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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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David Friedrich Strauß

meiner kindlichen Phantasie, abgeschafft hat. Seine Teilnahme für das ar¬
tilleristische Rettnngsverfahren, die leider durch das Mißlingen der Versuche
enttäuscht wurde, zeigte ihn mir auf dem Wege zu einer Kulturcrrungenschaft
unsrer Tage. Und einige Jahrzehnte später sah ich Tcllhcimenkel, preußische
Artillerieoffiziere und -Unteroffiziere, freudig dieses Weges gehn und das Ziel
erreichen. Das Barrengold ihrer Verdienste kann leider nicht in knappe Zahlen
geretteter Menschenleben geprägt werden. Dennoch kann man sich an seinem
edeln Glänze freuen. Wie eine kostbare Gegengabe für das Pflanzengold, das
das Meer in den Dünensand der preußischen Küste wirft, wurde das Gold dieser
Verdienste lange unbeachtet von dem Strande in das Meer geworfen.

Was ich davon bergen konnte, habe ich hier verzeichnet.

Ein Lied von den braven Männern zu fingen fehlt mir die Kraft, so habe
ich wenigstens auf diesen Blättern die Namen und die Arbeit der preußischen
Artilleristen aufbewahrt, die begeisterungsfähig wie Fouque und hilfreich wie
Tellheim und sein Wachtmeister ihre ritterliche Waffe im Dienste der Nächstenliebe
führten und adelten.




David Friedrich Strauß

cum man das schöne Antlitz betrachtet, mit dessen Abbild Theobald
Ziegler sein Buch über den theologischen Revolutionär geschmückt
hat,*) so sagt man sich: das ist ein geistig bedeutender und zu¬
gleich ein liebenswerter Mensch; mit dem sich zu beschäftigen,
muß die Mühe lohnen. Am 27. Januar 1808 ward Strauß
geboren. Seine Säkularfeier mit einer Biographie zu begehn, fühlte sich Ziegler
berufen als Schwabe -- nur als ein Gewächs des schwäbischen Bodens sei er
ganz zu verstehn --, als Sohn und Schwiegersohn zweier Studiengenossen des
z" Feiernden und als sein dankbarer Verehrer. Nicht allein habe er ihn selbst
noch gekannt und als junger Mann Briefe mit ihm gewechselt, sondern er müsse
ihn zu seinen Erziehern, Führern und Befreiern rechnen: an seinen Schriften,
bekennt er, "habe ich mich in die Theologie hinein und aus der Theologie
heraus zu Hegel und zur Philosophie, ins Weite und ins Freie durchgearbeitet".
Dazu kamen noch zwei besondre Beweggründe. Strauß sei bei Lebzeiten und
nach seinem Tode schlecht behandelt worden. "Die ersten, die ihm sein Leben
zerstört und es zu einem vielfach so unglücklichen und tragischen gemacht haben,
waren die Theologen. Sie haben ihm den großen Dienst, den er ihnen und



") David Friedrich Strauß von Theobald Ziegler. Erster Teil: 1808 bis 1839.
Mit einem Jugendbildnis von Strauß. Straßburg, Karl I. Trübner, 1908.
David Friedrich Strauß

meiner kindlichen Phantasie, abgeschafft hat. Seine Teilnahme für das ar¬
tilleristische Rettnngsverfahren, die leider durch das Mißlingen der Versuche
enttäuscht wurde, zeigte ihn mir auf dem Wege zu einer Kulturcrrungenschaft
unsrer Tage. Und einige Jahrzehnte später sah ich Tcllhcimenkel, preußische
Artillerieoffiziere und -Unteroffiziere, freudig dieses Weges gehn und das Ziel
erreichen. Das Barrengold ihrer Verdienste kann leider nicht in knappe Zahlen
geretteter Menschenleben geprägt werden. Dennoch kann man sich an seinem
edeln Glänze freuen. Wie eine kostbare Gegengabe für das Pflanzengold, das
das Meer in den Dünensand der preußischen Küste wirft, wurde das Gold dieser
Verdienste lange unbeachtet von dem Strande in das Meer geworfen.

Was ich davon bergen konnte, habe ich hier verzeichnet.

Ein Lied von den braven Männern zu fingen fehlt mir die Kraft, so habe
ich wenigstens auf diesen Blättern die Namen und die Arbeit der preußischen
Artilleristen aufbewahrt, die begeisterungsfähig wie Fouque und hilfreich wie
Tellheim und sein Wachtmeister ihre ritterliche Waffe im Dienste der Nächstenliebe
führten und adelten.




