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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Reisebildtt aus Oalmaticn

Der Delphin und der fliegende Fisch schweben in Blau und Gold in
diesen sonnigen Tagen.

Die steilen Küsten erscheinen fast weiß in der durchsichtigen Luft, und
das Meer dehnt sich wie Atlas, straff gespannt und glänzend.

Und die Orte im Canale della Montagna, am Eingang zur Meeresschlucht
und im grünen Meer von Novigrad. das Kastel Venir, Starigrad, Possedaria
und das behäbigere Novigrad selbst, gleichen einer furchtsam zusammengedrängten
Rotte Häuser, einer Horde, verwegen und ängstlich zugleich, zusammengednckt
und trotzig, herausfordernd und bebend vor dem ehernen Tritt des Schicksals,
das in diesem Bereich Städte zerstampfte. Heute noch in der Schattenhaftig-
keit des Einst, stehn sie unter einem noch nicht gelösten Bann, lauernd und
wartend auf das Nichts, das kommt.

Und die Männer tragen die breiten Ledergürtel gespickt mit Waffen, alter
Überlieferung gemäß, oder weil der einsame Gang ins Gebirge dem unbewaffneten
Manne nichts Gutes verspricht? Sicherlich ist es mehr ein Symbol, ein Zeichen
der Vergangenheit, die wild und grausam war und ihre Helden hatte, die in
diesem Zeichen unsterblich sind.

Die Gewässer sind einsam hier, wo der Saphir in die Farbe des Türkis
übergeht; einsamer noch sind die Felsen außerhalb der Orte. Novigrad hat
einen ergiebigen Fischfang, man bemerkt Netze für den Tunfisch; sonst aber ist
kaum ein Boot, selten ein Fischer zu sehn.

Aus dem Zara des neunten Jahrhunderts in das Zara des dreizehnten
Jahrhunderts führt der kurze interessante Gang aus der Donatuskirche nach
der Sakristei des Domes, der Schätze birgt, Gemälde von Palma dem Jüngern
und von Carpaccio. Tintoretto, Tizian u. a., reiche venezianische Schnitzarbeiten.
Marmoraltäre. die Kunst in einer ununterbrochnem Kette vom zehnten Jahr¬
hundert bis zum Empire. Der Domplatz ist der Raum für ein einziges Kunst¬
werk, und dieses Kunstwerk ist die Hauptfront des Domes, ein zierlich durch-
l'wahres Steinwerk. Blendarkaden übereinander gestellt, luftig und leicht, wie
Spitzenbehang über die massive Steinkonstruktion. Die Basilika S. Grisogono
verkörpert denselben Gedanken, der die Säule der Funktion entkleidet und in
e>n Schmuckelement verwandelt. Venedig bildet seinen Stil aus dieser An¬
legung. Die zierlichen Säulen, von Steinbogcn überwölbt, um die Öffnung zu
erhöhen und vertikal zu betonen, diese Architekturentwicklung und der in
Dalmatien heimische Ziborienaltar mit den vier im Quadrat stehenden Säulen
w Bogen überspannt und gekuppelt, wären nicht denkbar ohne die künstlerische
Tat im römischen Spalatv unter Diokletian.

Sebenico war ein Spielball der Mächte seit dem frühen Mittelalter;
ungarische und kroatische Könige wechselten in der Herrschaft, die Genuesen
hielten die Stadt im vierzehnten Jahrhundert besetzt, die Venezianer rissen sie
"n sich, türkische Belagerungen folgten später, der Schwarze Tod knickte vollends
^e Blute der Stadt -- nur die alten massiven Mauern trotzten und über-


Reisebildtt aus Oalmaticn

Der Delphin und der fliegende Fisch schweben in Blau und Gold in
diesen sonnigen Tagen.

Die steilen Küsten erscheinen fast weiß in der durchsichtigen Luft, und
das Meer dehnt sich wie Atlas, straff gespannt und glänzend.

Und die Orte im Canale della Montagna, am Eingang zur Meeresschlucht
und im grünen Meer von Novigrad. das Kastel Venir, Starigrad, Possedaria
und das behäbigere Novigrad selbst, gleichen einer furchtsam zusammengedrängten
Rotte Häuser, einer Horde, verwegen und ängstlich zugleich, zusammengednckt
und trotzig, herausfordernd und bebend vor dem ehernen Tritt des Schicksals,
das in diesem Bereich Städte zerstampfte. Heute noch in der Schattenhaftig-
keit des Einst, stehn sie unter einem noch nicht gelösten Bann, lauernd und
wartend auf das Nichts, das kommt.

Und die Männer tragen die breiten Ledergürtel gespickt mit Waffen, alter
Überlieferung gemäß, oder weil der einsame Gang ins Gebirge dem unbewaffneten
Manne nichts Gutes verspricht? Sicherlich ist es mehr ein Symbol, ein Zeichen
der Vergangenheit, die wild und grausam war und ihre Helden hatte, die in
diesem Zeichen unsterblich sind.

Die Gewässer sind einsam hier, wo der Saphir in die Farbe des Türkis
übergeht; einsamer noch sind die Felsen außerhalb der Orte. Novigrad hat
einen ergiebigen Fischfang, man bemerkt Netze für den Tunfisch; sonst aber ist
kaum ein Boot, selten ein Fischer zu sehn.

