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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Reisebilder aus Dalmatien

Fortschritt zeigt er dadurch gegenüber den frühern Romanen, daß erotische
Motive der verschiedensten Art zu ihrem Rechte kommen, er hat sie stark und
frei herausgearbeitet, beachtet aber überall die berechtigten schwuren.

Ganz besondre Aufmerksamkeit wendet Wette auch diesmal dem sprach¬
lichen Ausdruck zu. Der Fluß seiner Rede gleicht oft einem Strome, der alles
mit fortreißt. Oft kann sich der Dichter nicht genug tun, zwei, drei Ausdrücke
stehen statt des einen und haben ebensoviel" nähere Vestimmuugen bei sich.
Er gefällt sich so in dieser Fülle, daß er auch in der Prosarede mit Vorliebe
den Reim zur Anwendung bringt, sodaß oft größere Stellen eine ausgebildete
Neimprosa zeigen. Trotz scheinbaren Übermaßes mäßigt er sich insofern, als
er diesen Schmuck besonders da anbringt, wo er den Leser zum Verweilen und
sorgfältigen Aufmerken veranlassen will.

Der "Jost Knost" hat so viele Vorzüge, daß er dem Verfasser sicher zahl¬
reiche neue Verehrer zuführen wird. Die Ausstattung zeugt von vornehmem
Geschmack. Vignetten, die Wald- und Feldblumen sowie Gartenfrüchte dar¬
st Al, Reifferscheid ellen, beginnen und beschließen die Hauptstücke.




Reisebilder aus Dalmatien
Joseph Aug. Lux von

^>s war einmal -- diese Mürchensprache redet Dalmatien, das
Land der Zukunft.

Dalmatien, das Land der Kontraste! Erlesene Schöpfungen
der Kunst mitten in der Wildnis; Unwirklichkeit und hohe Kultur
! im Nebeneinander; unauflösliche Reste von Barbarei in dem
feinen Niederschlag des kunstsinnigen Luxus der Vergangenheit, ein Reichtum
an Schönheit und vielleicht auch an Naturgütern, und lähmende Armut, ohn¬
mächtig, den Schatz zu heben -- diese Gegensätze finden wir in den Zügen der
schönen Dalmatia.

Die Bilder wechseln wie Wellen und führen ein Sekundenleben.

Wir sind die einzigen Fremden an Bord des kleinen Dampfers, der von
Zara durch die romantischen von Stürmen heimgesuchten Kanüle und Buchten
fährt, an Pagv dicht vorüber bis unmittelbar an den Fuß des Velebit, im
fjordartigen Canale della Montagna, durch schluchtenähnliche Felsencngen in
das Meer von Novigrad und durch das phantastische Felsengebiet des Zrmanja-
flusses, den einzigen Fluß Dalmatiens, der im Sommer nicht versiegt und
schiffbar bleibt, bis Obbrovazzo, zehn Stunden lang, von denen jede Stunde
neu und seltsam ist, reich an Schönheit und freigebig mit den Gaben.

Das österliche Zara fließt von Fremden über, und wir zwei Leute sind die
einzigen, die zu dieser günstigsten Zeit die zauberhafte Fahrt unternehmen.


Reisebilder aus Dalmatien

Fortschritt zeigt er dadurch gegenüber den frühern Romanen, daß erotische
Motive der verschiedensten Art zu ihrem Rechte kommen, er hat sie stark und
frei herausgearbeitet, beachtet aber überall die berechtigten schwuren.

Ganz besondre Aufmerksamkeit wendet Wette auch diesmal dem sprach¬
lichen Ausdruck zu. Der Fluß seiner Rede gleicht oft einem Strome, der alles
mit fortreißt. Oft kann sich der Dichter nicht genug tun, zwei, drei Ausdrücke
stehen statt des einen und haben ebensoviel« nähere Vestimmuugen bei sich.
Er gefällt sich so in dieser Fülle, daß er auch in der Prosarede mit Vorliebe
den Reim zur Anwendung bringt, sodaß oft größere Stellen eine ausgebildete
Neimprosa zeigen. Trotz scheinbaren Übermaßes mäßigt er sich insofern, als
er diesen Schmuck besonders da anbringt, wo er den Leser zum Verweilen und
sorgfältigen Aufmerken veranlassen will.

Der „Jost Knost" hat so viele Vorzüge, daß er dem Verfasser sicher zahl¬
reiche neue Verehrer zuführen wird. Die Ausstattung zeugt von vornehmem
Geschmack. Vignetten, die Wald- und Feldblumen sowie Gartenfrüchte dar¬
st Al, Reifferscheid ellen, beginnen und beschließen die Hauptstücke.




Reisebilder aus Dalmatien
Joseph Aug. Lux von

^>s war einmal — diese Mürchensprache redet Dalmatien, das
Land der Zukunft.

Dalmatien, das Land der Kontraste! Erlesene Schöpfungen
der Kunst mitten in der Wildnis; Unwirklichkeit und hohe Kultur
! im Nebeneinander; unauflösliche Reste von Barbarei in dem
feinen Niederschlag des kunstsinnigen Luxus der Vergangenheit, ein Reichtum
an Schönheit und vielleicht auch an Naturgütern, und lähmende Armut, ohn¬
mächtig, den Schatz zu heben — diese Gegensätze finden wir in den Zügen der
schönen Dalmatia.

Die Bilder wechseln wie Wellen und führen ein Sekundenleben.

Wir sind die einzigen Fremden an Bord des kleinen Dampfers, der von
Zara durch die romantischen von Stürmen heimgesuchten Kanüle und Buchten
fährt, an Pagv dicht vorüber bis unmittelbar an den Fuß des Velebit, im
fjordartigen Canale della Montagna, durch schluchtenähnliche Felsencngen in
das Meer von Novigrad und durch das phantastische Felsengebiet des Zrmanja-
flusses, den einzigen Fluß Dalmatiens, der im Sommer nicht versiegt und
schiffbar bleibt, bis Obbrovazzo, zehn Stunden lang, von denen jede Stunde
neu und seltsam ist, reich an Schönheit und freigebig mit den Gaben.

Das österliche Zara fließt von Fremden über, und wir zwei Leute sind die
einzigen, die zu dieser günstigsten Zeit die zauberhafte Fahrt unternehmen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/500>, abgerufen am 04.05.2024.