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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Johann vom Ureuz

Kehle ging, änderten sie den Titel und nannten den Bund mit furchtbarem
Witze: den Verein der Todeskandidaten. Erfreulicher sind andre Vereine, die
nur dem Vergnügen dienen, aber einem edeln Vergnügen, die Turnvereine mit
Vorturnern oder die Jagdvereine. Auch die harmlosen Vergnügungsvereiue vou
Oxyrhynchos gehören hierher, von deren Mahlzeiten eine Papyrusrechnung be¬
richtet: Essen zu Ehren des Kalatytis. Ein Hexachus Wein 2000 Drachmen,
sechs Diners zu 190 Drachmen, macht zusammen 2190 Drachmen, worauf
die Namen der Teilnehmer folgen.

So nähern wir uns denn immer mehr dem privaten Vereine, der Gesell¬
schaft, deren ausführlichere Besprechung hier zu weit führen würde.

Wir haben so die Griechen durch ihr geselliges Leben und ihre Vereine
begleitet, von der frommen Kultgenossenschaft zum praktischen Berufsverein und
von da zum Vergnügen. Freilich, in manchen Stücken haben wir es herrlich
weit gebracht, wie zum Beispiel im Versicherungswesen, aber in der Poesie und
künstlerischen Gestaltung des Vereinswesens können auch wir großen modernen
Übermenschen von jener fröhlichen, seligen Künstlergeineindc viel lernen!




Johann vom Kreuz

tuam de Aepes wurde 1542 zu Fontiveros in Kastilien geboren.
Sein Vater Gonzalez war wegen Eingehung einer unebenbürtiger
Ehe von seiner vornehmen Familie verstoßen worden und mußte
sich und die Seinen als Weber ernähren. Beide Eltern waren
! sehr fromm, und der kleine Juan wußte bald von Erscheinungen
und wunderbaren Lebensrettungen zu berichten. Als er einmal in einen
schlammigen Teich gefallen war, reichte ihm eine Dame, in der er die heilige
Jungfrau sah, ihre weiße Hand, die er mit seinen schmutzigen Fingern anzu¬
fassen sich scheute, und hielt ihn so lange fest, bis ein Mann zu Hilfe kam,
der ihn vollends herauszog. Der Vater starb jung, und die Mutter siedelte
nach Medina del Campo über. Zwölfjährig sollte er ein Handwerk lernen.
Man versuchte es mit mehreren, er erwies sich jedoch zu keinem geschickt.
Dagegen war der Vorsteher des Krankenhauses, dem er sich als Helfer anbot,
sehr zufrieden mit ihm, und da er Talent in dem Knaben entdeckte, schickte er
ihn zu deu Jesuiten der Stadt in die Schule, um ihn nach Absolvierung seines
Studiums weihen zu lassen und als Hausgeistlichen anzustellen. Johannes trat
jedoch in den Karmeliterorden ein, weil ihm offenbart worden war, daß er
diesen reformieren solle. Er tat dies, wie schon mitgeteilt worden ist, im Verein
mit Teresa. Von seinem Aufenthalt in Avila wissen seine Biographen Wunder¬
dinge zu erzählen, Er hatte oft Verzückungen und wurde manchmal, im


Johann vom Ureuz

Kehle ging, änderten sie den Titel und nannten den Bund mit furchtbarem
Witze: den Verein der Todeskandidaten. Erfreulicher sind andre Vereine, die
nur dem Vergnügen dienen, aber einem edeln Vergnügen, die Turnvereine mit
Vorturnern oder die Jagdvereine. Auch die harmlosen Vergnügungsvereiue vou
Oxyrhynchos gehören hierher, von deren Mahlzeiten eine Papyrusrechnung be¬
richtet: Essen zu Ehren des Kalatytis. Ein Hexachus Wein 2000 Drachmen,
sechs Diners zu 190 Drachmen, macht zusammen 2190 Drachmen, worauf
die Namen der Teilnehmer folgen.

So nähern wir uns denn immer mehr dem privaten Vereine, der Gesell¬
schaft, deren ausführlichere Besprechung hier zu weit führen würde.

Wir haben so die Griechen durch ihr geselliges Leben und ihre Vereine
begleitet, von der frommen Kultgenossenschaft zum praktischen Berufsverein und
von da zum Vergnügen. Freilich, in manchen Stücken haben wir es herrlich
weit gebracht, wie zum Beispiel im Versicherungswesen, aber in der Poesie und
künstlerischen Gestaltung des Vereinswesens können auch wir großen modernen
Übermenschen von jener fröhlichen, seligen Künstlergeineindc viel lernen!




