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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Ldmond Rostand

mitzuarbeiten, damit wir erreichen, was uns noch fehlt, damit wir vorwärts
kommen und dem deutschen Namen Geltung und Ansehen verschaffen in der
Welt, so liegt auch das an dem Mangel an politischer Denkfähigkeit, an dem
Mangel an Verständnis für unsre Aufgaben und Ziele und an der geringen
Neigung des Deutschen zur Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten,
mit Politik. Wenn der Staatssekretär klagt über unser geringes koloniales
Verständnis, so liegt das eben daran, daß uns überhaupt politisches Interesse
und Verständnis fehlen. Nur indem wir dieses zu wecken und zu fördern
uns bestreben, werden wir unserm öffentlichen Leben das geben, was ihm
heute abgeht, den Zug ins Große, die Einmütigkeit in der Beurteilung natio¬
naler Lebensfragen. Nur durch Erziehung aller zur Teilnahme an den An¬
gelegenheiten des Staates werden wir erreichen, daß auch der Deutsche mit
Stolz und Freude erfüllt wird an seinem Vaterlande.

Nicht nur ein Kreuzzug der Erziehung für koloniales Verständnis ist es,
der uns bitter nottut, sondern mehr als das:

Ein Kreuzzug für nationale Erziehung.




(Ldmsnd Rostand
R. Aießmann vonin

achten Edmond Nostand als Mitglied in die französische Akademie
gewählt worden war, feierte er in seinem DisoourZ ac Röczöption
vom 4. Juni 1903 altem Brauche gemäß das Andenken seines
Vorgängers, Henri de Borniers, dessen Platz er auszufüllen be¬
rufen war. Ist es nicht wunderbar, daß die erste öffentliche
Kundgebung in Prosa den Mund des Dichters bis heute hat verstummen lassen,
dem die Verse so leicht und so anmutig von den Lippen flössen, dem, wie er
selbst sagt, die poetische Sprache die "am wenigsten fremde" ist?

Wie selten ein Dichter hatte Rostand es verstanden, den Erfolg an seine
Fahnen zu heften. Zwar wurden seine ersten dichterischen Versuche Ilös NusiU'-
auffs kurz nach ihrem Erscheinen nur von einigen Feinschmeckern als eine
glänzende literarische Erstlingsleistung eingeschätzt, während sie heute mit Gold
aufgewogen werden, und die IZibliotliöcino Mtionalc; und die LiblilMöauö cle
in Paris nur je ein Exemplar dieses kostbaren Büchleins sorglich
bewahren, das in Deutschland überhaupt unauffindbar ist. Mit den Romimosauss
jedoch pflückte der Dichter, der eben sein siebenundzwanzigstes Lebensjahr vollendet
hatte, das erste volle Reis vom Lorbeerbaum des Ruhmes. In diesem muntern
Spiel, das an Ort und Zeit nicht gebunden ist, das überall aufgeführt werden


Ldmond Rostand

mitzuarbeiten, damit wir erreichen, was uns noch fehlt, damit wir vorwärts
kommen und dem deutschen Namen Geltung und Ansehen verschaffen in der
Welt, so liegt auch das an dem Mangel an politischer Denkfähigkeit, an dem
Mangel an Verständnis für unsre Aufgaben und Ziele und an der geringen
Neigung des Deutschen zur Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten,
mit Politik. Wenn der Staatssekretär klagt über unser geringes koloniales
Verständnis, so liegt das eben daran, daß uns überhaupt politisches Interesse
und Verständnis fehlen. Nur indem wir dieses zu wecken und zu fördern
uns bestreben, werden wir unserm öffentlichen Leben das geben, was ihm
heute abgeht, den Zug ins Große, die Einmütigkeit in der Beurteilung natio¬
naler Lebensfragen. Nur durch Erziehung aller zur Teilnahme an den An¬
gelegenheiten des Staates werden wir erreichen, daß auch der Deutsche mit
Stolz und Freude erfüllt wird an seinem Vaterlande.

Nicht nur ein Kreuzzug der Erziehung für koloniales Verständnis ist es,
der uns bitter nottut, sondern mehr als das:

Ein Kreuzzug für nationale Erziehung.




(Ldmsnd Rostand
R. Aießmann vonin

achten Edmond Nostand als Mitglied in die französische Akademie
gewählt worden war, feierte er in seinem DisoourZ ac Röczöption
vom 4. Juni 1903 altem Brauche gemäß das Andenken seines
Vorgängers, Henri de Borniers, dessen Platz er auszufüllen be¬
rufen war. Ist es nicht wunderbar, daß die erste öffentliche
Kundgebung in Prosa den Mund des Dichters bis heute hat verstummen lassen,
dem die Verse so leicht und so anmutig von den Lippen flössen, dem, wie er
selbst sagt, die poetische Sprache die „am wenigsten fremde" ist?

Wie selten ein Dichter hatte Rostand es verstanden, den Erfolg an seine
Fahnen zu heften. Zwar wurden seine ersten dichterischen Versuche Ilös NusiU'-
auffs kurz nach ihrem Erscheinen nur von einigen Feinschmeckern als eine
glänzende literarische Erstlingsleistung eingeschätzt, während sie heute mit Gold
aufgewogen werden, und die IZibliotliöcino Mtionalc; und die LiblilMöauö cle
in Paris nur je ein Exemplar dieses kostbaren Büchleins sorglich
bewahren, das in Deutschland überhaupt unauffindbar ist. Mit den Romimosauss
jedoch pflückte der Dichter, der eben sein siebenundzwanzigstes Lebensjahr vollendet
hatte, das erste volle Reis vom Lorbeerbaum des Ruhmes. In diesem muntern
Spiel, das an Ort und Zeit nicht gebunden ist, das überall aufgeführt werden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/90>, abgerufen am 26.05.2024.