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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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szenische Ausstattung
von Georg Stellanus
?. Aostüm und Requisiten

as die auf der Bühne erscheinenden Damen Toiletten nennen,
und was den Schauspielern vom Zivilschneider geliefert wird,
gehört nicht hierher und bedarf auch wirklich kaum einer besondern
Besprechung. Da es sich bei dem modernen Salonstück und bei
!Wahl des dafür passenden Umzugs nur darum handelt, daß
jedermann je nach der Tageszeit und je nach der in Frage
kommenden Gelegenheit korrekt, das heißt in einer den Begriffen der ele¬
ganten Welt entsprechenden Weise gekleidet sei, so macht sich das da, wo
nicht gespart zu werden braucht, ganz von selbst. Es ist bekannt, daß nicht
bloß die gefeiertsten unter den Schauspielerinnen der Mode voraus zu sein
und sie vielfach zu bestimmen pflegen, sondern daß anch einige Koryphäen
unter den Schauspielern dasselbe für die Herrenmoden tun. Das hindert
freilich nicht, daß wir an den Schauspielerinnen bisweilen, namentlich wo es
sich um Hauskleidung und Promeucidenkostüm handelt, die wohltuende Ein¬
fachheit vermissen, die hier der Stempel des guten Geschmacks ist, aber wenn
die gewählte, etwas auffallende Toilette unserm Auge schmeichelt und der
Trägerin gut steht, wer möchte da nicht nachsichtig urteilen!

Wenn man für Stücke, deren Handlung etwa in die Mitte des vorigen
Jahrhunderts fällt, bisweilen auf die Mode der damaligen Zeit zurückgeht, so
ist in solchen Füllen die von den Spielenden getragne Kleidung schon Kostüm.
Das sich hierin ausdrückende Raffinement entspricht ganz der allgemeinen
Richtung der Zeit, der es um echte Lokalfarbe zu tun ist, und dem Lustspiele,
wenn es in irgendeiner Weise ein bißchen veraltet ist, geschieht damit ein
Gefallen. Aus der Not wird eine Tugend gemacht: was uns im Munde von
Schauspielern, die im Geschmacke der heutigen Mode gekleidet wären, sonderbar
klingen würde, erscheint uns ganz in der Ordnung, wenn uns die besondre
Kleidung der Schauspieler daran erinnert, daß wir nicht die Jetztzeit, sondern
die Mitte des vorigen Jahrhunderts vor uns haben. Nur dürfen uns frei¬
lich nicht die extremsten, exzentrischsten Ausschreitungen der damaligen Mode
vor Augen geführt werden: es genügen vielmehr ein paar charakteristische, dem
Schönheitssinne nicht anstößige Eigentümlichkeiten der damaligen Tracht, da
uns, wenn wir auch die Auswüchse der Mode zu sehen bekämen, die Schau¬
spieler leicht zu Karikaturen werden könnten. Das Auge gewöhnt sich an die
Sonderbarkeiten einer Mode, die es täglich sieht, und es konnten ihm seinerzeit,
ohne daß es sich beleidigt fühlte, allerlei Ausschreitungen vorgeführt werden, die
uns heutigentags mehr als barock erscheinen, eben weil unser Auge auch an die




szenische Ausstattung
von Georg Stellanus
?. Aostüm und Requisiten

as die auf der Bühne erscheinenden Damen Toiletten nennen,
und was den Schauspielern vom Zivilschneider geliefert wird,
gehört nicht hierher und bedarf auch wirklich kaum einer besondern
Besprechung. Da es sich bei dem modernen Salonstück und bei
!Wahl des dafür passenden Umzugs nur darum handelt, daß
jedermann je nach der Tageszeit und je nach der in Frage
kommenden Gelegenheit korrekt, das heißt in einer den Begriffen der ele¬
ganten Welt entsprechenden Weise gekleidet sei, so macht sich das da, wo
nicht gespart zu werden braucht, ganz von selbst. Es ist bekannt, daß nicht
bloß die gefeiertsten unter den Schauspielerinnen der Mode voraus zu sein
und sie vielfach zu bestimmen pflegen, sondern daß anch einige Koryphäen
unter den Schauspielern dasselbe für die Herrenmoden tun. Das hindert
freilich nicht, daß wir an den Schauspielerinnen bisweilen, namentlich wo es
sich um Hauskleidung und Promeucidenkostüm handelt, die wohltuende Ein¬
fachheit vermissen, die hier der Stempel des guten Geschmacks ist, aber wenn
die gewählte, etwas auffallende Toilette unserm Auge schmeichelt und der
Trägerin gut steht, wer möchte da nicht nachsichtig urteilen!

