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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Politische Wesenheit anerkennenden österreichisch-italienischen Einvernehmen ver¬
schwunden sind. Die Großmächte aber haben durch so modifizierte Verhältnisse
wahrlich keine Einbußen an ihren Interessen- und Einflußsphären, im Gegenteil
ihre Chancen werden gebessert. Die kürzlich so feierlich bekundete Einmütigkeit
der Mächte in bezug auf die Balkanpolitik setzt ganz bestimmte Festsetzungen
über die nationalistische Determination Mazedoniens schon voraus, Festsetzungen,
die erst nach Verlauf einiger Monate werden bekannt gegeben werden.




Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten
von Nordamerika

! cum ja auch, wie an dieser Stelle schon mehrfach betont worden ist,
an die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen Japan und den
Vereinigten Staaten von Nordamerika in absehbarer Zeit nicht
zu denken ist, so läßt sich doch auf der andern Seite nicht ver¬
heimlichen, daß beide Staaten bestündig rüsten und Heer und
Flotte Verstürken. Eine rührige militärische Tätigkeit wird namentlich in
Amerika entfaltet, wie das umfassende Programm erkennen läßt, das kürzlich
über die Besichtigung sämtlicher Militärbildungsanstalten veröffentlicht worden
ist. Von diesem Standpunkt aus werden einige nähere Angaben über diese
Anstalten von um so höherm Interesse sein, als, soviel bekannt, bei uns noch
keine zuverlässigen Veröffentlichungen darüber vorliegen.

Den Anwärtern für Offiziersstellen in der Armee der Vereinigten Staaten
stehn drei Wege offen. Der erste und gewöhnliche Weg, durch den das
Offizierspatent erlangt werden kann, ist der durch die Militärakademie in
Westpoint. Bis zum Kriege mit Spanien waren neun Zehntel aller Offiziere
ehemalige Zöglinge dieser Akademie gewesen. Zu derselben Zeit wurden
gewisse verdiente Unteroffiziere zu Offizieren befördert, und diese stellten das
letzte Zehntel. Aber die Operationen auf Kuba und den Philippinen schufen
eine größere Nachfrage nach Offizieren, als die Akademie und die Reihen der
Unteroffiziere aufbringen konnten, und es wurde deshalb eine ansehnliche An¬
zahl von Offiziersstellen durch Versetzung aus der Freiwilligenarmee besetzt.
So sind also heute ungefähr zwei Drittel der Offiziere in der Armee alte West¬
pointschüler, während der übrige Teil entweder aus freiwilligen Offizieren,
die versetzt worden sind, oder aus Beförderten aus dem Mannschaftsstande
besteht.

Die Militärakademie in Westpoint ist gegenwärtig für 400 Kadetten ein¬
gerichtet. Durchschnittlich treten im Juni jedes Jahres etwa 100 Kadetten


Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Politische Wesenheit anerkennenden österreichisch-italienischen Einvernehmen ver¬
schwunden sind. Die Großmächte aber haben durch so modifizierte Verhältnisse
wahrlich keine Einbußen an ihren Interessen- und Einflußsphären, im Gegenteil
ihre Chancen werden gebessert. Die kürzlich so feierlich bekundete Einmütigkeit
der Mächte in bezug auf die Balkanpolitik setzt ganz bestimmte Festsetzungen
über die nationalistische Determination Mazedoniens schon voraus, Festsetzungen,
die erst nach Verlauf einiger Monate werden bekannt gegeben werden.




Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten
von Nordamerika

! cum ja auch, wie an dieser Stelle schon mehrfach betont worden ist,
an die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen Japan und den
Vereinigten Staaten von Nordamerika in absehbarer Zeit nicht
zu denken ist, so läßt sich doch auf der andern Seite nicht ver¬
heimlichen, daß beide Staaten bestündig rüsten und Heer und
Flotte Verstürken. Eine rührige militärische Tätigkeit wird namentlich in
Amerika entfaltet, wie das umfassende Programm erkennen läßt, das kürzlich
über die Besichtigung sämtlicher Militärbildungsanstalten veröffentlicht worden
ist. Von diesem Standpunkt aus werden einige nähere Angaben über diese
Anstalten von um so höherm Interesse sein, als, soviel bekannt, bei uns noch
keine zuverlässigen Veröffentlichungen darüber vorliegen.