Aus dem Zara des neunten Jahrhunderts in das Zara des dreizehnten
Jahrhunderts führt der kurze interessante Gang aus der Donatuskirche nach
der Sakristei des Domes, der Schätze birgt, Gemälde von Palma dem Jüngern
und von Carpaccio. Tintoretto, Tizian u. a., reiche venezianische Schnitzarbeiten.
Marmoraltäre. die Kunst in einer ununterbrochnem Kette vom zehnten Jahr¬
hundert bis zum Empire. Der Domplatz ist der Raum für ein einziges Kunst¬
werk, und dieses Kunstwerk ist die Hauptfront des Domes, ein zierlich durch-
l'wahres Steinwerk. Blendarkaden übereinander gestellt, luftig und leicht, wie
Spitzenbehang über die massive Steinkonstruktion. Die Basilika S. Grisogono
verkörpert denselben Gedanken, der die Säule der Funktion entkleidet und in
e>n Schmuckelement verwandelt. Venedig bildet seinen Stil aus dieser An¬
legung. Die zierlichen Säulen, von Steinbogcn überwölbt, um die Öffnung zu
erhöhen und vertikal zu betonen, diese Architekturentwicklung und der in
Dalmatien heimische Ziborienaltar mit den vier im Quadrat stehenden Säulen
w Bogen überspannt und gekuppelt, wären nicht denkbar ohne die künstlerische
Tat im römischen Spalatv unter Diokletian.

Sebenico war ein Spielball der Mächte seit dem frühen Mittelalter;
ungarische und kroatische Könige wechselten in der Herrschaft, die Genuesen
hielten die Stadt im vierzehnten Jahrhundert besetzt, die Venezianer rissen sie
"n sich, türkische Belagerungen folgten später, der Schwarze Tod knickte vollends
^e Blute der Stadt — nur die alten massiven Mauern trotzten und über-


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[0501] Reisebildtt aus Oalmaticn Der Delphin und der fliegende Fisch schweben in Blau und Gold in diesen sonnigen Tagen. Die steilen Küsten erscheinen fast weiß in der durchsichtigen Luft, und das Meer dehnt sich wie Atlas, straff gespannt und glänzend. Und die Orte im Canale della Montagna, am Eingang zur Meeresschlucht und im grünen Meer von Novigrad. das Kastel Venir, Starigrad, Possedaria und das behäbigere Novigrad selbst, gleichen einer furchtsam zusammengedrängten Rotte Häuser, einer Horde, verwegen und ängstlich zugleich, zusammengednckt und trotzig, herausfordernd und bebend vor dem ehernen Tritt des Schicksals, das in diesem Bereich Städte zerstampfte. Heute noch in der Schattenhaftig- keit des Einst, stehn sie unter einem noch nicht gelösten Bann, lauernd und wartend auf das Nichts, das kommt. Und die Männer tragen die breiten Ledergürtel gespickt mit Waffen, alter Überlieferung gemäß, oder weil der einsame Gang ins Gebirge dem unbewaffneten Manne nichts Gutes verspricht? Sicherlich ist es mehr ein Symbol, ein Zeichen der Vergangenheit, die wild und grausam war und ihre Helden hatte, die in diesem Zeichen unsterblich sind. Die Gewässer sind einsam hier, wo der Saphir in die Farbe des Türkis übergeht; einsamer noch sind die Felsen außerhalb der Orte. Novigrad hat einen ergiebigen Fischfang, man bemerkt Netze für den Tunfisch; sonst aber ist kaum ein Boot, selten ein Fischer zu sehn. Aus dem Zara des neunten Jahrhunderts in das Zara des dreizehnten Jahrhunderts führt der kurze interessante Gang aus der Donatuskirche nach der Sakristei des Domes, der Schätze birgt, Gemälde von Palma dem Jüngern und von Carpaccio. Tintoretto, Tizian u. a., reiche venezianische Schnitzarbeiten. Marmoraltäre. die Kunst in einer ununterbrochnem Kette vom zehnten Jahr¬ hundert bis zum Empire. Der Domplatz ist der Raum für ein einziges Kunst¬ werk, und dieses Kunstwerk ist die Hauptfront des Domes, ein zierlich durch- l'wahres Steinwerk. Blendarkaden übereinander gestellt, luftig und leicht, wie Spitzenbehang über die massive Steinkonstruktion. Die Basilika S. Grisogono verkörpert denselben Gedanken, der die Säule der Funktion entkleidet und in e>n Schmuckelement verwandelt. Venedig bildet seinen Stil aus dieser An¬ legung. Die zierlichen Säulen, von Steinbogcn überwölbt, um die Öffnung zu erhöhen und vertikal zu betonen, diese Architekturentwicklung und der in Dalmatien heimische Ziborienaltar mit den vier im Quadrat stehenden Säulen w Bogen überspannt und gekuppelt, wären nicht denkbar ohne die künstlerische Tat im römischen Spalatv unter Diokletian. Sebenico war ein Spielball der Mächte seit dem frühen Mittelalter; ungarische und kroatische Könige wechselten in der Herrschaft, die Genuesen hielten die Stadt im vierzehnten Jahrhundert besetzt, die Venezianer rissen sie "n sich, türkische Belagerungen folgten später, der Schwarze Tod knickte vollends ^e Blute der Stadt — nur die alten massiven Mauern trotzten und über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/501>, abgerufen am 22.05.2024.