Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea

Reihe nennen. Scheidend hat der vielverkannte Mann den Gruß des jungen
Bauernbundes ein5 Gnesen mit den Worten erwidert: "Die Ansiedlungs-
politik muß fortgeführt werden, auch wenn die Regierungen und Persönlich¬
keiten wechseln." Wir wollen tun, was wir können, das politische Testament
Bülows zu erfüllen. ,




Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea

etanntlich hat der neue Zolltarif und seine plötzliche Einführung
in Deutsch-Neuguinea zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen
dem Gouverneur, Exzellenz Dr. Hast, und den ansässigen
europäischen Pflanzern und Kaufleuten geführt. Der Streit ging
bekanntlich so weit, daß die Mitglieder des Gouvernementsrats,
die diesem Teil der Bevölkerung angehörten, ihr Amt niederlegten und sich
Beschwerde führend nach Berlin wandten. Andrerseits verklagte der Gouverneur
die bezeichneten Herren wegen Beleidigung. Allmählich scheint nun eine etwas
ruhigere Behandlung der ganzen Frage auch in Neuguinea Platz zu greifen.
Der Zwischenfall ist durch unsern kolonialen Mitarbeiter Rudolf Wagner
mehrfach, insbesondre in unsrer Kolonialen Rundschau, besprochen worden,
auf dessen Ausführungen wir verweisen. Im allgemeinen sind unsre Leser
also unterrichtet. Es dürfte aber von Interesse sein, wenn wir im folgenden
eine Anzahl von Akten und Briefen, die, bisher zum Teil unveröffentlicht,
für die Beurteilung der Angelegenheit wichtig sind, mit einigen Erläuterungen
hier wiedergeben. Jedenfalls scheinen diese Aktenstücke die Richtigkeit der
an dieser Stelle zurzeit vertretnen Auffassung über den Zwischenfall zu be¬
stätigen. Wir entnehmen das Folgende den Mitteilungen des Herrn Kaufmann
K. B. Mueller, Mitglied des derzeitigen Gouvernementsrats.

Vorauszuschicken ist noch, daß bereits im Februar 1908 der Gouverneur
seinen auf zehn Jahre berechneten Finanzplan dem Gouvernementsrate mitteilte.
Der Inhalt sprach sich herum, und jedermann wußte, daß eine wenig erwünschte
Erhöhung der Abgaben bevorstand. Überraschend kam nur die weit früher als
ursprünglich geplante Einführung. Sie hatte bekanntlich die nachfolgende
Erklärung der Gouvernementsratsmitglieder zur Folge:

5 Die unterzeichneten außeramtlichen Mitglieder des Gouvernementsrats sehen
sich genötigt, gegen das vom Kaiserlichen Gouverneur eingeschlagne Verfahren bei
Einführung der neuen Zollverordnung Protest zu erheben. ,

In der Gouvernementssitzimg vom 13. April 1908 war der Entwurf der
Zollverordnung erstmalig zur Beratung gestellt, trotzdem der Tarif den Mit¬
gliedern noch gar nicht zugegangen war. Erst in der Sitzung selbst wurde ein
Verzeichnis der zollfreien Gegenstande in einem einzigen Exemplar herumgereicht.


Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea

Reihe nennen. Scheidend hat der vielverkannte Mann den Gruß des jungen
Bauernbundes ein5 Gnesen mit den Worten erwidert: „Die Ansiedlungs-
politik muß fortgeführt werden, auch wenn die Regierungen und Persönlich¬
keiten wechseln." Wir wollen tun, was wir können, das politische Testament
Bülows zu erfüllen. ,




Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea

etanntlich hat der neue Zolltarif und seine plötzliche Einführung
in Deutsch-Neuguinea zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen
dem Gouverneur, Exzellenz Dr. Hast, und den ansässigen
europäischen Pflanzern und Kaufleuten geführt. Der Streit ging
bekanntlich so weit, daß die Mitglieder des Gouvernementsrats,
die diesem Teil der Bevölkerung angehörten, ihr Amt niederlegten und sich
Beschwerde führend nach Berlin wandten. Andrerseits verklagte der Gouverneur
die bezeichneten Herren wegen Beleidigung. Allmählich scheint nun eine etwas
ruhigere Behandlung der ganzen Frage auch in Neuguinea Platz zu greifen.
Der Zwischenfall ist durch unsern kolonialen Mitarbeiter Rudolf Wagner
mehrfach, insbesondre in unsrer Kolonialen Rundschau, besprochen worden,
auf dessen Ausführungen wir verweisen. Im allgemeinen sind unsre Leser
also unterrichtet. Es dürfte aber von Interesse sein, wenn wir im folgenden
eine Anzahl von Akten und Briefen, die, bisher zum Teil unveröffentlicht,
für die Beurteilung der Angelegenheit wichtig sind, mit einigen Erläuterungen
hier wiedergeben. Jedenfalls scheinen diese Aktenstücke die Richtigkeit der
an dieser Stelle zurzeit vertretnen Auffassung über den Zwischenfall zu be¬
stätigen. Wir entnehmen das Folgende den Mitteilungen des Herrn Kaufmann
K. B. Mueller, Mitglied des derzeitigen Gouvernementsrats.

