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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie
im Dienste des Küstenrettungswesens
Gin Beitrag zu ihrer Geschichte von Ludwig Uemmer
^. Die ^. (preußische) Brigade als Rettungsartillerie an der Bernsteinküste

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i^ö^^in Jahre 1656 schärfte der Große Kurfürst durch ein Schreiben an
den Gouverneur von Pillau den Küstengarnisonen die Beobachtung
seiner Strandordnung vom Jahre 1644 ein, die "bey Leibesstraffe"
gebot, "daß kein Officirer noch Soldat sich am Strande bey ge¬
strandeten Güttern finden lassen noch derselben anmassen sollen".
Sein uno xsrxewu8 war dem mi1o3 msroennMus des Dreißigjährigen Krieges
doch noch nah verwandt. Soldaten der Garnison Pillau hatten gestrandete
Schiffe zerhauen, und ihre Offiziere hatten sie nicht daran gehindert. Aber der
oberste Kriegsherr war wach.

Fast hundertunddreißig Jahre später, im Jahre 1784 führte der Kolberger
Tuchmacher Ehrgott Friedrich Seba-fer seine Idee, durch em Geschoß das eme Leine
schleppte, vom Strande aus die Verbindung mit gestrandeten Schaffen herzustellen.
Artillerieoffizieren Friedrichs des Großen vor. Die Herren erkannten die Mutter
der Idee, die Humanität, an. aber der Vater und sein Kind fanden bei ihnen kein
Wohlwollen. Sie brachten dem Verfahren nur so viel Teilnahme entgegen, als
ihr Pflichtgefühl und der Befehl des Königs erzWangen, und waren rasch mit
ihrem Urteil fertig. Von den Kolberger Garnisonartillerieoffizieren bis zu dem
Generalmajor von Holtzendorff und seinem Stäbe fanden alle das Experiment
..bey der Strandung derer Schiffe gar nicht xraowavel". Was der Erfinder
zu leiden hatte, habe ich im 24. Heft des Jahrgangs 1903 der Grenzboten
erzählt. Seine Enttäuschung war schwer, und nur mit knapper Not entging er
einer Bestrafung, als er sich nicht mit dem Urteil der Kolberger Artillerieoffiziere
zufriedcngab. sondern in der Berliner Presse für sein Verfahren Stimmung zu
machen suchte. Kein Wunder, daß die Idee in Preußen noch vor ihrem gekränkten
Vater starb. Nur wenig Jahrzehnte zu früh war sie geboren, ihre Zeit war
noch nicht gekommen, aber sie kam bald. Den Erfolg, der der deutschen Erfindung
versagt war, erntete ihre gleichaltrige englische Schwester.

Fast um dieselbe Zeit, als der Kolberger Tuchmacher auf ein Mittel sann,
den Schiffbrüchigen über die Wogenkluft Hilfe zu bringen, machte ein junger
Engländer Versuche mit Schleppgeschossen, und eines Tages schoß er mit einem
kleinen Mörser eine Leine über das Dach der Kirche zu Downham Market in




Die preußische Artillerie
im Dienste des Küstenrettungswesens
Gin Beitrag zu ihrer Geschichte von Ludwig Uemmer
^. Die ^. (preußische) Brigade als Rettungsartillerie an der Bernsteinküste

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i^ö^^in Jahre 1656 schärfte der Große Kurfürst durch ein Schreiben an
den Gouverneur von Pillau den Küstengarnisonen die Beobachtung
seiner Strandordnung vom Jahre 1644 ein, die „bey Leibesstraffe"
gebot, „daß kein Officirer noch Soldat sich am Strande bey ge¬
strandeten Güttern finden lassen noch derselben anmassen sollen".
Sein uno xsrxewu8 war dem mi1o3 msroennMus des Dreißigjährigen Krieges
doch noch nah verwandt. Soldaten der Garnison Pillau hatten gestrandete
Schiffe zerhauen, und ihre Offiziere hatten sie nicht daran gehindert. Aber der
oberste Kriegsherr war wach.

