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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Umnaßgebliches

Klassikerausgaben.

Auch Klassikerallsgaben veralten schneller, als man
gemeinhin glaubt, in der Ausstattung wie in der literarischen Aufbereitung, selbst
so vorzügliche wie die einst vielgerühmte Hempelsche Ausgabe der Klassiker der
neuern deutschen Literatur. Wir meinen aber, daß der Borghese Verlag recht
daran getan hat, den Versuch zu machen, gerade diese Ausgabe zu erneuern, sie
in revidiertem Text, in veränderter Auswahl und mit neugeschriebnen Einleitungen
wieder vorzulegen. Anstatt der ehemaligen zweiundzwanzig wissenschaftlichen Mit¬
arbeiter nennt die neue Bearbeitung sechzig: ihr Name "Goldene Klassiker-Bibliothek"
ist bei dem ganz billigen Preise nicht auf Papier und Druck, die doch auch gut
genannt werden müssen, sondern auf die Zuverlässigkeit und Handlichkeit der
Editionsarbeit zu beziehen und ist nach dem uns vorliegenden, in 6 Bänden voll¬
ständigen L es sing zu urteilen, für die Julius Petersen die größte Herausgeberarbeit
geleistet hat, uicht ohne Berechtigung gewählt.

Von Wielands Werken gab es bis jetzt noch keine umfassende historisch¬
kritische Ausgabe, wie ja auch eine wissenschaftliche Biographie dieses Schriftstellers
immer noch fehlt. Die Deutsche Kommission der Königlich Preußischen Akademie
der Wissenschaften, der wir seit einigen Jahren die rasch geförderte Herausgabe
deutscher Texte des Mittelalters verdanken, hat sich jetzt auch dieser neuern
Ehrenpflicht unterzogen und begonnen, im Verlag der Weidniannschen Buchhandlung
"Wielands Gesammelte Schriften" herauszugeben; Werke, Übersetzungen und Briefe
sollen in etwa 50 Bänden erscheinen in schlichtem, schönem Großoktav, und Erich
Schmidt bemerkt im Vorwort dazu: "Der Zuwachs an bisher unbeachteten Schriften,
verschollnen Drucken und handschriftlichen Funden erscheint beträchtlich, ... Wielands
rege journalistische Tätigkeit muß bis in alle kleinen redaktionellen Bemerkungen
des Teutschen Merkurs zum erstenmal herausgearbeitet werden, -.. unsre Ausgabe
ivird den ganzen Entwicklungsgang des Schriftstellers vorführen und in den Briefen
die bewegliche und eigensinnige, reizbare und enthusiastische, launische und konziliante
Persönlichkeit lebendig machen." Über die Übersetzungskunst und die gesamte
Wirkung Wielands hat der beste Kenner, Goethe, geurteilt: "Er hatte einen eigentüm¬
lichen Verstandes- und Geschmackssinn, mit dem er sich dein Altertum, dem Auslande
nur insofern annäherte, als er seine Konvenienz dabei fand. Dieser vorzügliche
Mann darf als Repräsentant seiner Zeit angesehen werden; er hat außerordentlich
gewirkt, indem gerade das, was ihn anmutete, wie er sichs zueignete und es wieder
mitteilte, auch seinen Zeitgenossen angenehm und genießbar begegnete."

Welche Überraschungen dabei immer wieder herauskommen können, wenn man
bei Briefausgaben unsrer Klassiker auf die erhaltnen Originale zurückgeht, zeigen
die vom Insel-Verlag soeben herausgegebnen berühmten Briefe Wilhelms
von Humboldt an eine Freundin, ein die exzentrisch-romantische Charlotte Diebe,
mit der er als Student drei angeregte Tage geistigen Austausches erlebt hatte, und
der er später in diesen Briefen eine Vermittlung des um 1800 errungnen klassischen
Lebensgeistes geboten hat, die nach ihr noch tausend andern Frauen zugute gekommen
ist. Freilich bisher nur in entstellter Form; der neue Herausgeber, Albert Leitzmcmn,
der zum erstenmal die zum großen Teil erhaltnen Originalbriefe wieder eingesehen
hat und diese selbst hier nun wiedergibt, erhebt gegen die Empfängerin und erste
Herausgeberin die Anklage, daß sie vieles nicht nur gestrichen, sondern auch geändert,
entstellt habe. Wir empfehlen unsern Leserinnen die edle, reife Gabe in der neuen
Form auf das beste, warnen aber Leser davor, die Briefe hintereinander weg lesen
zu wollen, nicht etwa wegen der Schwere der Lektüre, sondern wegen der sonst
dadurch eintretenden Erschlaffung, daß die Mitteilungen an die aufgeregte Frau alle
absichtlich besonders gelassen gehalten sind.


Für die Herausgabe verantwortlich Karl Weisser in Leipzig und George Cleinow in Berlin-
Friedencm. Alle Zuschriften an die Redaktion sind nur nach Leipzig, Jnselstraße 20, zu richten.
Verlag von Fr. Will", Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Umnaßgebliches

Klassikerausgaben.

