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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Blücher und Gneisenau

recht eigentlich dem Feldherrn Blücher. Wurde in der vorjährigen Besprechung
erwähnt, daß man gespannt sein dürfe, wie der Verfasser gerade diese Aufgabe
lösen würde, weil wir uns die Feldherrntätigkeit Blüchers kaum anders als
gemeinsam mit Gneisenau ausgeübt denken können, so mag hier vorweg bemerkt
werden, daß die Lösung dieser Aufgabe im vorliegenden Bande in glücklichster
Weise erfolgt ist, und das bedeutet nicht wenig, da das Urteil über Gneisenau
längst feststand.

Im allgemeinen läßt sich sagen, daß Blüchers Bedeutung wohl von den
Zeitgenossen richtig gewürdigt worden ist, weniger jedoch von den Nachlebenden.
Ihnen schien es, zumal seit Delbrttck uns das Bild Gneisenaus so anziehend
gezeichnet hat, als ob dem Generalstabschef der Schlesischen Armee doch das
Hauptverdienst an ihren Erfolgen gebühre. Nicht als ob Delbrück Blücher
auf Kosten Gneisenaus herabgesetzt hätte, aber es liegt in der Natur der Sache,
daß der Biograph, will er sein Ziel im Auge behalten, seinen Helden den
übrigen Zeitgenossen, sogar den bedeutendsten gegenüber bevorzugt. General
von Unger rückt die Person des Marschalls Vorwärts wieder in das rechte
Licht, und er tut es, ohne im geringsten die Verdienste Gneisenaus zu schmälern.
Es konnte nicht anders sein, denn kaum jemals hat ein Feldherr die Verdienste
seines Generalstabschefs so offen anerkannt wie Blücher die Gneisenaus. So
hat er einst ein allzu lautes Lob seiner Taten mit den Worten abgewehrt:
"Was ists, was ihr rühmt? Es war meine Verwegenheit, Gncisenaus Be¬
sonnenheit und des großen Gottes Barmherzigkeit." Die Art und Weise aber,
wie der Verfasser in das Verhältnis Blüchers zu Gneisenau Licht zu bringen
sucht, ist nicht nur anziehend, sondern für die Beziehung zwischen Truppen¬
führer und Generalstabschef auch für unsre Zeit belehrend. Hier spricht überall
aus dem Buche nicht nur der Historiker, soudern vor allem der erfahrne hohe
Offizier, der selbst auf eine langjährige Generalstabstätigkcit zurückblickt.

Bei der Schilderung der Persönlichkeiten des Hauptquartiers der Schle¬
sischen Armee heißt es: "Alles kam darauf an, wie sich das Verhältnis zwischen
dem Feldherrn und seinem Stabschef gestaltete. Gneisenau hatte schon das
52. Lebensjahr überschritten; aber seine von der Natur mit körperlichen und
geistigen Gaben reich ausgestattete Persönlichkeit hatte noch nichts von ihrem
Zauber verloren. Sein gewinnendes Äußere, seine unverwüstliche Frische, sein
liebenswürdiges, geistreiches Wesen, sein reiner Charakter, seine glänzende Be¬
redsamkeit, sein feuriger Optimismus, seine aufopferungsvolle Vaterlandsliebe
ließen sein Selbstbewußtsein und sein sicheres Auftreten berechtigt erscheinen.
Aus den kümmerlichen Verhältnissen seiner Jugend, der Ungebundenheit seiner
Studentenzeit, den Enttäuschungen seiner militärischen Wanderjahre, aus dem
Zusammenbruch von 1806 war sein glühender Ehrgeiz geläutert hervorgegangen.
- - . Bei der Arbeit zur Wiedergenesung des preußischen Heerwesens hatten sich
seine Arbeitskraft, seine vorurteilsfreie Einsicht, die Lauterkeit seines Charakters
hervorragend bewährt. .. . Blüchers gute Beziehungen zu Gneisenau aus dessen