Fast hundertunddreißig Jahre später, im Jahre 1784 führte der Kolberger
Tuchmacher Ehrgott Friedrich Seba-fer seine Idee, durch em Geschoß das eme Leine
schleppte, vom Strande aus die Verbindung mit gestrandeten Schaffen herzustellen.
Artillerieoffizieren Friedrichs des Großen vor. Die Herren erkannten die Mutter
der Idee, die Humanität, an. aber der Vater und sein Kind fanden bei ihnen kein
Wohlwollen. Sie brachten dem Verfahren nur so viel Teilnahme entgegen, als
ihr Pflichtgefühl und der Befehl des Königs erzWangen, und waren rasch mit
ihrem Urteil fertig. Von den Kolberger Garnisonartillerieoffizieren bis zu dem
Generalmajor von Holtzendorff und seinem Stäbe fanden alle das Experiment
..bey der Strandung derer Schiffe gar nicht xraowavel". Was der Erfinder
zu leiden hatte, habe ich im 24. Heft des Jahrgangs 1903 der Grenzboten
erzählt. Seine Enttäuschung war schwer, und nur mit knapper Not entging er
einer Bestrafung, als er sich nicht mit dem Urteil der Kolberger Artillerieoffiziere
zufriedcngab. sondern in der Berliner Presse für sein Verfahren Stimmung zu
machen suchte. Kein Wunder, daß die Idee in Preußen noch vor ihrem gekränkten
Vater starb. Nur wenig Jahrzehnte zu früh war sie geboren, ihre Zeit war
noch nicht gekommen, aber sie kam bald. Den Erfolg, der der deutschen Erfindung
versagt war, erntete ihre gleichaltrige englische Schwester.

Fast um dieselbe Zeit, als der Kolberger Tuchmacher auf ein Mittel sann,
den Schiffbrüchigen über die Wogenkluft Hilfe zu bringen, machte ein junger
Engländer Versuche mit Schleppgeschossen, und eines Tages schoß er mit einem
kleinen Mörser eine Leine über das Dach der Kirche zu Downham Market in


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[0123] [Abbildung] Die preußische Artillerie im Dienste des Küstenrettungswesens Gin Beitrag zu ihrer Geschichte von Ludwig Uemmer ^. Die ^. (preußische) Brigade als Rettungsartillerie an der Bernsteinküste »^?^!i^«<. i^ö^^in Jahre 1656 schärfte der Große Kurfürst durch ein Schreiben an den Gouverneur von Pillau den Küstengarnisonen die Beobachtung seiner Strandordnung vom Jahre 1644 ein, die „bey Leibesstraffe" gebot, „daß kein Officirer noch Soldat sich am Strande bey ge¬ strandeten Güttern finden lassen noch derselben anmassen sollen". Sein uno xsrxewu8 war dem mi1o3 msroennMus des Dreißigjährigen Krieges doch noch nah verwandt. Soldaten der Garnison Pillau hatten gestrandete Schiffe zerhauen, und ihre Offiziere hatten sie nicht daran gehindert. Aber der oberste Kriegsherr war wach. Fast hundertunddreißig Jahre später, im Jahre 1784 führte der Kolberger Tuchmacher Ehrgott Friedrich Seba-fer seine Idee, durch em Geschoß das eme Leine schleppte, vom Strande aus die Verbindung mit gestrandeten Schaffen herzustellen. Artillerieoffizieren Friedrichs des Großen vor. Die Herren erkannten die Mutter der Idee, die Humanität, an. aber der Vater und sein Kind fanden bei ihnen kein Wohlwollen. Sie brachten dem Verfahren nur so viel Teilnahme entgegen, als ihr Pflichtgefühl und der Befehl des Königs erzWangen, und waren rasch mit ihrem Urteil fertig. Von den Kolberger Garnisonartillerieoffizieren bis zu dem Generalmajor von Holtzendorff und seinem Stäbe fanden alle das Experiment ..bey der Strandung derer Schiffe gar nicht xraowavel". Was der Erfinder zu leiden hatte, habe ich im 24. Heft des Jahrgangs 1903 der Grenzboten erzählt. Seine Enttäuschung war schwer, und nur mit knapper Not entging er einer Bestrafung, als er sich nicht mit dem Urteil der Kolberger Artillerieoffiziere zufriedcngab. sondern in der Berliner Presse für sein Verfahren Stimmung zu machen suchte. Kein Wunder, daß die Idee in Preußen noch vor ihrem gekränkten Vater starb. Nur wenig Jahrzehnte zu früh war sie geboren, ihre Zeit war noch nicht gekommen, aber sie kam bald. Den Erfolg, der der deutschen Erfindung versagt war, erntete ihre gleichaltrige englische Schwester. Fast um dieselbe Zeit, als der Kolberger Tuchmacher auf ein Mittel sann, den Schiffbrüchigen über die Wogenkluft Hilfe zu bringen, machte ein junger Engländer Versuche mit Schleppgeschossen, und eines Tages schoß er mit einem kleinen Mörser eine Leine über das Dach der Kirche zu Downham Market in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/123>, abgerufen am 01.05.2024.