Auch Klassikerallsgaben veralten schneller, als man
gemeinhin glaubt, in der Ausstattung wie in der literarischen Aufbereitung, selbst
so vorzügliche wie die einst vielgerühmte Hempelsche Ausgabe der Klassiker der
neuern deutschen Literatur. Wir meinen aber, daß der Borghese Verlag recht
daran getan hat, den Versuch zu machen, gerade diese Ausgabe zu erneuern, sie
in revidiertem Text, in veränderter Auswahl und mit neugeschriebnen Einleitungen
wieder vorzulegen. Anstatt der ehemaligen zweiundzwanzig wissenschaftlichen Mit¬
arbeiter nennt die neue Bearbeitung sechzig: ihr Name „Goldene Klassiker-Bibliothek"
ist bei dem ganz billigen Preise nicht auf Papier und Druck, die doch auch gut
genannt werden müssen, sondern auf die Zuverlässigkeit und Handlichkeit der
Editionsarbeit zu beziehen und ist nach dem uns vorliegenden, in 6 Bänden voll¬
ständigen L es sing zu urteilen, für die Julius Petersen die größte Herausgeberarbeit
geleistet hat, uicht ohne Berechtigung gewählt.

Von Wielands Werken gab es bis jetzt noch keine umfassende historisch¬
kritische Ausgabe, wie ja auch eine wissenschaftliche Biographie dieses Schriftstellers
immer noch fehlt. Die Deutsche Kommission der Königlich Preußischen Akademie
der Wissenschaften, der wir seit einigen Jahren die rasch geförderte Herausgabe
deutscher Texte des Mittelalters verdanken, hat sich jetzt auch dieser neuern
Ehrenpflicht unterzogen und begonnen, im Verlag der Weidniannschen Buchhandlung
„Wielands Gesammelte Schriften" herauszugeben; Werke, Übersetzungen und Briefe
sollen in etwa 50 Bänden erscheinen in schlichtem, schönem Großoktav, und Erich
Schmidt bemerkt im Vorwort dazu: „Der Zuwachs an bisher unbeachteten Schriften,
verschollnen Drucken und handschriftlichen Funden erscheint beträchtlich, ... Wielands
rege journalistische Tätigkeit muß bis in alle kleinen redaktionellen Bemerkungen
des Teutschen Merkurs zum erstenmal herausgearbeitet werden, -.. unsre Ausgabe
ivird den ganzen Entwicklungsgang des Schriftstellers vorführen und in den Briefen
die bewegliche und eigensinnige, reizbare und enthusiastische, launische und konziliante
Persönlichkeit lebendig machen." Über die Übersetzungskunst und die gesamte
Wirkung Wielands hat der beste Kenner, Goethe, geurteilt: „Er hatte einen eigentüm¬
lichen Verstandes- und Geschmackssinn, mit dem er sich dein Altertum, dem Auslande
nur insofern annäherte, als er seine Konvenienz dabei fand. Dieser vorzügliche
Mann darf als Repräsentant seiner Zeit angesehen werden; er hat außerordentlich
gewirkt, indem gerade das, was ihn anmutete, wie er sichs zueignete und es wieder
mitteilte, auch seinen Zeitgenossen angenehm und genießbar begegnete."

Welche Überraschungen dabei immer wieder herauskommen können, wenn man
bei Briefausgaben unsrer Klassiker auf die erhaltnen Originale zurückgeht, zeigen
die vom Insel-Verlag soeben herausgegebnen berühmten Briefe Wilhelms
von Humboldt an eine Freundin, ein die exzentrisch-romantische Charlotte Diebe,
mit der er als Student drei angeregte Tage geistigen Austausches erlebt hatte, und
der er später in diesen Briefen eine Vermittlung des um 1800 errungnen klassischen
Lebensgeistes geboten hat, die nach ihr noch tausend andern Frauen zugute gekommen
ist. Freilich bisher nur in entstellter Form; der neue Herausgeber, Albert Leitzmcmn,
der zum erstenmal die zum großen Teil erhaltnen Originalbriefe wieder eingesehen
hat und diese selbst hier nun wiedergibt, erhebt gegen die Empfängerin und erste
Herausgeberin die Anklage, daß sie vieles nicht nur gestrichen, sondern auch geändert,
entstellt habe. Wir empfehlen unsern Leserinnen die edle, reife Gabe in der neuen
Form auf das beste, warnen aber Leser davor, die Briefe hintereinander weg lesen
zu wollen, nicht etwa wegen der Schwere der Lektüre, sondern wegen der sonst
dadurch eintretenden Erschlaffung, daß die Mitteilungen an die aufgeregte Frau alle
absichtlich besonders gelassen gehalten sind.