Blücher und Gneisenau

recht eigentlich dem Feldherrn Blücher. Wurde in der vorjährigen Besprechung
erwähnt, daß man gespannt sein dürfe, wie der Verfasser gerade diese Aufgabe
lösen würde, weil wir uns die Feldherrntätigkeit Blüchers kaum anders als
gemeinsam mit Gneisenau ausgeübt denken können, so mag hier vorweg bemerkt
werden, daß die Lösung dieser Aufgabe im vorliegenden Bande in glücklichster
Weise erfolgt ist, und das bedeutet nicht wenig, da das Urteil über Gneisenau
längst feststand.

Im allgemeinen läßt sich sagen, daß Blüchers Bedeutung wohl von den
Zeitgenossen richtig gewürdigt worden ist, weniger jedoch von den Nachlebenden.
Ihnen schien es, zumal seit Delbrttck uns das Bild Gneisenaus so anziehend
gezeichnet hat, als ob dem Generalstabschef der Schlesischen Armee doch das
Hauptverdienst an ihren Erfolgen gebühre. Nicht als ob Delbrück Blücher
auf Kosten Gneisenaus herabgesetzt hätte, aber es liegt in der Natur der Sache,
daß der Biograph, will er sein Ziel im Auge behalten, seinen Helden den
übrigen Zeitgenossen, sogar den bedeutendsten gegenüber bevorzugt. General
von Unger rückt die Person des Marschalls Vorwärts wieder in das rechte
Licht, und er tut es, ohne im geringsten die Verdienste Gneisenaus zu schmälern.
Es konnte nicht anders sein, denn kaum jemals hat ein Feldherr die Verdienste
seines Generalstabschefs so offen anerkannt wie Blücher die Gneisenaus. So
hat er einst ein allzu lautes Lob seiner Taten mit den Worten abgewehrt:
„Was ists, was ihr rühmt? Es war meine Verwegenheit, Gncisenaus Be¬
sonnenheit und des großen Gottes Barmherzigkeit." Die Art und Weise aber,
wie der Verfasser in das Verhältnis Blüchers zu Gneisenau Licht zu bringen
sucht, ist nicht nur anziehend, sondern für die Beziehung zwischen Truppen¬
führer und Generalstabschef auch für unsre Zeit belehrend. Hier spricht überall
aus dem Buche nicht nur der Historiker, soudern vor allem der erfahrne hohe
Offizier, der selbst auf eine langjährige Generalstabstätigkcit zurückblickt.

Bei der Schilderung der Persönlichkeiten des Hauptquartiers der Schle¬
sischen Armee heißt es: „Alles kam darauf an, wie sich das Verhältnis zwischen
dem Feldherrn und seinem Stabschef gestaltete. Gneisenau hatte schon das
52. Lebensjahr überschritten; aber seine von der Natur mit körperlichen und
geistigen Gaben reich ausgestattete Persönlichkeit hatte noch nichts von ihrem
Zauber verloren. Sein gewinnendes Äußere, seine unverwüstliche Frische, sein
liebenswürdiges, geistreiches Wesen, sein reiner Charakter, seine glänzende Be¬
redsamkeit, sein feuriger Optimismus, seine aufopferungsvolle Vaterlandsliebe
ließen sein Selbstbewußtsein und sein sicheres Auftreten berechtigt erscheinen.
Aus den kümmerlichen Verhältnissen seiner Jugend, der Ungebundenheit seiner
Studentenzeit, den Enttäuschungen seiner militärischen Wanderjahre, aus dem
Zusammenbruch von 1806 war sein glühender Ehrgeiz geläutert hervorgegangen.
- - . Bei der Arbeit zur Wiedergenesung des preußischen Heerwesens hatten sich
seine Arbeitskraft, seine vorurteilsfreie Einsicht, die Lauterkeit seines Charakters
hervorragend bewährt. .. . Blüchers gute Beziehungen zu Gneisenau aus dessen


