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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses ^303

dem sämtliche Vorgesetzte des Truppenteils eingehend Stellung zu nehmen
haben, und das mit allen diesen Zusätzen dem König vorgelegt wird, der in
seiner schließlichen Entscheidung gänzlich unabhängig davon ist. Er kann es
vollziehen, d. h. dem Offizier die vorgeschlagne Warnung oder den vorgeschlagnen
schlichten Abschied, oder was sonst vorgeschlagen ist, erteilen, oder er kann
es umstoßen und an dasselbe oder an ein andres Ehrengericht zu noch¬
maliger Verhandlung verweisen, oder er kann es mildern. Der Offizier steht
also an letzter Stelle unter der Kommandogewalt des Königs, was eine
Rechtsgarantie insofern bedeutet, als jeder Offizier von dieser Kommando gewalt
abhängt.

Die zahlreichen begründeten Gutachten, die sich an das ursprüngliche Er¬
kenntnis auf dem Wege zur Allerhöchsten Entscheidung anschließen, sind
mindestens ebenso wertvoll für den Angeschuldigten, wie das Urteil einer
Berufungsinstanz sein würde, das besonders in zweifelhaften Fällen den Ge¬
fahren einer Zufallsmehrheit ausgesetzt ist. Mit dem Vorwurf fehlender Rechts¬
garantien ist es also auch nichts. Es bleibt nun die Behauptung, die Offiziere
stimmten nur aus Furcht vor ihren Vorgesetzten im Sinne der angeblich
von ihnen selbst innerlich schon überwundnen veralteten Standesanschauungen.
Über einen solchen Vorwurf läßt sich überhaupt nicht diskutieren. Wer das
glaubt, mag es glauben, ihm ist nicht zu helfen. Das Offizierkorps muß sich
damit trösten, daß das deutsche Volk in der Mehrheit ihm doch so etwas nicht
zutraute >. ^ .'"^ ^v?/,^ - ^.^

Man kann nur zu dem Schlüsse kommen, daß die Ehrengerichte eine be¬
währte Einrichtung sind, an der man nicht rütteln sollte, bevor man etwas
unzweifelhaft besseres hat. Das hat aber von allen Kritikern bisher noch keiner
AZ. gebracht.




Weimar
in den Tagen des Erfurter Krstenkongresses ^808
Hans Jacobi
' von ,1

eimar liegt in der Mitte zwischen Jena und Erfurt. Am 14. Ok¬
tober 1806 hatte die Stadt den Kanonendonner der Jenaer
Schlacht gehört, am Abend Teile der geschlagner Armee und
die nachdrängenden Sieger, am Tage darauf den Imperator
! selbst gesehen. Wie die Heimstätte geistigen Lebens in der
klassischen Zeit Deutschlands, der stille Sitz der Musen mit einemmal vom
Kriegsgetümmel überflutet und in schwere Mitleidenschaft gezogen wurde, das
hat von Anfang an und jetzt wieder nach hundert Jahren die Teilnahme des
deutschen Volkes erregt. Zwei Jahre darauf, im Jahre 1808 nahten aufs


Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses ^303

dem sämtliche Vorgesetzte des Truppenteils eingehend Stellung zu nehmen
haben, und das mit allen diesen Zusätzen dem König vorgelegt wird, der in
seiner schließlichen Entscheidung gänzlich unabhängig davon ist. Er kann es
vollziehen, d. h. dem Offizier die vorgeschlagne Warnung oder den vorgeschlagnen
schlichten Abschied, oder was sonst vorgeschlagen ist, erteilen, oder er kann
es umstoßen und an dasselbe oder an ein andres Ehrengericht zu noch¬
maliger Verhandlung verweisen, oder er kann es mildern. Der Offizier steht
also an letzter Stelle unter der Kommandogewalt des Königs, was eine
Rechtsgarantie insofern bedeutet, als jeder Offizier von dieser Kommando gewalt
abhängt.

Die zahlreichen begründeten Gutachten, die sich an das ursprüngliche Er¬
kenntnis auf dem Wege zur Allerhöchsten Entscheidung anschließen, sind
mindestens ebenso wertvoll für den Angeschuldigten, wie das Urteil einer
Berufungsinstanz sein würde, das besonders in zweifelhaften Fällen den Ge¬
fahren einer Zufallsmehrheit ausgesetzt ist. Mit dem Vorwurf fehlender Rechts¬
garantien ist es also auch nichts. Es bleibt nun die Behauptung, die Offiziere
stimmten nur aus Furcht vor ihren Vorgesetzten im Sinne der angeblich
von ihnen selbst innerlich schon überwundnen veralteten Standesanschauungen.
Über einen solchen Vorwurf läßt sich überhaupt nicht diskutieren. Wer das
glaubt, mag es glauben, ihm ist nicht zu helfen. Das Offizierkorps muß sich
damit trösten, daß das deutsche Volk in der Mehrheit ihm doch so etwas nicht
zutraute >. ^ .'„^ ^v?/,^ - ^.^

Man kann nur zu dem Schlüsse kommen, daß die Ehrengerichte eine be¬
währte Einrichtung sind, an der man nicht rütteln sollte, bevor man etwas
unzweifelhaft besseres hat. Das hat aber von allen Kritikern bisher noch keiner
AZ. gebracht.




