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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung

gesetzgebung einnehmen. Deshalb möge hier eine kurze Darstellung dieser Gesetz¬
gebung folgen; sie stützt sich auf das gesamte amtliche Material, das ich in den
vergangnen fünf Jahren in Rußland selbst gesammelt habe, sowie auf die Unter¬
suchungen der bedeutendsten russischen Finanzpolitiker und Volkswirte.*)

^. Aufstellung des Budgets

Die Grundlage der bisher in Anwendung gewesnen Budgetgesetzgebung bilden
die Regeln vom 22. Mai 1862 und ein stattlicher Band Zusatzbestimmungen.
Danach hat das Reichsbudget zu enthalten: eine Aufzählung aller voraussicht¬
lichen Ausgaben sowie der Quellen, aus denen diese bestritten werden sollen.
Eine Ausnahme davon bilden die Mittel der Selbstverwaltungen, wie der
Sjemstwo und Städte, der ständischen Organisationen, wie des Adels, der
Kosakenheere, der Wohltätigkeitsanstalten. Ferner gehören nicht ins Budget
die "speziellen" Mittel staatlicher Einrichtungen, das heißt solcher dem Fiskus
nicht gehörender, aber doch der Verrechnung durch ihn unterliegender Summen,
die für gewisse Zwecke bestimmt sind, zum Beispiel Schenkungen für Schulzwecke,
Stipendien, Krankenpflege, Wohltätigkeit, Kirchengelder, einschließlich der den
Polen in den Jahren 1864/66 abgenommnen, Pensionskassen und ähnliches.

Das Entstehn des Budgets vollzieht sich in folgender Weise: Jedes
Ministerium und jede Hauptverwaltung stellt über die von ihnen erwarteten
Einnahmen und Ausgaben Etats auf, aus denen das Finanzministerium den
Staatshaushalt im Voranschlage zusammenstellt. Seit langer Zeit haben ver-
schiedne Ministerien mehrere Etats.**)

Auf Grund der oben erwähnten Gesetze nahm die Aufstellung, Prüfung
und Genehmigung des Budgets bis zum Jahre 1906 folgenden Verlauf. Die
Zentralbehörden erhielten von den ihnen unterstellten Ortsbehörden alljährlich
zu bestimmten Zeitpunkten Verzeichnisse der zu erwartenden Einnahmen sowie
der voraussichtlichen Ausgaben für das folgende Geschäftsjahr, das am 1. Januar
beginnt. In diese Verzeichnisse durften Ausgaben für Änderungen nicht auf¬
genommen werden, die nicht schon durch bestehende Gesetze vorgesehn waren.
Die Zentralbehörden (Ministerien, Hauptverwaltungen und Departements), die
eigne Etats haben, ergänzten diese Verzeichnisse nach ihren den Ortsbehörden
unbekannt gebliebner eignen Daten und stellten nun einen detaillierten Vor¬
anschlag auf, der zu enthalten hatte:

1. eine summarische Aufzählung aller im Voranschlag enthaltnen Haupt¬
einnahme- und -ausgabeposten;



*) Die wichtigsten neuen Gesetze, die infolge der Einführung der Volksvertretung in Ruß'
land erlassen werden mußten, finden Interessenten in deutscher Übersetzung im S. Bande meiner
Sammlung "Aus Rußlands Not und Hoffen". Berlin, 1907.
*") Das Justiz- und das Innenministerium haben je zwei, Eisenbahn- und Handelsministerium
je drei, die Hauptverwaltung für Landwirtschaft vier, das Finanzministerium acht und das Kriegs-
ministerium hat gar zehn.
Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung

gesetzgebung einnehmen. Deshalb möge hier eine kurze Darstellung dieser Gesetz¬
gebung folgen; sie stützt sich auf das gesamte amtliche Material, das ich in den
vergangnen fünf Jahren in Rußland selbst gesammelt habe, sowie auf die Unter¬
suchungen der bedeutendsten russischen Finanzpolitiker und Volkswirte.*)

^. Aufstellung des Budgets

Die Grundlage der bisher in Anwendung gewesnen Budgetgesetzgebung bilden
die Regeln vom 22. Mai 1862 und ein stattlicher Band Zusatzbestimmungen.
Danach hat das Reichsbudget zu enthalten: eine Aufzählung aller voraussicht¬
lichen Ausgaben sowie der Quellen, aus denen diese bestritten werden sollen.
Eine Ausnahme davon bilden die Mittel der Selbstverwaltungen, wie der
Sjemstwo und Städte, der ständischen Organisationen, wie des Adels, der
Kosakenheere, der Wohltätigkeitsanstalten. Ferner gehören nicht ins Budget
die „speziellen" Mittel staatlicher Einrichtungen, das heißt solcher dem Fiskus
nicht gehörender, aber doch der Verrechnung durch ihn unterliegender Summen,
die für gewisse Zwecke bestimmt sind, zum Beispiel Schenkungen für Schulzwecke,
Stipendien, Krankenpflege, Wohltätigkeit, Kirchengelder, einschließlich der den
Polen in den Jahren 1864/66 abgenommnen, Pensionskassen und ähnliches.

