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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Das deutsche Dorf

seinen Normen entgegenstellt. Er hat das soziale Gewissen der Bürgerschaft
überaus geschärft und rege gehalten, viele nützliche Wohlfahrtseinrichtungen
geschaffen und dabei politisch das Verdienst, mitten in der ostasiatischen Welt
einen Eckpfeiler der weißen Rasse unversehrt erhalten zu haben. Aber wirt¬
schaftlich sind ihm zweifellos weit mehr gute Absichten als wirkliche Erfolgs¬
möglichkeiten und fortschrittliche Energien eigen, und es ist zu befürchten, daß
P. Leroy-Beaulieu nur zu recht mit seiner Warnung an Australien behält:
... si ello vers6vors 6s,v,8 la usus voie, it sse kort Z. orainärs "zu'ello oontinue
ac v6Sö6ter a 1'g.verür oomino eile l'a ks.it Äopuis 1893 alors <^u" Wut 1ö rests
an wonäo oiviliss a travsrs^ uns psrioäs als xrosperitö exosptionslle.


kindsay Martin


Das deutsche Dorf

"enden die Heimatkunst und Heimatkunde in Deutschland wieder
tiefe Wurzel geschlagen haben, ist in erster Reihe das deutsche
Dorf der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden.
Männer wie Meitzen sind auf die Entstehung der uralte"
I Siedlungen zurückgegangen und haben die unterscheidenden Merk¬
male der verschiednen Bauarten in den einzelnen Gauen festgelegt, unsre neuern
Dichter und Schriftsteller haben in Erzählungen und Romanen die Eigenart
der ländlichen Verhältnisse, die Licht- und Schattenseiten der Landbevölkerung
ausgiebig geschildert und noch längst nicht erschöpft. Die Sohnreyschen Be¬
strebungen ferner sind auf die ländliche Wohlfahrtspflege gerichtet, um den
Bauern die alte Heimat wieder lieb und wert zu machen. Man ist sich darüber
einig, daß die Erhaltung des Bauernstandes eine Lebensfrage für Deutschland
ist, und besinnt sich allmählich darauf, daß dem immer weiter fortschreitenden
Untergange mit allen erdenklichen Mitteln entgegengetreten werden muß. Für
einen, der diesen ältesten Stand lieb hat, aus dem alle andern Berufe erst
hervorgegangen sind, ist es schmerzlich, in vielen Gegenden nur noch fremde
slawische Laute auf den Dörfern zu hören und nichts mehr von den alten
Volksliedern zu vernehmen, die vordem an schönen Sommerabenden draußen
auf der Dorfstraße oder im Winter beim Spinnrad gesungen wurden. Diese
schöne schlichte Poesie des Dorflebens ist für viele Landstriche unwiederbringlich
dahin, und städtisches Wesen ist an dessen Stelle getreten. Und doch ist noch
manches zu retten und jeder Versuch in dieser Beziehung mit Freuden zu
begrüßen, mag er auf wirtschaftlichem oder ethischem Gebiete liegen. Hierher
geholt deshalb auch ein kürzlich bei Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erschienenes
Buch von Heinz Boehmer: Das deutsche Dorf, Lieder zum Preise von
Dorf und Flur mit Abbildungen deutscher Bauernhäuser. Es soll dazu bei-


Das deutsche Dorf

seinen Normen entgegenstellt. Er hat das soziale Gewissen der Bürgerschaft
überaus geschärft und rege gehalten, viele nützliche Wohlfahrtseinrichtungen
geschaffen und dabei politisch das Verdienst, mitten in der ostasiatischen Welt
einen Eckpfeiler der weißen Rasse unversehrt erhalten zu haben. Aber wirt¬
schaftlich sind ihm zweifellos weit mehr gute Absichten als wirkliche Erfolgs¬
möglichkeiten und fortschrittliche Energien eigen, und es ist zu befürchten, daß
P. Leroy-Beaulieu nur zu recht mit seiner Warnung an Australien behält:
... si ello vers6vors 6s,v,8 la usus voie, it sse kort Z. orainärs «zu'ello oontinue
ac v6Sö6ter a 1'g.verür oomino eile l'a ks.it Äopuis 1893 alors <^u« Wut 1ö rests
an wonäo oiviliss a travsrs^ uns psrioäs als xrosperitö exosptionslle.


