Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aeimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses ^803,

neue gewichtige Schritte der Weltgeschichte, diesmal im Frieden und von der
andern Seite her, von Erfurt, wo der Fürstenkongreß tagte mit Napoleon
und Kaiser Alexander von Rußland an der Spitze. Und was zu Erfurt
geschah, klopfte wieder an die Mauern des kleinen, stillen Weimar, das für
die Politik jener Tage nicht von Bedeutung sein konnte, aber doch in ihr
Prunkhaftes und demütigendes Treiben, mit hineingezogen wurde. Was hat
Weimar damals erlebt, und wie hat es sich darin verhalten? Auf diese Fragen
versucht die folgende Schilderung Antwort zu geben, einen Ausschnitt aus
der Lokalgeschichte bietend, die für einige Tage dem Brennpunkt europäischer
Geschichte nahestand. ^

Also nicht die hohe Politik soll uns beschäftigen, bei der es für Napoleon
darauf ankam, sich aufs neue Rußlands zu versichern gegenüber England und
wenn möglich auch gegen das drohende Österreich, jedenfalls aber zunächst
zur Unterwerfung Spaniens freie Hand zu gewinnen -- für Rußland aber
um das Einverständnis Napoleons zur Ausdehnung seines Reiches auf Finn¬
land im Norden. Moldau und Walachei im Süden. Das sind die Punkte,
die schließlich in dem Vertrag vom 12. Oktober ausgemacht wurden. Dazu
war es Napoleon wichtig, sein Einvernehmen mit dem russischen Kaiser aller
Welt zu zeigen und angesichts der versammelten deutschen Könige und Fürsten
als der Beherrscher Deutschlands zu erscheinen. Er sorgte zunächst, daß der
König von Bayern komme., "Wenn einer erscheint, hatte er gesagt, werden,
sie alle kommen wollen." Und das hat er erreicht.

Aber blicken wir nun nach Weimar. Das Herzogtum war trotz der
Katastrophe von Jena erhalten geblieben. Auf den sehr erzürnten Sieger
hatte das tapfere und kluge Benehmen der Herzogin unverkennbar Eindruck
gemacht. Ihn bestimmte jedoch zumeist die Rücksicht auf deu russischen Kaiser,
den Bruder der Erbprinzeß Maria Paulowna. Dem kleinen Lande wurde
aber eine drückende Kriegskontribution von 2200000 Franken aufgebürdet,
und es mußte selbstverständlich in den Rheinbund eintreten. Der Herzog hatte
nach langem Zögern und Widerstreben endlich im Sommer 1807 in Dresden
Napoleon seine Aufwartung gemacht. In seinen Zivildienst nahm er den
ihm aus dem Feldzug bekannten preußischen Major von Müffling. der sich
Zuerst mit Wegebau beschäftigte. Der "Müffling", die Höhe bei der Rauschen¬
burg, heißt nach ihm, weil er die dortige Straße nach Berta gebaut hat. Es sei
aber, so schreibt Müffling in seinen Erinnerungen, des Herzogs geheimer
Plan gewesen. Weimar, den Zentralpunkt Deutschlands für Künste und Wissen¬
schaft.'nun anch zum Zentralpunkt der deutschen Freiheit zu machen, soweit
dies die Verhältnisse "gestatteten. Dabei war Müffling sein Vertrauter.
Freilich gebot ihm die Klugheit, dem mächtigen Zwingherrn ehrerbietig zu
begegnen. .