Das Entstehn des Budgets vollzieht sich in folgender Weise: Jedes
Ministerium und jede Hauptverwaltung stellt über die von ihnen erwarteten
Einnahmen und Ausgaben Etats auf, aus denen das Finanzministerium den
Staatshaushalt im Voranschlage zusammenstellt. Seit langer Zeit haben ver-
schiedne Ministerien mehrere Etats.**)

Auf Grund der oben erwähnten Gesetze nahm die Aufstellung, Prüfung
und Genehmigung des Budgets bis zum Jahre 1906 folgenden Verlauf. Die
Zentralbehörden erhielten von den ihnen unterstellten Ortsbehörden alljährlich
zu bestimmten Zeitpunkten Verzeichnisse der zu erwartenden Einnahmen sowie
der voraussichtlichen Ausgaben für das folgende Geschäftsjahr, das am 1. Januar
beginnt. In diese Verzeichnisse durften Ausgaben für Änderungen nicht auf¬
genommen werden, die nicht schon durch bestehende Gesetze vorgesehn waren.
Die Zentralbehörden (Ministerien, Hauptverwaltungen und Departements), die
eigne Etats haben, ergänzten diese Verzeichnisse nach ihren den Ortsbehörden
unbekannt gebliebner eignen Daten und stellten nun einen detaillierten Vor¬
anschlag auf, der zu enthalten hatte:

1. eine summarische Aufzählung aller im Voranschlag enthaltnen Haupt¬
einnahme- und -ausgabeposten;



*) Die wichtigsten neuen Gesetze, die infolge der Einführung der Volksvertretung in Ruß'
land erlassen werden mußten, finden Interessenten in deutscher Übersetzung im S. Bande meiner
Sammlung „Aus Rußlands Not und Hoffen". Berlin, 1907.
*") Das Justiz- und das Innenministerium haben je zwei, Eisenbahn- und Handelsministerium
je drei, die Hauptverwaltung für Landwirtschaft vier, das Finanzministerium acht und das Kriegs-
ministerium hat gar zehn.
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[0230] Auswärtige Anleihen in der russischen Budgetgesetzgebung gesetzgebung einnehmen. Deshalb möge hier eine kurze Darstellung dieser Gesetz¬ gebung folgen; sie stützt sich auf das gesamte amtliche Material, das ich in den vergangnen fünf Jahren in Rußland selbst gesammelt habe, sowie auf die Unter¬ suchungen der bedeutendsten russischen Finanzpolitiker und Volkswirte.*) ^. Aufstellung des Budgets Die Grundlage der bisher in Anwendung gewesnen Budgetgesetzgebung bilden die Regeln vom 22. Mai 1862 und ein stattlicher Band Zusatzbestimmungen. Danach hat das Reichsbudget zu enthalten: eine Aufzählung aller voraussicht¬ lichen Ausgaben sowie der Quellen, aus denen diese bestritten werden sollen. Eine Ausnahme davon bilden die Mittel der Selbstverwaltungen, wie der Sjemstwo und Städte, der ständischen Organisationen, wie des Adels, der Kosakenheere, der Wohltätigkeitsanstalten. Ferner gehören nicht ins Budget die „speziellen" Mittel staatlicher Einrichtungen, das heißt solcher dem Fiskus nicht gehörender, aber doch der Verrechnung durch ihn unterliegender Summen, die für gewisse Zwecke bestimmt sind, zum Beispiel Schenkungen für Schulzwecke, Stipendien, Krankenpflege, Wohltätigkeit, Kirchengelder, einschließlich der den Polen in den Jahren 1864/66 abgenommnen, Pensionskassen und ähnliches. Das Entstehn des Budgets vollzieht sich in folgender Weise: Jedes Ministerium und jede Hauptverwaltung stellt über die von ihnen erwarteten Einnahmen und Ausgaben Etats auf, aus denen das Finanzministerium den Staatshaushalt im Voranschlage zusammenstellt. Seit langer Zeit haben ver- schiedne Ministerien mehrere Etats.**) Auf Grund der oben erwähnten Gesetze nahm die Aufstellung, Prüfung und Genehmigung des Budgets bis zum Jahre 1906 folgenden Verlauf. Die Zentralbehörden erhielten von den ihnen unterstellten Ortsbehörden alljährlich zu bestimmten Zeitpunkten Verzeichnisse der zu erwartenden Einnahmen sowie der voraussichtlichen Ausgaben für das folgende Geschäftsjahr, das am 1. Januar beginnt. In diese Verzeichnisse durften Ausgaben für Änderungen nicht auf¬ genommen werden, die nicht schon durch bestehende Gesetze vorgesehn waren. Die Zentralbehörden (Ministerien, Hauptverwaltungen und Departements), die eigne Etats haben, ergänzten diese Verzeichnisse nach ihren den Ortsbehörden unbekannt gebliebner eignen Daten und stellten nun einen detaillierten Vor¬ anschlag auf, der zu enthalten hatte: 1. eine summarische Aufzählung aller im Voranschlag enthaltnen Haupt¬ einnahme- und -ausgabeposten; *) Die wichtigsten neuen Gesetze, die infolge der Einführung der Volksvertretung in Ruß' land erlassen werden mußten, finden Interessenten in deutscher Übersetzung im S. Bande meiner Sammlung „Aus Rußlands Not und Hoffen". Berlin, 1907. *") Das Justiz- und das Innenministerium haben je zwei, Eisenbahn- und Handelsministerium je drei, die Hauptverwaltung für Landwirtschaft vier, das Finanzministerium acht und das Kriegs- ministerium hat gar zehn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/230>, abgerufen am 06.05.2024.