Mann, der sich durch einen andern
in seiner Ehre verletzt, in der öffentlichen Meinung herabgesetzt fühlt, beschreitet
den Weg, den das Gesetz ihm vorschreibt, um zu seinem Rechte zu kommen:
er ruft vertrauensvoll den Schutz der Gerichte an. Wir nehmen an, es sei
ein Mann, der völlig unverdientermaßen von einem Gegner in frivoler Weise
angegriffen worden ist -- denn auch das soll vorkommen, und auch in diesem
Falle bleibt ihm nach dem Gesetz kein andrer Weg als der der Privatklage.
Den Weg, den er nach seiner Standesauffassung würde beschritten haben, den
des Auftrags des Ehrenhandels im Zweikampf, kann er -- sei es wegen der
Persönlichkeit des Gegners, sei es, weil er das ehrliche Bestreben hat, sich dem
Gesetze unterzuordnen -- nicht beschreiben; und so legt er die Wahrung seiner
verletzten Ehre mit Vertrauen in die Hände des berufnen Gerichts.


Die öffentliche Brandmarkung des Beleidigten

Würde, das jetzt die Rücksicht der Reichsregierung auf und ihre Anlehnung an
das im preußischen Landtage noch vorherrschende Element der Stetigkeit bildet,
der wird gegenüber dem Ansturm der linksstehenden Parteien des nationalen
Blocks im Reichstage seinen Standpunkt zu nehmen wissen. Idealistische Ge¬
sinnung spricht aus deren Beginnen nicht, wohl aber kaufmännische Berechnung,
wenn für die positive Betätigung in Fragen nationaler Politik Gegenwerte be¬
ansprucht werden. Gewiß hat Preußen schon oft seine Sonderinteressen der
deutschen Sache zum Opfer gebracht, das sollten sich die Parteien aber als
Ansporn zur Nacheiferung dienen lassen, statt jene Erfahrungstatsache lediglich
als Posten in das Rechenexempel einzustellen, wieviel sich für die Partei aus
Hans Rede der politischen Konjunktur herausschlagen läßt.




Die öffentliche Vrandmarkung des Beleidigten

ckMan mag über den Ausgang der Privatklage, die der ehemalige Kom¬
mandant von Berlin, Graf Kuno von Moltke, gegen Maximilian
Harden angestrengt hat, man mag über den Wert oder den Unwert
der Persönlichkeiten, die dabei eine Rolle gespielt haben, denken,
wie man will — in jeder Hinsicht hat diese Sache eine weit über
den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Und diese ist nicht erschöpft mit den
Betrachtungen über die Schlagworte, wie „Verseuchung der höchsten Gesell¬
schaft", „Kamarilla um die Allerhöchste Person", „Vergiftung der öffentlichen
Moral", „Schweineglück der Sozialdemokratie", und welche immer man prägen
mag; immer neue Seiten bieten sich dem Betrachter dieser Vorgänge, die tiefe
Schatten weit hinauswerfen.

Wenn man die Sache von allem Beiwerk der Sensation, die durch den
Gegenstand und die beteiligten Persönlichkeiten veranlaßt worden ist, einmal
entkleidet, so liegt sie sehr einfach: Ein Mann, der sich durch einen andern
in seiner Ehre verletzt, in der öffentlichen Meinung herabgesetzt fühlt, beschreitet
den Weg, den das Gesetz ihm vorschreibt, um zu seinem Rechte zu kommen:
er ruft vertrauensvoll den Schutz der Gerichte an. Wir nehmen an, es sei
ein Mann, der völlig unverdientermaßen von einem Gegner in frivoler Weise
angegriffen worden ist — denn auch das soll vorkommen, und auch in diesem
Falle bleibt ihm nach dem Gesetz kein andrer Weg als der der Privatklage.
Den Weg, den er nach seiner Standesauffassung würde beschritten haben, den
des Auftrags des Ehrenhandels im Zweikampf, kann er — sei es wegen der
Persönlichkeit des Gegners, sei es, weil er das ehrliche Bestreben hat, sich dem
Gesetze unterzuordnen — nicht beschreiben; und so legt er die Wahrung seiner
verletzten Ehre mit Vertrauen in die Hände des berufnen Gerichts.


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[0510] Die öffentliche Brandmarkung des Beleidigten Würde, das jetzt die Rücksicht der Reichsregierung auf und ihre Anlehnung an das im preußischen Landtage noch vorherrschende Element der Stetigkeit bildet, der wird gegenüber dem Ansturm der linksstehenden Parteien des nationalen Blocks im Reichstage seinen Standpunkt zu nehmen wissen. Idealistische Ge¬ sinnung spricht aus deren Beginnen nicht, wohl aber kaufmännische Berechnung, wenn für die positive Betätigung in Fragen nationaler Politik Gegenwerte be¬ ansprucht werden. Gewiß hat Preußen schon oft seine Sonderinteressen der deutschen Sache zum Opfer gebracht, das sollten sich die Parteien aber als Ansporn zur Nacheiferung dienen lassen, statt jene Erfahrungstatsache lediglich als Posten in das Rechenexempel einzustellen, wieviel sich für die Partei aus Hans Rede der politischen Konjunktur herausschlagen läßt. Die öffentliche Vrandmarkung des Beleidigten ckMan mag über den Ausgang der Privatklage, die der ehemalige Kom¬ mandant von Berlin, Graf Kuno von Moltke, gegen Maximilian Harden angestrengt hat, man mag über den Wert oder den Unwert der Persönlichkeiten, die dabei eine Rolle gespielt haben, denken, wie man will — in jeder Hinsicht hat diese Sache eine weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Und diese ist nicht erschöpft mit den Betrachtungen über die Schlagworte, wie „Verseuchung der höchsten Gesell¬ schaft", „Kamarilla um die Allerhöchste Person", „Vergiftung der öffentlichen Moral", „Schweineglück der Sozialdemokratie", und welche immer man prägen mag; immer neue Seiten bieten sich dem Betrachter dieser Vorgänge, die tiefe Schatten weit hinauswerfen. Wenn man die Sache von allem Beiwerk der Sensation, die durch den Gegenstand und die beteiligten Persönlichkeiten veranlaßt worden ist, einmal entkleidet, so liegt sie sehr einfach: Ein Mann, der sich durch einen andern in seiner Ehre verletzt, in der öffentlichen Meinung herabgesetzt fühlt, beschreitet den Weg, den das Gesetz ihm vorschreibt, um zu seinem Rechte zu kommen: er ruft vertrauensvoll den Schutz der Gerichte an. Wir nehmen an, es sei ein Mann, der völlig unverdientermaßen von einem Gegner in frivoler Weise angegriffen worden ist — denn auch das soll vorkommen, und auch in diesem Falle bleibt ihm nach dem Gesetz kein andrer Weg als der der Privatklage. Den Weg, den er nach seiner Standesauffassung würde beschritten haben, den des Auftrags des Ehrenhandels im Zweikampf, kann er — sei es wegen der Persönlichkeit des Gegners, sei es, weil er das ehrliche Bestreben hat, sich dem Gesetze unterzuordnen — nicht beschreiben; und so legt er die Wahrung seiner verletzten Ehre mit Vertrauen in die Hände des berufnen Gerichts.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/510>, abgerufen am 19.05.2024.