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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Blücher und Greisen""

Überhaupt zurückzuführen sein: aber der Mangel an Gemeinsinn tritt fast
ebenso stark bei der Beteiligung an den kommunalen Angelegenheiten zutage,
trotzdem da in allererster Linie über den eignen Geldbeutel der Wähler ver¬
fügt wird. In neuerer Zeit erst, seitdem die Sozialdemokraten ihre Leute in
die städtischen Körperschaften hineinzubringen bestrebt sind, regt sich in der
Bürgerschaft selbst das Gewissen etwas mehr, und es ist dann meist auch
leicht genug, Stimmen für bürgerlich und national gesinnte Männer zu be¬
kommen. Daß es bei den Wahlen zum Reichstage nicht anders ist, hat ja
die letzte Aufmunterung in den Dezembertagen 1906 deutlich gezeigt.

Es fehlt bei uns -- das sollte hier einmal kurz zum Ausdruck gebracht
werden -- an der rechten Freudigkeit für die allgemeinen öffentlichen An¬
gelegenheiten des gesamten Volkes. An Männern selbst, die zur Betätigung
auf diesen Gebieten berufen sind, ist kein Mangel: nach einer von maßgebender
Seite veranlaßten Aufstellung enthielten zum Beispiel die berichtigten deutschen
Urlisten für Schöffen und Geschworne im Jahre 1904 zusammen mit Aus¬
nahme des Landgerichtsbezirks Bremen 5552514 Personen; die Zahl der er¬
wählten Hauptschöffen belief sich auf 48238, die der Hilfsschöffen auf 18271,
und in der Vorschlagsliste der Geschwornen waren 80566 Personen ver¬
zeichnet.*) Für beide Gerichte aber werden im Jahre zusammen etwa
45000 bis 50000 Laienrichter gebraucht; es ergibt sich also, daß das Volks-
richtertum sehr wohl noch einer Ausdehnung fähig ist, auch wenn man für
die angeführten Sondergcrichte ebensoviel Personen rechnen will. Von den
51/2 Millionen an sich zum Gerichtsdienst fähigen deutsche" Reichsangehörigen
werden dann immer erst höchstens 100000 in einem Jahre tätig sein, sei es
an ordentlichen oder Sondergerichten als Schöffen, Geschworne oder Beisitzer.
Die Belastung für den einzelnen ist mithin nicht unerträglich und muß in
Kauf genommen werden, wenn dadurch die Rechtsprechung gehoben wird.


R. Krieg


Blücher und Gneisenau

> em ersten Bande seiner Blücherbiographie**) hat Generalleutnant
von Unger den zweiten (Schluß-)Band in kurzer Frist***) folgen
lassen. Er umfaßt den Zeitraum von: Jahre 1812 bis zum Tode
des Helden im Jahre 1819 und ist in gleicher Weise wie der erste
!Band reich und gediegen von der Verlagsbuchhandlung ausge¬
stattet worden. Vermochten wir an der Hand des ersten Bandes die stufen¬
weise Entwicklung Blüchers als Truppenführer zu verfolgen, so gilt der zweite





Deutsche Juristen-Zeitung 190S, Ur. 7.
") Vgl. den Aufsatz "Eine neue Blücherbiographie" in Ur. 33 der Grenzboten 1907.
Berlin, E. S. Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1908.
Blücher und Greisen«»

Überhaupt zurückzuführen sein: aber der Mangel an Gemeinsinn tritt fast
ebenso stark bei der Beteiligung an den kommunalen Angelegenheiten zutage,
trotzdem da in allererster Linie über den eignen Geldbeutel der Wähler ver¬
fügt wird. In neuerer Zeit erst, seitdem die Sozialdemokraten ihre Leute in
die städtischen Körperschaften hineinzubringen bestrebt sind, regt sich in der
Bürgerschaft selbst das Gewissen etwas mehr, und es ist dann meist auch
leicht genug, Stimmen für bürgerlich und national gesinnte Männer zu be¬
kommen. Daß es bei den Wahlen zum Reichstage nicht anders ist, hat ja
die letzte Aufmunterung in den Dezembertagen 1906 deutlich gezeigt.