kindsay Martin


Das deutsche Dorf

»enden die Heimatkunst und Heimatkunde in Deutschland wieder
tiefe Wurzel geschlagen haben, ist in erster Reihe das deutsche
Dorf der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden.
Männer wie Meitzen sind auf die Entstehung der uralte»
I Siedlungen zurückgegangen und haben die unterscheidenden Merk¬
male der verschiednen Bauarten in den einzelnen Gauen festgelegt, unsre neuern
Dichter und Schriftsteller haben in Erzählungen und Romanen die Eigenart
der ländlichen Verhältnisse, die Licht- und Schattenseiten der Landbevölkerung
ausgiebig geschildert und noch längst nicht erschöpft. Die Sohnreyschen Be¬
strebungen ferner sind auf die ländliche Wohlfahrtspflege gerichtet, um den
Bauern die alte Heimat wieder lieb und wert zu machen. Man ist sich darüber
einig, daß die Erhaltung des Bauernstandes eine Lebensfrage für Deutschland
ist, und besinnt sich allmählich darauf, daß dem immer weiter fortschreitenden
Untergange mit allen erdenklichen Mitteln entgegengetreten werden muß. Für
einen, der diesen ältesten Stand lieb hat, aus dem alle andern Berufe erst
hervorgegangen sind, ist es schmerzlich, in vielen Gegenden nur noch fremde
slawische Laute auf den Dörfern zu hören und nichts mehr von den alten
Volksliedern zu vernehmen, die vordem an schönen Sommerabenden draußen
auf der Dorfstraße oder im Winter beim Spinnrad gesungen wurden. Diese
schöne schlichte Poesie des Dorflebens ist für viele Landstriche unwiederbringlich
dahin, und städtisches Wesen ist an dessen Stelle getreten. Und doch ist noch
manches zu retten und jeder Versuch in dieser Beziehung mit Freuden zu
begrüßen, mag er auf wirtschaftlichem oder ethischem Gebiete liegen. Hierher
geholt deshalb auch ein kürzlich bei Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erschienenes
Buch von Heinz Boehmer: Das deutsche Dorf, Lieder zum Preise von
Dorf und Flur mit Abbildungen deutscher Bauernhäuser. Es soll dazu bei-


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[0364] Das deutsche Dorf seinen Normen entgegenstellt. Er hat das soziale Gewissen der Bürgerschaft überaus geschärft und rege gehalten, viele nützliche Wohlfahrtseinrichtungen geschaffen und dabei politisch das Verdienst, mitten in der ostasiatischen Welt einen Eckpfeiler der weißen Rasse unversehrt erhalten zu haben. Aber wirt¬ schaftlich sind ihm zweifellos weit mehr gute Absichten als wirkliche Erfolgs¬ möglichkeiten und fortschrittliche Energien eigen, und es ist zu befürchten, daß P. Leroy-Beaulieu nur zu recht mit seiner Warnung an Australien behält: ... si ello vers6vors 6s,v,8 la usus voie, it sse kort Z. orainärs «zu'ello oontinue ac v6Sö6ter a 1'g.verür oomino eile l'a ks.it Äopuis 1893 alors <^u« Wut 1ö rests an wonäo oiviliss a travsrs^ uns psrioäs als xrosperitö exosptionslle. kindsay Martin Das deutsche Dorf »enden die Heimatkunst und Heimatkunde in Deutschland wieder tiefe Wurzel geschlagen haben, ist in erster Reihe das deutsche Dorf der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden. Männer wie Meitzen sind auf die Entstehung der uralte» I Siedlungen zurückgegangen und haben die unterscheidenden Merk¬ male der verschiednen Bauarten in den einzelnen Gauen festgelegt, unsre neuern Dichter und Schriftsteller haben in Erzählungen und Romanen die Eigenart der ländlichen Verhältnisse, die Licht- und Schattenseiten der Landbevölkerung ausgiebig geschildert und noch längst nicht erschöpft. Die Sohnreyschen Be¬ strebungen ferner sind auf die ländliche Wohlfahrtspflege gerichtet, um den Bauern die alte Heimat wieder lieb und wert zu machen. Man ist sich darüber einig, daß die Erhaltung des Bauernstandes eine Lebensfrage für Deutschland ist, und besinnt sich allmählich darauf, daß dem immer weiter fortschreitenden Untergange mit allen erdenklichen Mitteln entgegengetreten werden muß. Für einen, der diesen ältesten Stand lieb hat, aus dem alle andern Berufe erst hervorgegangen sind, ist es schmerzlich, in vielen Gegenden nur noch fremde slawische Laute auf den Dörfern zu hören und nichts mehr von den alten Volksliedern zu vernehmen, die vordem an schönen Sommerabenden draußen auf der Dorfstraße oder im Winter beim Spinnrad gesungen wurden. Diese schöne schlichte Poesie des Dorflebens ist für viele Landstriche unwiederbringlich dahin, und städtisches Wesen ist an dessen Stelle getreten. Und doch ist noch manches zu retten und jeder Versuch in dieser Beziehung mit Freuden zu begrüßen, mag er auf wirtschaftlichem oder ethischem Gebiete liegen. Hierher geholt deshalb auch ein kürzlich bei Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erschienenes Buch von Heinz Boehmer: Das deutsche Dorf, Lieder zum Preise von Dorf und Flur mit Abbildungen deutscher Bauernhäuser. Es soll dazu bei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/364>, abgerufen am 03.05.2024.