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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Probleme der Aunstindustrie

im Strcilsunder Bezirk einen jährlichen Ertrag von 180 Talern. Damit sollten
Lokalkomitees die Bedienungsmannschaft der Nettnngsgerüte bezahlen. "Auf
eine Aufbringung der nöthigen Geldmittel durch Privatbcitrüge könne nicht ge¬
rechnet werden." Der Minister wies diesen Vorschlag ab und suchte bei den
äußern Behörden die Überschätzung der Schwierigkeiten der geplanten Or¬
ganisation dadurch zu mäßigen, daß er Lokalkomitees nur an Orten, wo keine
Lotsen stationiert seien, als notwendig bezeichnete und ihre Aufgabe auf die
Bestreitung des Jahreslohns für den Bootsführer und des Tagelohus für die
Ruderer einschränkte. Den Vereinen die Instandhaltung der Stationen zuzu¬
muten, daran dachte der Minister nicht. Dennoch mußte sein Optimismus drei
Jahre lang mit dem Pessimismus der äußern Behörden kämpfen, bis ihm die
Gründung des Neupommersch-Rügenschen Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger
recht gab. Dieser Verein wurde am 24. Januar 1866 gegründet. Damit war
die Grundlage für eine kräftige Entwicklung der preußischen Rettungseinrichtungen

^schaffen.

Schluß folgt)



Probleme der Kunstindustrie
Joseph Aug. Lux vonin Dresden.Blasewitz

as künstlerische Problem unsrer Zeit liegt nicht im Kunsthand¬
werk, es liegt in der Industrie. Die kunsthandwerkliche Disziplin
steht fest, wenn es sich darum handelt, ein vollendetes Stück
Treibarbeit, ein köstliches Geschmeide, eine ausgezeichnete Töpfer¬
arbeit, einen erlesenen Bucheinband mit Handvergolduug, edle
Spitzen oder Stickereien, feine Möbel mit Schnitz- oder Einlegearbeit zu
liefern. Es sind Arbeiten, die von Liebhabern verlangt und bezahlt werden,
und die wieder reichlicher auftreten werden, wenn die Kultur fortschreitet.
Es ist Handarbeit im künstlerischen Sinn und verkörpert die viel begehrte
und so selten gebotne Qualität. Die moderne Bewegung hat diesen kunst¬
handwerklichen Leistungen den gebührenden Rang neben den sogenannten
hohen Künsten zurückerobert und ihnen namentlich unter der Einwirkung der
englischen Bewegung eine Seele eingehaucht, die sie den hohen Leistungen des
alten Kunsthandwerks ebenbürtig macht. Aber das sind kunsthandwerkliche
Arbeiten, die persönlich bestimmt sind und wieder nur dem Kunstbedürfnis der
Persönlichkeit dienen. Sie sind nicht für die Masse da.

Für die Masse sorgt die Industrie. Sie ist aus der Masse hervor¬
gegangen und nur durch sie gerechtfertigt. Einer unbegreiflichen Lebenslüge
zufolge möchte die Masse auch Kunst haben. Also das, was sie niemals


Probleme der Aunstindustrie

im Strcilsunder Bezirk einen jährlichen Ertrag von 180 Talern. Damit sollten
Lokalkomitees die Bedienungsmannschaft der Nettnngsgerüte bezahlen. „Auf
eine Aufbringung der nöthigen Geldmittel durch Privatbcitrüge könne nicht ge¬
rechnet werden." Der Minister wies diesen Vorschlag ab und suchte bei den
äußern Behörden die Überschätzung der Schwierigkeiten der geplanten Or¬
ganisation dadurch zu mäßigen, daß er Lokalkomitees nur an Orten, wo keine
Lotsen stationiert seien, als notwendig bezeichnete und ihre Aufgabe auf die
Bestreitung des Jahreslohns für den Bootsführer und des Tagelohus für die
Ruderer einschränkte. Den Vereinen die Instandhaltung der Stationen zuzu¬
muten, daran dachte der Minister nicht. Dennoch mußte sein Optimismus drei
Jahre lang mit dem Pessimismus der äußern Behörden kämpfen, bis ihm die
Gründung des Neupommersch-Rügenschen Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger
recht gab. Dieser Verein wurde am 24. Januar 1866 gegründet. Damit war
die Grundlage für eine kräftige Entwicklung der preußischen Rettungseinrichtungen

^schaffen.