Vorauszuschicken ist noch, daß bereits im Februar 1908 der Gouverneur
seinen auf zehn Jahre berechneten Finanzplan dem Gouvernementsrate mitteilte.
Der Inhalt sprach sich herum, und jedermann wußte, daß eine wenig erwünschte
Erhöhung der Abgaben bevorstand. Überraschend kam nur die weit früher als
ursprünglich geplante Einführung. Sie hatte bekanntlich die nachfolgende
Erklärung der Gouvernementsratsmitglieder zur Folge:

5 Die unterzeichneten außeramtlichen Mitglieder des Gouvernementsrats sehen
sich genötigt, gegen das vom Kaiserlichen Gouverneur eingeschlagne Verfahren bei
Einführung der neuen Zollverordnung Protest zu erheben. ,

In der Gouvernementssitzimg vom 13. April 1908 war der Entwurf der
Zollverordnung erstmalig zur Beratung gestellt, trotzdem der Tarif den Mit¬
gliedern noch gar nicht zugegangen war. Erst in der Sitzung selbst wurde ein
Verzeichnis der zollfreien Gegenstande in einem einzigen Exemplar herumgereicht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314479"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_631" prev="#ID_630"> Reihe nennen. Scheidend hat der vielverkannte Mann den Gruß des jungen<lb/>
Bauernbundes ein5 Gnesen mit den Worten erwidert: &#x201E;Die Ansiedlungs-<lb/>
politik muß fortgeführt werden, auch wenn die Regierungen und Persönlich¬<lb/>
keiten wechseln." Wir wollen tun, was wir können, das politische Testament<lb/>
Bülows zu erfüllen. ,</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea</head><lb/>
          <p xml:id="ID_632"> etanntlich hat der neue Zolltarif und seine plötzliche Einführung<lb/>
in Deutsch-Neuguinea zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen<lb/>
dem Gouverneur, Exzellenz Dr. Hast, und den ansässigen<lb/>
europäischen Pflanzern und Kaufleuten geführt. Der Streit ging<lb/>
bekanntlich so weit, daß die Mitglieder des Gouvernementsrats,<lb/>
die diesem Teil der Bevölkerung angehörten, ihr Amt niederlegten und sich<lb/>
Beschwerde führend nach Berlin wandten. Andrerseits verklagte der Gouverneur<lb/>
die bezeichneten Herren wegen Beleidigung. Allmählich scheint nun eine etwas<lb/>
ruhigere Behandlung der ganzen Frage auch in Neuguinea Platz zu greifen.<lb/>
Der Zwischenfall ist durch unsern kolonialen Mitarbeiter Rudolf Wagner<lb/>
mehrfach, insbesondre in unsrer Kolonialen Rundschau, besprochen worden,<lb/>
auf dessen Ausführungen wir verweisen. Im allgemeinen sind unsre Leser<lb/>
also unterrichtet. Es dürfte aber von Interesse sein, wenn wir im folgenden<lb/>
eine Anzahl von Akten und Briefen, die, bisher zum Teil unveröffentlicht,<lb/>
für die Beurteilung der Angelegenheit wichtig sind, mit einigen Erläuterungen<lb/>
hier wiedergeben. Jedenfalls scheinen diese Aktenstücke die Richtigkeit der<lb/>
an dieser Stelle zurzeit vertretnen Auffassung über den Zwischenfall zu be¬<lb/>
stätigen. Wir entnehmen das Folgende den Mitteilungen des Herrn Kaufmann<lb/>
K. B. Mueller, Mitglied des derzeitigen Gouvernementsrats.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_633"> Vorauszuschicken ist noch, daß bereits im Februar 1908 der Gouverneur<lb/>
seinen auf zehn Jahre berechneten Finanzplan dem Gouvernementsrate mitteilte.<lb/>
Der Inhalt sprach sich herum, und jedermann wußte, daß eine wenig erwünschte<lb/>
Erhöhung der Abgaben bevorstand. Überraschend kam nur die weit früher als<lb/>
ursprünglich geplante Einführung. Sie hatte bekanntlich die nachfolgende<lb/>
Erklärung der Gouvernementsratsmitglieder zur Folge:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_634"> 5 Die unterzeichneten außeramtlichen Mitglieder des Gouvernementsrats sehen<lb/>
