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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die Landesverteidigung Dänemarks

>le aus neunzehn Mitgliedern bestehende dänische Nationalver-
teidignngskommission, die im Jahre 1902 eingesetzt wurde, um
über die besten Mittel zu beraten, wie die Neutralität Dänemarks
durch Verteidigungsmaßnahmen aufrechterhalten werden könnte,
I hat kürzlich ihre Beratungen beendet und ihre Vorschläge der
Negierung und dem Reichstage unterbreitet. Die Kommission ist zu keinem
einheitlichen Vorschlage gelangt, sie hat sich vielmehr in vier Parteien zer¬
splittert, deren jede ein Sondcrgutachteu abgab.

Die Mehrheit baut ihren Vcrteidiguugsplan in der Hauptsache auf die
lebende Wehr, Organisation der Flotte und Erweiterung der Seebefestignng
Kopenhagens, die Landbefestigungen Kopenhagens seien niederzulegen. Die
stärkste Partei der Minderheit spricht sich dagegen für eine Verstärkung der jetzt
bestehenden Landbefestiguugen Kopenhagens und für Anlage von Befestigungen
zur Sicherung der seeländischen Küste aus. Die zweite Minderheitspartei
schlägt vor, Heer und Marine abzuschaffen und alle Befestigungen abzutragen.
Die dritte Minderheitspartei, bestehend aus nur einem Mitgliede, spricht sich
ebenfalls für Niederlegung der Land- und Seebefestigungen Kopenhagens aus.
Die Flottenvertreter schließen sich im allgemeinen den Vorschlägen der Mehr¬
heit an, und der Armeevertreter folgt im wesentlichen dem Programm der stärksten
Partei der Minderheit.

Die ganze Frage der Landesverteidigung und der Neutralität Dänemarks
kann für Deutschland unter Umständen nicht ohne Bedeutung sein. Das zeigt
auch eine hochpolitische Rede, die Ministerpräsident Christensen kürzlich am
"Grundgesetztage" gehalten hat, wenn er unter Bezugnahme auf den eben
eingegangnen Bericht der Landesverteidigungskommission äußerte: "Es komme
darauf an, die neutrale Stellung des Landes eventuell zu verteidigen, zum
Beispiel bei einem deutsch-englischen Kriege, der nicht im Bereich der Un¬
möglichkeit liege." Mag das nun richtig sein oder nicht, immerhin liegt ein
Interesse Deutschlands vor, zu wissen, welche Kräfte das benachbarte Dänemark


Grenzboten IV 1S08 69


Die Landesverteidigung Dänemarks

>le aus neunzehn Mitgliedern bestehende dänische Nationalver-
teidignngskommission, die im Jahre 1902 eingesetzt wurde, um
über die besten Mittel zu beraten, wie die Neutralität Dänemarks
durch Verteidigungsmaßnahmen aufrechterhalten werden könnte,
I hat kürzlich ihre Beratungen beendet und ihre Vorschläge der
Negierung und dem Reichstage unterbreitet. Die Kommission ist zu keinem
einheitlichen Vorschlage gelangt, sie hat sich vielmehr in vier Parteien zer¬
splittert, deren jede ein Sondcrgutachteu abgab.

Die Mehrheit baut ihren Vcrteidiguugsplan in der Hauptsache auf die
lebende Wehr, Organisation der Flotte und Erweiterung der Seebefestignng
Kopenhagens, die Landbefestigungen Kopenhagens seien niederzulegen. Die
stärkste Partei der Minderheit spricht sich dagegen für eine Verstärkung der jetzt
bestehenden Landbefestiguugen Kopenhagens und für Anlage von Befestigungen
zur Sicherung der seeländischen Küste aus. Die zweite Minderheitspartei
schlägt vor, Heer und Marine abzuschaffen und alle Befestigungen abzutragen.
Die dritte Minderheitspartei, bestehend aus nur einem Mitgliede, spricht sich
ebenfalls für Niederlegung der Land- und Seebefestigungen Kopenhagens aus.
Die Flottenvertreter schließen sich im allgemeinen den Vorschlägen der Mehr¬
heit an, und der Armeevertreter folgt im wesentlichen dem Programm der stärksten
Partei der Minderheit.

Die ganze Frage der Landesverteidigung und der Neutralität Dänemarks
kann für Deutschland unter Umständen nicht ohne Bedeutung sein. Das zeigt
auch eine hochpolitische Rede, die Ministerpräsident Christensen kürzlich am
„Grundgesetztage" gehalten hat, wenn er unter Bezugnahme auf den eben
eingegangnen Bericht der Landesverteidigungskommission äußerte: „Es komme
darauf an, die neutrale Stellung des Landes eventuell zu verteidigen, zum
Beispiel bei einem deutsch-englischen Kriege, der nicht im Bereich der Un¬
möglichkeit liege." Mag das nun richtig sein oder nicht, immerhin liegt ein
Interesse Deutschlands vor, zu wissen, welche Kräfte das benachbarte Dänemark


Grenzboten IV 1S08 69
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[0525] [Abbildung] Die Landesverteidigung Dänemarks >le aus neunzehn Mitgliedern bestehende dänische Nationalver- teidignngskommission, die im Jahre 1902 eingesetzt wurde, um über die besten Mittel zu beraten, wie die Neutralität Dänemarks durch Verteidigungsmaßnahmen aufrechterhalten werden könnte, I hat kürzlich ihre Beratungen beendet und ihre Vorschläge der Negierung und dem Reichstage unterbreitet. Die Kommission ist zu keinem einheitlichen Vorschlage gelangt, sie hat sich vielmehr in vier Parteien zer¬ splittert, deren jede ein Sondcrgutachteu abgab. Die Mehrheit baut ihren Vcrteidiguugsplan in der Hauptsache auf die lebende Wehr, Organisation der Flotte und Erweiterung der Seebefestignng Kopenhagens, die Landbefestigungen Kopenhagens seien niederzulegen. Die stärkste Partei der Minderheit spricht sich dagegen für eine Verstärkung der jetzt bestehenden Landbefestiguugen Kopenhagens und für Anlage von Befestigungen zur Sicherung der seeländischen Küste aus. Die zweite Minderheitspartei schlägt vor, Heer und Marine abzuschaffen und alle Befestigungen abzutragen. Die dritte Minderheitspartei, bestehend aus nur einem Mitgliede, spricht sich ebenfalls für Niederlegung der Land- und Seebefestigungen Kopenhagens aus. Die Flottenvertreter schließen sich im allgemeinen den Vorschlägen der Mehr¬ heit an, und der Armeevertreter folgt im wesentlichen dem Programm der stärksten Partei der Minderheit. Die ganze Frage der Landesverteidigung und der Neutralität Dänemarks kann für Deutschland unter Umständen nicht ohne Bedeutung sein. Das zeigt auch eine hochpolitische Rede, die Ministerpräsident Christensen kürzlich am „Grundgesetztage" gehalten hat, wenn er unter Bezugnahme auf den eben eingegangnen Bericht der Landesverteidigungskommission äußerte: „Es komme darauf an, die neutrale Stellung des Landes eventuell zu verteidigen, zum Beispiel bei einem deutsch-englischen Kriege, der nicht im Bereich der Un¬ möglichkeit liege." Mag das nun richtig sein oder nicht, immerhin liegt ein Interesse Deutschlands vor, zu wissen, welche Kräfte das benachbarte Dänemark Grenzboten IV 1S08 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/525>, abgerufen am 03.05.2024.