Johann vom Kreuz

tuam de Aepes wurde 1542 zu Fontiveros in Kastilien geboren.
Sein Vater Gonzalez war wegen Eingehung einer unebenbürtiger
Ehe von seiner vornehmen Familie verstoßen worden und mußte
sich und die Seinen als Weber ernähren. Beide Eltern waren
! sehr fromm, und der kleine Juan wußte bald von Erscheinungen
und wunderbaren Lebensrettungen zu berichten. Als er einmal in einen
schlammigen Teich gefallen war, reichte ihm eine Dame, in der er die heilige
Jungfrau sah, ihre weiße Hand, die er mit seinen schmutzigen Fingern anzu¬
fassen sich scheute, und hielt ihn so lange fest, bis ein Mann zu Hilfe kam,
der ihn vollends herauszog. Der Vater starb jung, und die Mutter siedelte
nach Medina del Campo über. Zwölfjährig sollte er ein Handwerk lernen.
Man versuchte es mit mehreren, er erwies sich jedoch zu keinem geschickt.
Dagegen war der Vorsteher des Krankenhauses, dem er sich als Helfer anbot,
sehr zufrieden mit ihm, und da er Talent in dem Knaben entdeckte, schickte er
ihn zu deu Jesuiten der Stadt in die Schule, um ihn nach Absolvierung seines
Studiums weihen zu lassen und als Hausgeistlichen anzustellen. Johannes trat
jedoch in den Karmeliterorden ein, weil ihm offenbart worden war, daß er
diesen reformieren solle. Er tat dies, wie schon mitgeteilt worden ist, im Verein
mit Teresa. Von seinem Aufenthalt in Avila wissen seine Biographen Wunder¬
dinge zu erzählen, Er hatte oft Verzückungen und wurde manchmal, im


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[0478] Johann vom Ureuz Kehle ging, änderten sie den Titel und nannten den Bund mit furchtbarem Witze: den Verein der Todeskandidaten. Erfreulicher sind andre Vereine, die nur dem Vergnügen dienen, aber einem edeln Vergnügen, die Turnvereine mit Vorturnern oder die Jagdvereine. Auch die harmlosen Vergnügungsvereiue vou Oxyrhynchos gehören hierher, von deren Mahlzeiten eine Papyrusrechnung be¬ richtet: Essen zu Ehren des Kalatytis. Ein Hexachus Wein 2000 Drachmen, sechs Diners zu 190 Drachmen, macht zusammen 2190 Drachmen, worauf die Namen der Teilnehmer folgen. So nähern wir uns denn immer mehr dem privaten Vereine, der Gesell¬ schaft, deren ausführlichere Besprechung hier zu weit führen würde. Wir haben so die Griechen durch ihr geselliges Leben und ihre Vereine begleitet, von der frommen Kultgenossenschaft zum praktischen Berufsverein und von da zum Vergnügen. Freilich, in manchen Stücken haben wir es herrlich weit gebracht, wie zum Beispiel im Versicherungswesen, aber in der Poesie und künstlerischen Gestaltung des Vereinswesens können auch wir großen modernen Übermenschen von jener fröhlichen, seligen Künstlergeineindc viel lernen! Johann vom Kreuz tuam de Aepes wurde 1542 zu Fontiveros in Kastilien geboren. Sein Vater Gonzalez war wegen Eingehung einer unebenbürtiger Ehe von seiner vornehmen Familie verstoßen worden und mußte sich und die Seinen als Weber ernähren. Beide Eltern waren ! sehr fromm, und der kleine Juan wußte bald von Erscheinungen und wunderbaren Lebensrettungen zu berichten. Als er einmal in einen schlammigen Teich gefallen war, reichte ihm eine Dame, in der er die heilige Jungfrau sah, ihre weiße Hand, die er mit seinen schmutzigen Fingern anzu¬ fassen sich scheute, und hielt ihn so lange fest, bis ein Mann zu Hilfe kam, der ihn vollends herauszog. Der Vater starb jung, und die Mutter siedelte nach Medina del Campo über. Zwölfjährig sollte er ein Handwerk lernen. Man versuchte es mit mehreren, er erwies sich jedoch zu keinem geschickt. Dagegen war der Vorsteher des Krankenhauses, dem er sich als Helfer anbot, sehr zufrieden mit ihm, und da er Talent in dem Knaben entdeckte, schickte er ihn zu deu Jesuiten der Stadt in die Schule, um ihn nach Absolvierung seines Studiums weihen zu lassen und als Hausgeistlichen anzustellen. Johannes trat jedoch in den Karmeliterorden ein, weil ihm offenbart worden war, daß er diesen reformieren solle. Er tat dies, wie schon mitgeteilt worden ist, im Verein mit Teresa. Von seinem Aufenthalt in Avila wissen seine Biographen Wunder¬ dinge zu erzählen, Er hatte oft Verzückungen und wurde manchmal, im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/478>, abgerufen am 01.05.2024.