Den Hof zu Weimar bildeten im Oktober 1808 außer dem herzoglichen
Paar der Erbprinz Karl Friedrich und dessen Gemahlin, die aber zu jener
Zeit in Petersburg weilte, deren Tochter Marie, geboren um 3. Februar 1808,


Aeimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses ^803,

neue gewichtige Schritte der Weltgeschichte, diesmal im Frieden und von der
andern Seite her, von Erfurt, wo der Fürstenkongreß tagte mit Napoleon
und Kaiser Alexander von Rußland an der Spitze. Und was zu Erfurt
geschah, klopfte wieder an die Mauern des kleinen, stillen Weimar, das für
die Politik jener Tage nicht von Bedeutung sein konnte, aber doch in ihr
Prunkhaftes und demütigendes Treiben, mit hineingezogen wurde. Was hat
Weimar damals erlebt, und wie hat es sich darin verhalten? Auf diese Fragen
versucht die folgende Schilderung Antwort zu geben, einen Ausschnitt aus
der Lokalgeschichte bietend, die für einige Tage dem Brennpunkt europäischer
Geschichte nahestand. ^

Also nicht die hohe Politik soll uns beschäftigen, bei der es für Napoleon
darauf ankam, sich aufs neue Rußlands zu versichern gegenüber England und
wenn möglich auch gegen das drohende Österreich, jedenfalls aber zunächst
zur Unterwerfung Spaniens freie Hand zu gewinnen — für Rußland aber
um das Einverständnis Napoleons zur Ausdehnung seines Reiches auf Finn¬
land im Norden. Moldau und Walachei im Süden. Das sind die Punkte,
die schließlich in dem Vertrag vom 12. Oktober ausgemacht wurden. Dazu
war es Napoleon wichtig, sein Einvernehmen mit dem russischen Kaiser aller
Welt zu zeigen und angesichts der versammelten deutschen Könige und Fürsten
als der Beherrscher Deutschlands zu erscheinen. Er sorgte zunächst, daß der
König von Bayern komme., „Wenn einer erscheint, hatte er gesagt, werden,
sie alle kommen wollen." Und das hat er erreicht.

Aber blicken wir nun nach Weimar. Das Herzogtum war trotz der
Katastrophe von Jena erhalten geblieben. Auf den sehr erzürnten Sieger
hatte das tapfere und kluge Benehmen der Herzogin unverkennbar Eindruck
gemacht. Ihn bestimmte jedoch zumeist die Rücksicht auf deu russischen Kaiser,
den Bruder der Erbprinzeß Maria Paulowna. Dem kleinen Lande wurde
aber eine drückende Kriegskontribution von 2200000 Franken aufgebürdet,
und es mußte selbstverständlich in den Rheinbund eintreten. Der Herzog hatte
nach langem Zögern und Widerstreben endlich im Sommer 1807 in Dresden
Napoleon seine Aufwartung gemacht. In seinen Zivildienst nahm er den
ihm aus dem Feldzug bekannten preußischen Major von Müffling. der sich
Zuerst mit Wegebau beschäftigte. Der „Müffling", die Höhe bei der Rauschen¬
burg, heißt nach ihm, weil er die dortige Straße nach Berta gebaut hat. Es sei
aber, so schreibt Müffling in seinen Erinnerungen, des Herzogs geheimer
Plan gewesen. Weimar, den Zentralpunkt Deutschlands für Künste und Wissen¬
schaft.'nun anch zum Zentralpunkt der deutschen Freiheit zu machen, soweit
dies die Verhältnisse "gestatteten. Dabei war Müffling sein Vertrauter.
Freilich gebot ihm die Klugheit, dem mächtigen Zwingherrn ehrerbietig zu
begegnen. .