Schluß folgt)



Probleme der Kunstindustrie
Joseph Aug. Lux vonin Dresden.Blasewitz

as künstlerische Problem unsrer Zeit liegt nicht im Kunsthand¬
werk, es liegt in der Industrie. Die kunsthandwerkliche Disziplin
steht fest, wenn es sich darum handelt, ein vollendetes Stück
Treibarbeit, ein köstliches Geschmeide, eine ausgezeichnete Töpfer¬
arbeit, einen erlesenen Bucheinband mit Handvergolduug, edle
Spitzen oder Stickereien, feine Möbel mit Schnitz- oder Einlegearbeit zu
liefern. Es sind Arbeiten, die von Liebhabern verlangt und bezahlt werden,
und die wieder reichlicher auftreten werden, wenn die Kultur fortschreitet.
Es ist Handarbeit im künstlerischen Sinn und verkörpert die viel begehrte
und so selten gebotne Qualität. Die moderne Bewegung hat diesen kunst¬
handwerklichen Leistungen den gebührenden Rang neben den sogenannten
hohen Künsten zurückerobert und ihnen namentlich unter der Einwirkung der
englischen Bewegung eine Seele eingehaucht, die sie den hohen Leistungen des
alten Kunsthandwerks ebenbürtig macht. Aber das sind kunsthandwerkliche
Arbeiten, die persönlich bestimmt sind und wieder nur dem Kunstbedürfnis der
Persönlichkeit dienen. Sie sind nicht für die Masse da.

Für die Masse sorgt die Industrie. Sie ist aus der Masse hervor¬
gegangen und nur durch sie gerechtfertigt. Einer unbegreiflichen Lebenslüge
zufolge möchte die Masse auch Kunst haben. Also das, was sie niemals


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[0571] Probleme der Aunstindustrie im Strcilsunder Bezirk einen jährlichen Ertrag von 180 Talern. Damit sollten Lokalkomitees die Bedienungsmannschaft der Nettnngsgerüte bezahlen. „Auf eine Aufbringung der nöthigen Geldmittel durch Privatbcitrüge könne nicht ge¬ rechnet werden." Der Minister wies diesen Vorschlag ab und suchte bei den äußern Behörden die Überschätzung der Schwierigkeiten der geplanten Or¬ ganisation dadurch zu mäßigen, daß er Lokalkomitees nur an Orten, wo keine Lotsen stationiert seien, als notwendig bezeichnete und ihre Aufgabe auf die Bestreitung des Jahreslohns für den Bootsführer und des Tagelohus für die Ruderer einschränkte. Den Vereinen die Instandhaltung der Stationen zuzu¬ muten, daran dachte der Minister nicht. Dennoch mußte sein Optimismus drei Jahre lang mit dem Pessimismus der äußern Behörden kämpfen, bis ihm die Gründung des Neupommersch-Rügenschen Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger recht gab. Dieser Verein wurde am 24. Januar 1866 gegründet. Damit war die Grundlage für eine kräftige Entwicklung der preußischen Rettungseinrichtungen ^schaffen. Schluß folgt) [Abbildung] Probleme der Kunstindustrie Joseph Aug. Lux vonin Dresden.Blasewitz as künstlerische Problem unsrer Zeit liegt nicht im Kunsthand¬ werk, es liegt in der Industrie. Die kunsthandwerkliche Disziplin steht fest, wenn es sich darum handelt, ein vollendetes Stück Treibarbeit, ein köstliches Geschmeide, eine ausgezeichnete Töpfer¬ arbeit, einen erlesenen Bucheinband mit Handvergolduug, edle Spitzen oder Stickereien, feine Möbel mit Schnitz- oder Einlegearbeit zu liefern. Es sind Arbeiten, die von Liebhabern verlangt und bezahlt werden, und die wieder reichlicher auftreten werden, wenn die Kultur fortschreitet. Es ist Handarbeit im künstlerischen Sinn und verkörpert die viel begehrte und so selten gebotne Qualität. Die moderne Bewegung hat diesen kunst¬ handwerklichen Leistungen den gebührenden Rang neben den sogenannten hohen Künsten zurückerobert und ihnen namentlich unter der Einwirkung der englischen Bewegung eine Seele eingehaucht, die sie den hohen Leistungen des alten Kunsthandwerks ebenbürtig macht. Aber das sind kunsthandwerkliche Arbeiten, die persönlich bestimmt sind und wieder nur dem Kunstbedürfnis der Persönlichkeit dienen. Sie sind nicht für die Masse da. Für die Masse sorgt die Industrie. Sie ist aus der Masse hervor¬ gegangen und nur durch sie gerechtfertigt. Einer unbegreiflichen Lebenslüge zufolge möchte die Masse auch Kunst haben. Also das, was sie niemals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/571>, abgerufen am 01.05.2024.