Für die Herausgabe verantwortlich Karl Weisser in Leipzig und George Cleinow in Berlin-
Friedencm. Alle Zuschriften an die Redaktion sind nur nach Leipzig, Jnselstraße 20, zu richten.
Verlag von Fr. Will», Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig
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[0104] Maßgebliches und Umnaßgebliches Klassikerausgaben. Auch Klassikerallsgaben veralten schneller, als man gemeinhin glaubt, in der Ausstattung wie in der literarischen Aufbereitung, selbst so vorzügliche wie die einst vielgerühmte Hempelsche Ausgabe der Klassiker der neuern deutschen Literatur. Wir meinen aber, daß der Borghese Verlag recht daran getan hat, den Versuch zu machen, gerade diese Ausgabe zu erneuern, sie in revidiertem Text, in veränderter Auswahl und mit neugeschriebnen Einleitungen wieder vorzulegen. Anstatt der ehemaligen zweiundzwanzig wissenschaftlichen Mit¬ arbeiter nennt die neue Bearbeitung sechzig: ihr Name „Goldene Klassiker-Bibliothek" ist bei dem ganz billigen Preise nicht auf Papier und Druck, die doch auch gut genannt werden müssen, sondern auf die Zuverlässigkeit und Handlichkeit der Editionsarbeit zu beziehen und ist nach dem uns vorliegenden, in 6 Bänden voll¬ ständigen L es sing zu urteilen, für die Julius Petersen die größte Herausgeberarbeit geleistet hat, uicht ohne Berechtigung gewählt. Von Wielands Werken gab es bis jetzt noch keine umfassende historisch¬ kritische Ausgabe, wie ja auch eine wissenschaftliche Biographie dieses Schriftstellers immer noch fehlt. Die Deutsche Kommission der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, der wir seit einigen Jahren die rasch geförderte Herausgabe deutscher Texte des Mittelalters verdanken, hat sich jetzt auch dieser neuern Ehrenpflicht unterzogen und begonnen, im Verlag der Weidniannschen Buchhandlung „Wielands Gesammelte Schriften" herauszugeben; Werke, Übersetzungen und Briefe sollen in etwa 50 Bänden erscheinen in schlichtem, schönem Großoktav, und Erich Schmidt bemerkt im Vorwort dazu: „Der Zuwachs an bisher unbeachteten Schriften, verschollnen Drucken und handschriftlichen Funden erscheint beträchtlich, ... Wielands rege journalistische Tätigkeit muß bis in alle kleinen redaktionellen Bemerkungen des Teutschen Merkurs zum erstenmal herausgearbeitet werden, -.. unsre Ausgabe ivird den ganzen Entwicklungsgang des Schriftstellers vorführen und in den Briefen die bewegliche und eigensinnige, reizbare und enthusiastische, launische und konziliante Persönlichkeit lebendig machen." Über die Übersetzungskunst und die gesamte Wirkung Wielands hat der beste Kenner, Goethe, geurteilt: „Er hatte einen eigentüm¬ lichen Verstandes- und Geschmackssinn, mit dem er sich dein Altertum, dem Auslande nur insofern annäherte, als er seine Konvenienz dabei fand. Dieser vorzügliche Mann darf als Repräsentant seiner Zeit angesehen werden; er hat außerordentlich gewirkt, indem gerade das, was ihn anmutete, wie er sichs zueignete und es wieder mitteilte, auch seinen Zeitgenossen angenehm und genießbar begegnete." Welche Überraschungen dabei immer wieder herauskommen können, wenn man bei Briefausgaben unsrer Klassiker auf die erhaltnen Originale zurückgeht, zeigen die vom Insel-Verlag soeben herausgegebnen berühmten Briefe Wilhelms von Humboldt an eine Freundin, ein die exzentrisch-romantische Charlotte Diebe, mit der er als Student drei angeregte Tage geistigen Austausches erlebt hatte, und der er später in diesen Briefen eine Vermittlung des um 1800 errungnen klassischen Lebensgeistes geboten hat, die nach ihr noch tausend andern Frauen zugute gekommen ist. Freilich bisher nur in entstellter Form; der neue Herausgeber, Albert Leitzmcmn, der zum erstenmal die zum großen Teil erhaltnen Originalbriefe wieder eingesehen hat und diese selbst hier nun wiedergibt, erhebt gegen die Empfängerin und erste Herausgeberin die Anklage, daß sie vieles nicht nur gestrichen, sondern auch geändert, entstellt habe. Wir empfehlen unsern Leserinnen die edle, reife Gabe in der neuen Form auf das beste, warnen aber Leser davor, die Briefe hintereinander weg lesen zu wollen, nicht etwa wegen der Schwere der Lektüre, sondern wegen der sonst dadurch eintretenden Erschlaffung, daß die Mitteilungen an die aufgeregte Frau alle absichtlich besonders gelassen gehalten sind. Für die Herausgabe verantwortlich Karl Weisser in Leipzig und George Cleinow in Berlin- Friedencm. Alle Zuschriften an die Redaktion sind nur nach Leipzig, Jnselstraße 20, zu richten. Verlag von Fr. Will», Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/104>, abgerufen am 03.05.2024.