Es fehlt bei uns — das sollte hier einmal kurz zum Ausdruck gebracht
werden — an der rechten Freudigkeit für die allgemeinen öffentlichen An¬
gelegenheiten des gesamten Volkes. An Männern selbst, die zur Betätigung
auf diesen Gebieten berufen sind, ist kein Mangel: nach einer von maßgebender
Seite veranlaßten Aufstellung enthielten zum Beispiel die berichtigten deutschen
Urlisten für Schöffen und Geschworne im Jahre 1904 zusammen mit Aus¬
nahme des Landgerichtsbezirks Bremen 5552514 Personen; die Zahl der er¬
wählten Hauptschöffen belief sich auf 48238, die der Hilfsschöffen auf 18271,
und in der Vorschlagsliste der Geschwornen waren 80566 Personen ver¬
zeichnet.*) Für beide Gerichte aber werden im Jahre zusammen etwa
45000 bis 50000 Laienrichter gebraucht; es ergibt sich also, daß das Volks-
richtertum sehr wohl noch einer Ausdehnung fähig ist, auch wenn man für
die angeführten Sondergcrichte ebensoviel Personen rechnen will. Von den
51/2 Millionen an sich zum Gerichtsdienst fähigen deutsche» Reichsangehörigen
werden dann immer erst höchstens 100000 in einem Jahre tätig sein, sei es
an ordentlichen oder Sondergerichten als Schöffen, Geschworne oder Beisitzer.
Die Belastung für den einzelnen ist mithin nicht unerträglich und muß in
Kauf genommen werden, wenn dadurch die Rechtsprechung gehoben wird.


R. Krieg


Blücher und Gneisenau

> em ersten Bande seiner Blücherbiographie**) hat Generalleutnant
von Unger den zweiten (Schluß-)Band in kurzer Frist***) folgen
lassen. Er umfaßt den Zeitraum von: Jahre 1812 bis zum Tode
des Helden im Jahre 1819 und ist in gleicher Weise wie der erste
!Band reich und gediegen von der Verlagsbuchhandlung ausge¬
stattet worden. Vermochten wir an der Hand des ersten Bandes die stufen¬
weise Entwicklung Blüchers als Truppenführer zu verfolgen, so gilt der zweite





Deutsche Juristen-Zeitung 190S, Ur. 7.
") Vgl. den Aufsatz „Eine neue Blücherbiographie" in Ur. 33 der Grenzboten 1907.
Berlin, E. S. Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1908.
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[0516] Blücher und Greisen«» Überhaupt zurückzuführen sein: aber der Mangel an Gemeinsinn tritt fast ebenso stark bei der Beteiligung an den kommunalen Angelegenheiten zutage, trotzdem da in allererster Linie über den eignen Geldbeutel der Wähler ver¬ fügt wird. In neuerer Zeit erst, seitdem die Sozialdemokraten ihre Leute in die städtischen Körperschaften hineinzubringen bestrebt sind, regt sich in der Bürgerschaft selbst das Gewissen etwas mehr, und es ist dann meist auch leicht genug, Stimmen für bürgerlich und national gesinnte Männer zu be¬ kommen. Daß es bei den Wahlen zum Reichstage nicht anders ist, hat ja die letzte Aufmunterung in den Dezembertagen 1906 deutlich gezeigt. Es fehlt bei uns — das sollte hier einmal kurz zum Ausdruck gebracht werden — an der rechten Freudigkeit für die allgemeinen öffentlichen An¬ gelegenheiten des gesamten Volkes. An Männern selbst, die zur Betätigung auf diesen Gebieten berufen sind, ist kein Mangel: nach einer von maßgebender Seite veranlaßten Aufstellung enthielten zum Beispiel die berichtigten deutschen Urlisten für Schöffen und Geschworne im Jahre 1904 zusammen mit Aus¬ nahme des Landgerichtsbezirks Bremen 5552514 Personen; die Zahl der er¬ wählten Hauptschöffen belief sich auf 48238, die der Hilfsschöffen auf 18271, und in der Vorschlagsliste der Geschwornen waren 80566 Personen ver¬ zeichnet.*) Für beide Gerichte aber werden im Jahre zusammen etwa 45000 bis 50000 Laienrichter gebraucht; es ergibt sich also, daß das Volks- richtertum sehr wohl noch einer Ausdehnung fähig ist, auch wenn man für die angeführten Sondergcrichte ebensoviel Personen rechnen will. Von den 51/2 Millionen an sich zum Gerichtsdienst fähigen deutsche» Reichsangehörigen werden dann immer erst höchstens 100000 in einem Jahre tätig sein, sei es an ordentlichen oder Sondergerichten als Schöffen, Geschworne oder Beisitzer. Die Belastung für den einzelnen ist mithin nicht unerträglich und muß in Kauf genommen werden, wenn dadurch die Rechtsprechung gehoben wird. R. Krieg Blücher und Gneisenau > em ersten Bande seiner Blücherbiographie**) hat Generalleutnant von Unger den zweiten (Schluß-)Band in kurzer Frist***) folgen lassen. Er umfaßt den Zeitraum von: Jahre 1812 bis zum Tode des Helden im Jahre 1819 und ist in gleicher Weise wie der erste !Band reich und gediegen von der Verlagsbuchhandlung ausge¬ stattet worden. Vermochten wir an der Hand des ersten Bandes die stufen¬ weise Entwicklung Blüchers als Truppenführer zu verfolgen, so gilt der zweite Deutsche Juristen-Zeitung 190S, Ur. 7. ") Vgl. den Aufsatz „Eine neue Blücherbiographie" in Ur. 33 der Grenzboten 1907. Berlin, E. S. Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, 1908.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/516>, abgerufen am 01.05.2024.