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[0517] Blücher und Gneisenau recht eigentlich dem Feldherrn Blücher. Wurde in der vorjährigen Besprechung erwähnt, daß man gespannt sein dürfe, wie der Verfasser gerade diese Aufgabe lösen würde, weil wir uns die Feldherrntätigkeit Blüchers kaum anders als gemeinsam mit Gneisenau ausgeübt denken können, so mag hier vorweg bemerkt werden, daß die Lösung dieser Aufgabe im vorliegenden Bande in glücklichster Weise erfolgt ist, und das bedeutet nicht wenig, da das Urteil über Gneisenau längst feststand. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß Blüchers Bedeutung wohl von den Zeitgenossen richtig gewürdigt worden ist, weniger jedoch von den Nachlebenden. Ihnen schien es, zumal seit Delbrttck uns das Bild Gneisenaus so anziehend gezeichnet hat, als ob dem Generalstabschef der Schlesischen Armee doch das Hauptverdienst an ihren Erfolgen gebühre. Nicht als ob Delbrück Blücher auf Kosten Gneisenaus herabgesetzt hätte, aber es liegt in der Natur der Sache, daß der Biograph, will er sein Ziel im Auge behalten, seinen Helden den übrigen Zeitgenossen, sogar den bedeutendsten gegenüber bevorzugt. General von Unger rückt die Person des Marschalls Vorwärts wieder in das rechte Licht, und er tut es, ohne im geringsten die Verdienste Gneisenaus zu schmälern. Es konnte nicht anders sein, denn kaum jemals hat ein Feldherr die Verdienste seines Generalstabschefs so offen anerkannt wie Blücher die Gneisenaus. So hat er einst ein allzu lautes Lob seiner Taten mit den Worten abgewehrt: „Was ists, was ihr rühmt? Es war meine Verwegenheit, Gncisenaus Be¬ sonnenheit und des großen Gottes Barmherzigkeit." Die Art und Weise aber, wie der Verfasser in das Verhältnis Blüchers zu Gneisenau Licht zu bringen sucht, ist nicht nur anziehend, sondern für die Beziehung zwischen Truppen¬ führer und Generalstabschef auch für unsre Zeit belehrend. Hier spricht überall aus dem Buche nicht nur der Historiker, soudern vor allem der erfahrne hohe Offizier, der selbst auf eine langjährige Generalstabstätigkcit zurückblickt. Bei der Schilderung der Persönlichkeiten des Hauptquartiers der Schle¬ sischen Armee heißt es: „Alles kam darauf an, wie sich das Verhältnis zwischen dem Feldherrn und seinem Stabschef gestaltete. Gneisenau hatte schon das 52. Lebensjahr überschritten; aber seine von der Natur mit körperlichen und geistigen Gaben reich ausgestattete Persönlichkeit hatte noch nichts von ihrem Zauber verloren. Sein gewinnendes Äußere, seine unverwüstliche Frische, sein liebenswürdiges, geistreiches Wesen, sein reiner Charakter, seine glänzende Be¬ redsamkeit, sein feuriger Optimismus, seine aufopferungsvolle Vaterlandsliebe ließen sein Selbstbewußtsein und sein sicheres Auftreten berechtigt erscheinen. Aus den kümmerlichen Verhältnissen seiner Jugend, der Ungebundenheit seiner Studentenzeit, den Enttäuschungen seiner militärischen Wanderjahre, aus dem Zusammenbruch von 1806 war sein glühender Ehrgeiz geläutert hervorgegangen. - - . Bei der Arbeit zur Wiedergenesung des preußischen Heerwesens hatten sich seine Arbeitskraft, seine vorurteilsfreie Einsicht, die Lauterkeit seines Charakters hervorragend bewährt. .. . Blüchers gute Beziehungen zu Gneisenau aus dessen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/517>, abgerufen am 15.05.2024.