Wenn man für Stücke, deren Handlung etwa in die Mitte des vorigen
Jahrhunderts fällt, bisweilen auf die Mode der damaligen Zeit zurückgeht, so
ist in solchen Füllen die von den Spielenden getragne Kleidung schon Kostüm.
Das sich hierin ausdrückende Raffinement entspricht ganz der allgemeinen
Richtung der Zeit, der es um echte Lokalfarbe zu tun ist, und dem Lustspiele,
wenn es in irgendeiner Weise ein bißchen veraltet ist, geschieht damit ein
Gefallen. Aus der Not wird eine Tugend gemacht: was uns im Munde von
Schauspielern, die im Geschmacke der heutigen Mode gekleidet wären, sonderbar
klingen würde, erscheint uns ganz in der Ordnung, wenn uns die besondre
Kleidung der Schauspieler daran erinnert, daß wir nicht die Jetztzeit, sondern
die Mitte des vorigen Jahrhunderts vor uns haben. Nur dürfen uns frei¬
lich nicht die extremsten, exzentrischsten Ausschreitungen der damaligen Mode
vor Augen geführt werden: es genügen vielmehr ein paar charakteristische, dem
Schönheitssinne nicht anstößige Eigentümlichkeiten der damaligen Tracht, da
uns, wenn wir auch die Auswüchse der Mode zu sehen bekämen, die Schau¬
spieler leicht zu Karikaturen werden könnten. Das Auge gewöhnt sich an die
Sonderbarkeiten einer Mode, die es täglich sieht, und es konnten ihm seinerzeit,
ohne daß es sich beleidigt fühlte, allerlei Ausschreitungen vorgeführt werden, die
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[0242] [Abbildung] szenische Ausstattung von Georg Stellanus ?. Aostüm und Requisiten as die auf der Bühne erscheinenden Damen Toiletten nennen, und was den Schauspielern vom Zivilschneider geliefert wird, gehört nicht hierher und bedarf auch wirklich kaum einer besondern Besprechung. Da es sich bei dem modernen Salonstück und bei !Wahl des dafür passenden Umzugs nur darum handelt, daß jedermann je nach der Tageszeit und je nach der in Frage kommenden Gelegenheit korrekt, das heißt in einer den Begriffen der ele¬ ganten Welt entsprechenden Weise gekleidet sei, so macht sich das da, wo nicht gespart zu werden braucht, ganz von selbst. Es ist bekannt, daß nicht bloß die gefeiertsten unter den Schauspielerinnen der Mode voraus zu sein und sie vielfach zu bestimmen pflegen, sondern daß anch einige Koryphäen unter den Schauspielern dasselbe für die Herrenmoden tun. Das hindert freilich nicht, daß wir an den Schauspielerinnen bisweilen, namentlich wo es sich um Hauskleidung und Promeucidenkostüm handelt, die wohltuende Ein¬ fachheit vermissen, die hier der Stempel des guten Geschmacks ist, aber wenn die gewählte, etwas auffallende Toilette unserm Auge schmeichelt und der Trägerin gut steht, wer möchte da nicht nachsichtig urteilen! Wenn man für Stücke, deren Handlung etwa in die Mitte des vorigen Jahrhunderts fällt, bisweilen auf die Mode der damaligen Zeit zurückgeht, so ist in solchen Füllen die von den Spielenden getragne Kleidung schon Kostüm. Das sich hierin ausdrückende Raffinement entspricht ganz der allgemeinen Richtung der Zeit, der es um echte Lokalfarbe zu tun ist, und dem Lustspiele, wenn es in irgendeiner Weise ein bißchen veraltet ist, geschieht damit ein Gefallen. Aus der Not wird eine Tugend gemacht: was uns im Munde von Schauspielern, die im Geschmacke der heutigen Mode gekleidet wären, sonderbar klingen würde, erscheint uns ganz in der Ordnung, wenn uns die besondre Kleidung der Schauspieler daran erinnert, daß wir nicht die Jetztzeit, sondern die Mitte des vorigen Jahrhunderts vor uns haben. Nur dürfen uns frei¬ lich nicht die extremsten, exzentrischsten Ausschreitungen der damaligen Mode vor Augen geführt werden: es genügen vielmehr ein paar charakteristische, dem Schönheitssinne nicht anstößige Eigentümlichkeiten der damaligen Tracht, da uns, wenn wir auch die Auswüchse der Mode zu sehen bekämen, die Schau¬ spieler leicht zu Karikaturen werden könnten. Das Auge gewöhnt sich an die Sonderbarkeiten einer Mode, die es täglich sieht, und es konnten ihm seinerzeit, ohne daß es sich beleidigt fühlte, allerlei Ausschreitungen vorgeführt werden, die uns heutigentags mehr als barock erscheinen, eben weil unser Auge auch an die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/242>, abgerufen am 03.05.2024.