Den Anwärtern für Offiziersstellen in der Armee der Vereinigten Staaten
stehn drei Wege offen. Der erste und gewöhnliche Weg, durch den das
Offizierspatent erlangt werden kann, ist der durch die Militärakademie in
Westpoint. Bis zum Kriege mit Spanien waren neun Zehntel aller Offiziere
ehemalige Zöglinge dieser Akademie gewesen. Zu derselben Zeit wurden
gewisse verdiente Unteroffiziere zu Offizieren befördert, und diese stellten das
letzte Zehntel. Aber die Operationen auf Kuba und den Philippinen schufen
eine größere Nachfrage nach Offizieren, als die Akademie und die Reihen der
Unteroffiziere aufbringen konnten, und es wurde deshalb eine ansehnliche An¬
zahl von Offiziersstellen durch Versetzung aus der Freiwilligenarmee besetzt.
So sind also heute ungefähr zwei Drittel der Offiziere in der Armee alte West¬
pointschüler, während der übrige Teil entweder aus freiwilligen Offizieren,
die versetzt worden sind, oder aus Beförderten aus dem Mannschaftsstande
besteht.

Die Militärakademie in Westpoint ist gegenwärtig für 400 Kadetten ein¬
gerichtet. Durchschnittlich treten im Juni jedes Jahres etwa 100 Kadetten


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[0075] Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika Politische Wesenheit anerkennenden österreichisch-italienischen Einvernehmen ver¬ schwunden sind. Die Großmächte aber haben durch so modifizierte Verhältnisse wahrlich keine Einbußen an ihren Interessen- und Einflußsphären, im Gegenteil ihre Chancen werden gebessert. Die kürzlich so feierlich bekundete Einmütigkeit der Mächte in bezug auf die Balkanpolitik setzt ganz bestimmte Festsetzungen über die nationalistische Determination Mazedoniens schon voraus, Festsetzungen, die erst nach Verlauf einiger Monate werden bekannt gegeben werden. Das Militärbildungswesen in den vereinigten Staaten von Nordamerika ! cum ja auch, wie an dieser Stelle schon mehrfach betont worden ist, an die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen Japan und den Vereinigten Staaten von Nordamerika in absehbarer Zeit nicht zu denken ist, so läßt sich doch auf der andern Seite nicht ver¬ heimlichen, daß beide Staaten bestündig rüsten und Heer und Flotte Verstürken. Eine rührige militärische Tätigkeit wird namentlich in Amerika entfaltet, wie das umfassende Programm erkennen läßt, das kürzlich über die Besichtigung sämtlicher Militärbildungsanstalten veröffentlicht worden ist. Von diesem Standpunkt aus werden einige nähere Angaben über diese Anstalten von um so höherm Interesse sein, als, soviel bekannt, bei uns noch keine zuverlässigen Veröffentlichungen darüber vorliegen. Den Anwärtern für Offiziersstellen in der Armee der Vereinigten Staaten stehn drei Wege offen. Der erste und gewöhnliche Weg, durch den das Offizierspatent erlangt werden kann, ist der durch die Militärakademie in Westpoint. Bis zum Kriege mit Spanien waren neun Zehntel aller Offiziere ehemalige Zöglinge dieser Akademie gewesen. Zu derselben Zeit wurden gewisse verdiente Unteroffiziere zu Offizieren befördert, und diese stellten das letzte Zehntel. Aber die Operationen auf Kuba und den Philippinen schufen eine größere Nachfrage nach Offizieren, als die Akademie und die Reihen der Unteroffiziere aufbringen konnten, und es wurde deshalb eine ansehnliche An¬ zahl von Offiziersstellen durch Versetzung aus der Freiwilligenarmee besetzt. So sind also heute ungefähr zwei Drittel der Offiziere in der Armee alte West¬ pointschüler, während der übrige Teil entweder aus freiwilligen Offizieren, die versetzt worden sind, oder aus Beförderten aus dem Mannschaftsstande besteht. Die Militärakademie in Westpoint ist gegenwärtig für 400 Kadetten ein¬ gerichtet. Durchschnittlich treten im Juni jedes Jahres etwa 100 Kadetten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/75>, abgerufen am 19.05.2024.