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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Das gesellige Leben bei den Griechen

manchem die Rente, die es in Gestalt geretteter Schiffbrüchigen trug, gering
erscheinen.

Ungefähr zwanzig Jahre bestanden die von Trost an der preußischen und
mecklenburgischen Küste errichteten Stationen. Dann wurden sie durch die
Boot- und Raketenstationen des Neuvorpommerschen Vereins zur Rettung
Schiffbrüchiger abgelöst. In dieser langen Zeit wurde nur die Besatzung des
Preußischen Schiffes Ceres durch den Mörserapparat der mecklenburgischen
Station Wustrow gerettet. Wie stark die Besatzung war, konnte ich nicht er¬
fahren. Diese Rente an Menschenleben erscheint auch dann gering, wenn man
vor der Zahl geretteter Menschenleben ein nur überhaupt nicht gelten läßt.
Aber in diesen Einrichtungen steckte viel mehr ethisches Kapital als materielles.
Dieses Kapital war an der preußischen Küste von den Tagen Schaefers und
Nettelbecks bis zu dem Auftreten Trosts im Dienste des Rettungswesens nie
gespart worden, aber der preußische Offizier, der die Nettungseinrichtungen an
den Küsten der Heimat Kosegartens und Arndts organisierte, hat eine besonders
große, deutlich abgrenzbare Summe von Menschenliebe und Hilfsbereitschaft
beigesteuert. Ich habe diese Summe abgegrenzt. Sie wirft heute eine reiche
Rente ab. Einst lag auf jenen Gestaden der schwere Schatten der bösen Sage
vom Strandsegen. Heute bestehn dort neun Doppelstationen, vier Raketen¬
stationen und vier Bootstationen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff¬
brüchiger. Im Jahre 1906 auf 1907 wurden in diesem ehemaligen Arbeits¬
gebiete Trosts durch die Stationen Wustrow, Barhöst und Rüden siebzehn
Menschenleben gerettet. Diesem Fortschritt hat Trost den Weg gebahnt.

Er war ein Romantiker, Fouque und Eichendorff nicht an dichterischer
Begabung, aber im Empfinden verwandt. Das Kapital, das er an der Küste
von Rügen und Vorpommern aufwandte, war Gold von dem lautern Golde,
womit der Idealismus des preußischen Offiziers auf den Schlachtfeldern weit
über die Pflicht hinaus seine großen Liturgien geleistet hat.




Das gesellige Leben bei den Griechen
Arthur preuß von

er Grieche war von Natur ein geselliges Menschenkind, zum
Plaudern geneigt und mitteilsam, wie die Kinder des Südens
noch heute. Was im Staate vorging, interessierte ihn lebhaft, der
Mensch als solcher und seine Erlebnisse gingen ihn schließlich
doch noch mehr an als das tote Material, mit dem die Stadt
geschmückt war, wie Solon im "Armcharsis" des Lukian sagt: "unter Stadt ver¬
stehen wir nicht Häuser oder Mauern oder Heiligtümer oder Schiffswerften,
sondern das Wichtigste sind für uns die Bürger. Diese sinds, die alles erfüllen


Das gesellige Leben bei den Griechen

manchem die Rente, die es in Gestalt geretteter Schiffbrüchigen trug, gering
erscheinen.

Ungefähr zwanzig Jahre bestanden die von Trost an der preußischen und
mecklenburgischen Küste errichteten Stationen. Dann wurden sie durch die
Boot- und Raketenstationen des Neuvorpommerschen Vereins zur Rettung
Schiffbrüchiger abgelöst. In dieser langen Zeit wurde nur die Besatzung des
Preußischen Schiffes Ceres durch den Mörserapparat der mecklenburgischen
Station Wustrow gerettet. Wie stark die Besatzung war, konnte ich nicht er¬
fahren. Diese Rente an Menschenleben erscheint auch dann gering, wenn man
vor der Zahl geretteter Menschenleben ein nur überhaupt nicht gelten läßt.
Aber in diesen Einrichtungen steckte viel mehr ethisches Kapital als materielles.
Dieses Kapital war an der preußischen Küste von den Tagen Schaefers und
Nettelbecks bis zu dem Auftreten Trosts im Dienste des Rettungswesens nie
gespart worden, aber der preußische Offizier, der die Nettungseinrichtungen an
den Küsten der Heimat Kosegartens und Arndts organisierte, hat eine besonders
große, deutlich abgrenzbare Summe von Menschenliebe und Hilfsbereitschaft
beigesteuert. Ich habe diese Summe abgegrenzt. Sie wirft heute eine reiche
Rente ab. Einst lag auf jenen Gestaden der schwere Schatten der bösen Sage
vom Strandsegen. Heute bestehn dort neun Doppelstationen, vier Raketen¬
stationen und vier Bootstationen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff¬
brüchiger. Im Jahre 1906 auf 1907 wurden in diesem ehemaligen Arbeits¬
gebiete Trosts durch die Stationen Wustrow, Barhöst und Rüden siebzehn
Menschenleben gerettet. Diesem Fortschritt hat Trost den Weg gebahnt.