sich genötigt, gegen das vom Kaiserlichen Gouverneur eingeschlagne Verfahren bei<lb/>
Einführung der neuen Zollverordnung Protest zu erheben. ,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_635" next="#ID_636"> In der Gouvernementssitzimg vom 13. April 1908 war der Entwurf der<lb/>
Zollverordnung erstmalig zur Beratung gestellt, trotzdem der Tarif den Mit¬<lb/>
gliedern noch gar nicht zugegangen war. Erst in der Sitzung selbst wurde ein<lb/>
Verzeichnis der zollfreien Gegenstande in einem einzigen Exemplar herumgereicht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0132] Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea Reihe nennen. Scheidend hat der vielverkannte Mann den Gruß des jungen Bauernbundes ein5 Gnesen mit den Worten erwidert: „Die Ansiedlungs- politik muß fortgeführt werden, auch wenn die Regierungen und Persönlich¬ keiten wechseln." Wir wollen tun, was wir können, das politische Testament Bülows zu erfüllen. , Der Streit um den Zolltarif in Neuguinea etanntlich hat der neue Zolltarif und seine plötzliche Einführung in Deutsch-Neuguinea zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen dem Gouverneur, Exzellenz Dr. Hast, und den ansässigen europäischen Pflanzern und Kaufleuten geführt. Der Streit ging bekanntlich so weit, daß die Mitglieder des Gouvernementsrats, die diesem Teil der Bevölkerung angehörten, ihr Amt niederlegten und sich Beschwerde führend nach Berlin wandten. Andrerseits verklagte der Gouverneur die bezeichneten Herren wegen Beleidigung. Allmählich scheint nun eine etwas ruhigere Behandlung der ganzen Frage auch in Neuguinea Platz zu greifen. Der Zwischenfall ist durch unsern kolonialen Mitarbeiter Rudolf Wagner mehrfach, insbesondre in unsrer Kolonialen Rundschau, besprochen worden, auf dessen Ausführungen wir verweisen. Im allgemeinen sind unsre Leser also unterrichtet. Es dürfte aber von Interesse sein, wenn wir im folgenden eine Anzahl von Akten und Briefen, die, bisher zum Teil unveröffentlicht, für die Beurteilung der Angelegenheit wichtig sind, mit einigen Erläuterungen hier wiedergeben. Jedenfalls scheinen diese Aktenstücke die Richtigkeit der an dieser Stelle zurzeit vertretnen Auffassung über den Zwischenfall zu be¬ stätigen. Wir entnehmen das Folgende den Mitteilungen des Herrn Kaufmann K. B. Mueller, Mitglied des derzeitigen Gouvernementsrats. Vorauszuschicken ist noch, daß bereits im Februar 1908 der Gouverneur seinen auf zehn Jahre berechneten Finanzplan dem Gouvernementsrate mitteilte. Der Inhalt sprach sich herum, und jedermann wußte, daß eine wenig erwünschte Erhöhung der Abgaben bevorstand. Überraschend kam nur die weit früher als ursprünglich geplante Einführung. Sie hatte bekanntlich die nachfolgende Erklärung der Gouvernementsratsmitglieder zur Folge: 5 Die unterzeichneten außeramtlichen Mitglieder des Gouvernementsrats sehen sich genötigt, gegen das vom Kaiserlichen Gouverneur eingeschlagne Verfahren bei Einführung der neuen Zollverordnung Protest zu erheben. , In der Gouvernementssitzimg vom 13. April 1908 war der Entwurf der Zollverordnung erstmalig zur Beratung gestellt, trotzdem der Tarif den Mit¬ gliedern noch gar nicht zugegangen war. Erst in der Sitzung selbst wurde ein Verzeichnis der zollfreien Gegenstande in einem einzigen Exemplar herumgereicht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/132
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/132>, abgerufen am 03.05.2024.