Den Hof zu Weimar bildeten im Oktober 1808 außer dem herzoglichen
Paar der Erbprinz Karl Friedrich und dessen Gemahlin, die aber zu jener
Zeit in Petersburg weilte, deren Tochter Marie, geboren um 3. Februar 1808,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/310984"/>
          <fw type="header" place="top"> Aeimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses ^803,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3014" prev="#ID_3013"> neue gewichtige Schritte der Weltgeschichte, diesmal im Frieden und von der<lb/>
andern Seite her, von Erfurt, wo der Fürstenkongreß tagte mit Napoleon<lb/>
und Kaiser Alexander von Rußland an der Spitze. Und was zu Erfurt<lb/>
geschah, klopfte wieder an die Mauern des kleinen, stillen Weimar, das für<lb/>
die Politik jener Tage nicht von Bedeutung sein konnte, aber doch in ihr<lb/>
Prunkhaftes und demütigendes Treiben, mit hineingezogen wurde. Was hat<lb/>
Weimar damals erlebt, und wie hat es sich darin verhalten? Auf diese Fragen<lb/>
versucht die folgende Schilderung Antwort zu geben, einen Ausschnitt aus<lb/>
der Lokalgeschichte bietend, die für einige Tage dem Brennpunkt europäischer<lb/>
Geschichte nahestand. ^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3015"> Also nicht die hohe Politik soll uns beschäftigen, bei der es für Napoleon<lb/>
darauf ankam, sich aufs neue Rußlands zu versichern gegenüber England und<lb/>
wenn möglich auch gegen das drohende Österreich, jedenfalls aber zunächst<lb/>
zur Unterwerfung Spaniens freie Hand zu gewinnen &#x2014; für Rußland aber<lb/>
um das Einverständnis Napoleons zur Ausdehnung seines Reiches auf Finn¬<lb/>
land im Norden. Moldau und Walachei im Süden. Das sind die Punkte,<lb/>
die schließlich in dem Vertrag vom 12. Oktober ausgemacht wurden. Dazu<lb/>
war es Napoleon wichtig, sein Einvernehmen mit dem russischen Kaiser aller<lb/>
Welt zu zeigen und angesichts der versammelten deutschen Könige und Fürsten<lb/>
als der Beherrscher Deutschlands zu erscheinen. Er sorgte zunächst, daß der<lb/>
König von Bayern komme., &#x201E;Wenn einer erscheint, hatte er gesagt, werden,<lb/>
sie alle kommen wollen."  Und das hat er erreicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3016"> Aber blicken wir nun nach Weimar. Das Herzogtum war trotz der<lb/>
Katastrophe von Jena erhalten geblieben. Auf den sehr erzürnten Sieger<lb/>
hatte das tapfere und kluge Benehmen der Herzogin unverkennbar Eindruck<lb/>
gemacht. Ihn bestimmte jedoch zumeist die Rücksicht auf deu russischen Kaiser,<lb/>
den Bruder der Erbprinzeß Maria Paulowna. Dem kleinen Lande wurde<lb/>
aber eine drückende Kriegskontribution von 2200000 Franken aufgebürdet,<lb/>
und es mußte selbstverständlich in den Rheinbund eintreten. Der Herzog hatte<lb/>
nach langem Zögern und Widerstreben endlich im Sommer 1807 in Dresden<lb/>
Napoleon seine Aufwartung gemacht. In seinen Zivildienst nahm er den<lb/>
ihm aus dem Feldzug bekannten preußischen Major von Müffling. der sich<lb/>
Zuerst mit Wegebau beschäftigte. Der &#x201E;Müffling", die Höhe bei der Rauschen¬<lb/>
burg, heißt nach ihm, weil er die dortige Straße nach Berta gebaut hat. Es sei<lb/>
aber, so schreibt Müffling in seinen Erinnerungen, des Herzogs geheimer<lb/>
Plan gewesen. Weimar, den Zentralpunkt Deutschlands für Künste und Wissen¬<lb/>
schaft.'nun anch zum Zentralpunkt der deutschen Freiheit zu machen, soweit<lb/>
dies die Verhältnisse "gestatteten. Dabei war Müffling sein Vertrauter.<lb/>
Freilich gebot ihm die Klugheit, dem mächtigen Zwingherrn ehrerbietig zu<lb/>