Weimar
in den Tagen des Erfurter Krstenkongresses ^808
Hans Jacobi
' von ,1

eimar liegt in der Mitte zwischen Jena und Erfurt. Am 14. Ok¬
tober 1806 hatte die Stadt den Kanonendonner der Jenaer
Schlacht gehört, am Abend Teile der geschlagner Armee und
die nachdrängenden Sieger, am Tage darauf den Imperator
! selbst gesehen. Wie die Heimstätte geistigen Lebens in der
klassischen Zeit Deutschlands, der stille Sitz der Musen mit einemmal vom
Kriegsgetümmel überflutet und in schwere Mitleidenschaft gezogen wurde, das
hat von Anfang an und jetzt wieder nach hundert Jahren die Teilnahme des
deutschen Volkes erregt. Zwei Jahre darauf, im Jahre 1808 nahten aufs


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[0572] Weimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses ^303 dem sämtliche Vorgesetzte des Truppenteils eingehend Stellung zu nehmen haben, und das mit allen diesen Zusätzen dem König vorgelegt wird, der in seiner schließlichen Entscheidung gänzlich unabhängig davon ist. Er kann es vollziehen, d. h. dem Offizier die vorgeschlagne Warnung oder den vorgeschlagnen schlichten Abschied, oder was sonst vorgeschlagen ist, erteilen, oder er kann es umstoßen und an dasselbe oder an ein andres Ehrengericht zu noch¬ maliger Verhandlung verweisen, oder er kann es mildern. Der Offizier steht also an letzter Stelle unter der Kommandogewalt des Königs, was eine Rechtsgarantie insofern bedeutet, als jeder Offizier von dieser Kommando gewalt abhängt. Die zahlreichen begründeten Gutachten, die sich an das ursprüngliche Er¬ kenntnis auf dem Wege zur Allerhöchsten Entscheidung anschließen, sind mindestens ebenso wertvoll für den Angeschuldigten, wie das Urteil einer Berufungsinstanz sein würde, das besonders in zweifelhaften Fällen den Ge¬ fahren einer Zufallsmehrheit ausgesetzt ist. Mit dem Vorwurf fehlender Rechts¬ garantien ist es also auch nichts. Es bleibt nun die Behauptung, die Offiziere stimmten nur aus Furcht vor ihren Vorgesetzten im Sinne der angeblich von ihnen selbst innerlich schon überwundnen veralteten Standesanschauungen. Über einen solchen Vorwurf läßt sich überhaupt nicht diskutieren. Wer das glaubt, mag es glauben, ihm ist nicht zu helfen. Das Offizierkorps muß sich damit trösten, daß das deutsche Volk in der Mehrheit ihm doch so etwas nicht zutraute >. ^ .'„^ ^v?/,^ - ^.^ Man kann nur zu dem Schlüsse kommen, daß die Ehrengerichte eine be¬ währte Einrichtung sind, an der man nicht rütteln sollte, bevor man etwas unzweifelhaft besseres hat. Das hat aber von allen Kritikern bisher noch keiner AZ. gebracht. Weimar in den Tagen des Erfurter Krstenkongresses ^808 Hans Jacobi ' von ,1 eimar liegt in der Mitte zwischen Jena und Erfurt. Am 14. Ok¬ tober 1806 hatte die Stadt den Kanonendonner der Jenaer Schlacht gehört, am Abend Teile der geschlagner Armee und die nachdrängenden Sieger, am Tage darauf den Imperator ! selbst gesehen. Wie die Heimstätte geistigen Lebens in der klassischen Zeit Deutschlands, der stille Sitz der Musen mit einemmal vom Kriegsgetümmel überflutet und in schwere Mitleidenschaft gezogen wurde, das hat von Anfang an und jetzt wieder nach hundert Jahren die Teilnahme des deutschen Volkes erregt. Zwei Jahre darauf, im Jahre 1808 nahten aufs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/572>, abgerufen am 03.05.2024.