Er war ein Romantiker, Fouque und Eichendorff nicht an dichterischer
Begabung, aber im Empfinden verwandt. Das Kapital, das er an der Küste
von Rügen und Vorpommern aufwandte, war Gold von dem lautern Golde,
womit der Idealismus des preußischen Offiziers auf den Schlachtfeldern weit
über die Pflicht hinaus seine großen Liturgien geleistet hat.




Das gesellige Leben bei den Griechen
Arthur preuß von

er Grieche war von Natur ein geselliges Menschenkind, zum
Plaudern geneigt und mitteilsam, wie die Kinder des Südens
noch heute. Was im Staate vorging, interessierte ihn lebhaft, der
Mensch als solcher und seine Erlebnisse gingen ihn schließlich
doch noch mehr an als das tote Material, mit dem die Stadt
geschmückt war, wie Solon im „Armcharsis" des Lukian sagt: „unter Stadt ver¬
stehen wir nicht Häuser oder Mauern oder Heiligtümer oder Schiffswerften,
sondern das Wichtigste sind für uns die Bürger. Diese sinds, die alles erfüllen


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[0471] Das gesellige Leben bei den Griechen manchem die Rente, die es in Gestalt geretteter Schiffbrüchigen trug, gering erscheinen. Ungefähr zwanzig Jahre bestanden die von Trost an der preußischen und mecklenburgischen Küste errichteten Stationen. Dann wurden sie durch die Boot- und Raketenstationen des Neuvorpommerschen Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger abgelöst. In dieser langen Zeit wurde nur die Besatzung des Preußischen Schiffes Ceres durch den Mörserapparat der mecklenburgischen Station Wustrow gerettet. Wie stark die Besatzung war, konnte ich nicht er¬ fahren. Diese Rente an Menschenleben erscheint auch dann gering, wenn man vor der Zahl geretteter Menschenleben ein nur überhaupt nicht gelten läßt. Aber in diesen Einrichtungen steckte viel mehr ethisches Kapital als materielles. Dieses Kapital war an der preußischen Küste von den Tagen Schaefers und Nettelbecks bis zu dem Auftreten Trosts im Dienste des Rettungswesens nie gespart worden, aber der preußische Offizier, der die Nettungseinrichtungen an den Küsten der Heimat Kosegartens und Arndts organisierte, hat eine besonders große, deutlich abgrenzbare Summe von Menschenliebe und Hilfsbereitschaft beigesteuert. Ich habe diese Summe abgegrenzt. Sie wirft heute eine reiche Rente ab. Einst lag auf jenen Gestaden der schwere Schatten der bösen Sage vom Strandsegen. Heute bestehn dort neun Doppelstationen, vier Raketen¬ stationen und vier Bootstationen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff¬ brüchiger. Im Jahre 1906 auf 1907 wurden in diesem ehemaligen Arbeits¬ gebiete Trosts durch die Stationen Wustrow, Barhöst und Rüden siebzehn Menschenleben gerettet. Diesem Fortschritt hat Trost den Weg gebahnt. Er war ein Romantiker, Fouque und Eichendorff nicht an dichterischer Begabung, aber im Empfinden verwandt. Das Kapital, das er an der Küste von Rügen und Vorpommern aufwandte, war Gold von dem lautern Golde, womit der Idealismus des preußischen Offiziers auf den Schlachtfeldern weit über die Pflicht hinaus seine großen Liturgien geleistet hat. Das gesellige Leben bei den Griechen Arthur preuß von er Grieche war von Natur ein geselliges Menschenkind, zum Plaudern geneigt und mitteilsam, wie die Kinder des Südens noch heute. Was im Staate vorging, interessierte ihn lebhaft, der Mensch als solcher und seine Erlebnisse gingen ihn schließlich doch noch mehr an als das tote Material, mit dem die Stadt geschmückt war, wie Solon im „Armcharsis" des Lukian sagt: „unter Stadt ver¬ stehen wir nicht Häuser oder Mauern oder Heiligtümer oder Schiffswerften, sondern das Wichtigste sind für uns die Bürger. Diese sinds, die alles erfüllen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/471>, abgerufen am 01.05.2024.