David Friedrich Strauß

cum man das schöne Antlitz betrachtet, mit dessen Abbild Theobald
Ziegler sein Buch über den theologischen Revolutionär geschmückt
hat,*) so sagt man sich: das ist ein geistig bedeutender und zu¬
gleich ein liebenswerter Mensch; mit dem sich zu beschäftigen,
muß die Mühe lohnen. Am 27. Januar 1808 ward Strauß
geboren. Seine Säkularfeier mit einer Biographie zu begehn, fühlte sich Ziegler
berufen als Schwabe — nur als ein Gewächs des schwäbischen Bodens sei er
ganz zu verstehn —, als Sohn und Schwiegersohn zweier Studiengenossen des
z» Feiernden und als sein dankbarer Verehrer. Nicht allein habe er ihn selbst
noch gekannt und als junger Mann Briefe mit ihm gewechselt, sondern er müsse
ihn zu seinen Erziehern, Führern und Befreiern rechnen: an seinen Schriften,
bekennt er, „habe ich mich in die Theologie hinein und aus der Theologie
heraus zu Hegel und zur Philosophie, ins Weite und ins Freie durchgearbeitet".
Dazu kamen noch zwei besondre Beweggründe. Strauß sei bei Lebzeiten und
nach seinem Tode schlecht behandelt worden. „Die ersten, die ihm sein Leben
zerstört und es zu einem vielfach so unglücklichen und tragischen gemacht haben,
waren die Theologen. Sie haben ihm den großen Dienst, den er ihnen und



») David Friedrich Strauß von Theobald Ziegler. Erster Teil: 1808 bis 1839.
Mit einem Jugendbildnis von Strauß. Straßburg, Karl I. Trübner, 1908.
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[0629] David Friedrich Strauß meiner kindlichen Phantasie, abgeschafft hat. Seine Teilnahme für das ar¬ tilleristische Rettnngsverfahren, die leider durch das Mißlingen der Versuche enttäuscht wurde, zeigte ihn mir auf dem Wege zu einer Kulturcrrungenschaft unsrer Tage. Und einige Jahrzehnte später sah ich Tcllhcimenkel, preußische Artillerieoffiziere und -Unteroffiziere, freudig dieses Weges gehn und das Ziel erreichen. Das Barrengold ihrer Verdienste kann leider nicht in knappe Zahlen geretteter Menschenleben geprägt werden. Dennoch kann man sich an seinem edeln Glänze freuen. Wie eine kostbare Gegengabe für das Pflanzengold, das das Meer in den Dünensand der preußischen Küste wirft, wurde das Gold dieser Verdienste lange unbeachtet von dem Strande in das Meer geworfen. Was ich davon bergen konnte, habe ich hier verzeichnet. Ein Lied von den braven Männern zu fingen fehlt mir die Kraft, so habe ich wenigstens auf diesen Blättern die Namen und die Arbeit der preußischen Artilleristen aufbewahrt, die begeisterungsfähig wie Fouque und hilfreich wie Tellheim und sein Wachtmeister ihre ritterliche Waffe im Dienste der Nächstenliebe führten und adelten. David Friedrich Strauß cum man das schöne Antlitz betrachtet, mit dessen Abbild Theobald Ziegler sein Buch über den theologischen Revolutionär geschmückt hat,*) so sagt man sich: das ist ein geistig bedeutender und zu¬ gleich ein liebenswerter Mensch; mit dem sich zu beschäftigen, muß die Mühe lohnen. Am 27. Januar 1808 ward Strauß geboren. Seine Säkularfeier mit einer Biographie zu begehn, fühlte sich Ziegler berufen als Schwabe — nur als ein Gewächs des schwäbischen Bodens sei er ganz zu verstehn —, als Sohn und Schwiegersohn zweier Studiengenossen des z» Feiernden und als sein dankbarer Verehrer. Nicht allein habe er ihn selbst noch gekannt und als junger Mann Briefe mit ihm gewechselt, sondern er müsse ihn zu seinen Erziehern, Führern und Befreiern rechnen: an seinen Schriften, bekennt er, „habe ich mich in die Theologie hinein und aus der Theologie heraus zu Hegel und zur Philosophie, ins Weite und ins Freie durchgearbeitet". Dazu kamen noch zwei besondre Beweggründe. Strauß sei bei Lebzeiten und nach seinem Tode schlecht behandelt worden. „Die ersten, die ihm sein Leben zerstört und es zu einem vielfach so unglücklichen und tragischen gemacht haben, waren die Theologen. Sie haben ihm den großen Dienst, den er ihnen und ») David Friedrich Strauß von Theobald Ziegler. Erster Teil: 1808 bis 1839. Mit einem Jugendbildnis von Strauß. Straßburg, Karl I. Trübner, 1908.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/629>, abgerufen am 01.05.2024.