begegnen. .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3017" next="#ID_3018"> Den Hof zu Weimar bildeten im Oktober 1808 außer dem herzoglichen<lb/>
Paar der Erbprinz Karl Friedrich und dessen Gemahlin, die aber zu jener<lb/>
Zeit in Petersburg weilte, deren Tochter Marie, geboren um 3. Februar 1808,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0573] Aeimar in den Tagen des Erfurter Fürstenkongresses ^803, neue gewichtige Schritte der Weltgeschichte, diesmal im Frieden und von der andern Seite her, von Erfurt, wo der Fürstenkongreß tagte mit Napoleon und Kaiser Alexander von Rußland an der Spitze. Und was zu Erfurt geschah, klopfte wieder an die Mauern des kleinen, stillen Weimar, das für die Politik jener Tage nicht von Bedeutung sein konnte, aber doch in ihr Prunkhaftes und demütigendes Treiben, mit hineingezogen wurde. Was hat Weimar damals erlebt, und wie hat es sich darin verhalten? Auf diese Fragen versucht die folgende Schilderung Antwort zu geben, einen Ausschnitt aus der Lokalgeschichte bietend, die für einige Tage dem Brennpunkt europäischer Geschichte nahestand. ^ Also nicht die hohe Politik soll uns beschäftigen, bei der es für Napoleon darauf ankam, sich aufs neue Rußlands zu versichern gegenüber England und wenn möglich auch gegen das drohende Österreich, jedenfalls aber zunächst zur Unterwerfung Spaniens freie Hand zu gewinnen — für Rußland aber um das Einverständnis Napoleons zur Ausdehnung seines Reiches auf Finn¬ land im Norden. Moldau und Walachei im Süden. Das sind die Punkte, die schließlich in dem Vertrag vom 12. Oktober ausgemacht wurden. Dazu war es Napoleon wichtig, sein Einvernehmen mit dem russischen Kaiser aller Welt zu zeigen und angesichts der versammelten deutschen Könige und Fürsten als der Beherrscher Deutschlands zu erscheinen. Er sorgte zunächst, daß der König von Bayern komme., „Wenn einer erscheint, hatte er gesagt, werden, sie alle kommen wollen." Und das hat er erreicht. Aber blicken wir nun nach Weimar. Das Herzogtum war trotz der Katastrophe von Jena erhalten geblieben. Auf den sehr erzürnten Sieger hatte das tapfere und kluge Benehmen der Herzogin unverkennbar Eindruck gemacht. Ihn bestimmte jedoch zumeist die Rücksicht auf deu russischen Kaiser, den Bruder der Erbprinzeß Maria Paulowna. Dem kleinen Lande wurde aber eine drückende Kriegskontribution von 2200000 Franken aufgebürdet, und es mußte selbstverständlich in den Rheinbund eintreten. Der Herzog hatte nach langem Zögern und Widerstreben endlich im Sommer 1807 in Dresden Napoleon seine Aufwartung gemacht. In seinen Zivildienst nahm er den ihm aus dem Feldzug bekannten preußischen Major von Müffling. der sich Zuerst mit Wegebau beschäftigte. Der „Müffling", die Höhe bei der Rauschen¬ burg, heißt nach ihm, weil er die dortige Straße nach Berta gebaut hat. Es sei aber, so schreibt Müffling in seinen Erinnerungen, des Herzogs geheimer Plan gewesen. Weimar, den Zentralpunkt Deutschlands für Künste und Wissen¬ schaft.'nun anch zum Zentralpunkt der deutschen Freiheit zu machen, soweit dies die Verhältnisse "gestatteten. Dabei war Müffling sein Vertrauter. Freilich gebot ihm die Klugheit, dem mächtigen Zwingherrn ehrerbietig zu begegnen. . Den Hof zu Weimar bildeten im Oktober 1808 außer dem herzoglichen Paar der Erbprinz Karl Friedrich und dessen Gemahlin, die aber zu jener Zeit in Petersburg weilte, deren Tochter Marie, geboren um 3. Februar 1808,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/573
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/573>, abgerufen am 21.05.2024.