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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Das deutsche Dorf

tragen, Freude an Dorf Und Flur zu wecken, das dörfliche Leben zu ."durch-
geistigen" und zu veredeln. Der Herausgeber, dessen Liebe zum Dorfleben auch
der Gedanke entsprungen ist, ein volkstümliches Freilichtmuseum als "deutsches
Torf" in der Reichshauptstadt erstehn zu lassen/ hat sein Buch allen Freunden
echten dörflichen Lebens im besten Sinne des Wortes gewidmet und darin
etwa 230 Lieder deutscher Dichter zusammengestellt, die das gesamte Dorfleben
in allen seinen Zweigen behandeln. ' """"

Das überaus reichhaltige Material auf diesem weiten Gebiete ist jedoch
nicht wahllos in dem Buche wiedergegeben worden, wie ausdrücklich bemerkt
wird, sondern nur das Schönste und Beste, was das Dorf, seine Bewohner
und Fluren besingt und wirklich Genuß bereitet, hat Aufnahme finden können.
Und diese Auswahl ist in der Tat dem Herausgeber wohl gelungen: Man kommt
in Verlegenheit das eine oder andre Gedicht als Musterbeispiel anführen zu
wollen. weil sie fast ausnahmlos schön sind. Dabei drängt sich aber ^ auch
gleichzeitig die Überzeugung auf, daß es keinen Stand und Beruf gibt, der so
oft und so mannigfach von den Dichtern besungen worden ist wie der Bauern¬
stand und alles, was damit zusammenhängt. Wohl haben wir Lieder, die das
Soldaten-, Helden- und Kriegsleben feiern; es gibt Studenten-, Wärter- und
Vaterlandslieder aller Art; es fehlt auch keineswegs an Gedichten über Industrie
und Handwerk. Handel und Verkehr: sie kommen jedoch an Innigkeit und
Schlichtheit nicht den Liedern gleich, die auf das Landleben gerichtet sind. Die
Erklärung für diese Beobachtung ist darin zu suchen, daß kein Stand so innig
mit der Natur verknüpft ist wie der Bauernstand/der Tag für Tag mit deren
Mächten zu kämpfen, zu ringen und zu rechnen hat, der aber auch die
Segnungen und Früchte seiner Arbeit ganz unmittelbar verspürt, wenn er das
Land bebaut und Jahr für Jahr seine ganze Hoffnung der Scholle anvertraut.
Alle diese Freuden und Leiden bilden auch eine Poesie des Landlebens, die
ja schon den Griechen und den Römern nicht fremd war, aber erst bei den
deutschen Dichtern den rechten Ausdruck fand. Viele von ihnen sind auf die
eine oder andre Weise mit dem Landleben in Beziehung getreten; nicht wenige
sind auf dem Dorfe selbst geboren und haben das Leben und Treiben der
Dörfler aus eigenster Erfahrung kennen gelernt, andre wieder sind durch ihre
Lebensstellung dem Landvolke nahe getreten, wie zum Beispiel Goethe selbst,
der in seiner Eigenschaft als Minister die Aushebung und den Wegebau im
Weimarischen unter sich hatte und oft auf Dienstreisen mit den Landleuten
in Berührung kam..... '

Es ist also kein Wunder, daß das tägliche Leben des Bauern zu allen
Jahreszeiten und bei allem seinem Wirken und Schaffen vom frühen Morgen,
vom Sonnenaufgang bis zum Abendländer dichterisch verherrlicht worden ist.
Diesem Umstände trügt der Herausgeber Rechnung, wenn er zuerst Lieder
über den Bauern selbst, dann solche über das Dorf und das dörfliche Leben
bringt wenn er dann im dritten Abschnitt Lieder über U^ FWr und mal


Grenzboicn IV 1909 4"
Das deutsche Dorf

tragen, Freude an Dorf Und Flur zu wecken, das dörfliche Leben zu .»durch-
geistigen" und zu veredeln. Der Herausgeber, dessen Liebe zum Dorfleben auch
der Gedanke entsprungen ist, ein volkstümliches Freilichtmuseum als „deutsches
Torf" in der Reichshauptstadt erstehn zu lassen/ hat sein Buch allen Freunden
echten dörflichen Lebens im besten Sinne des Wortes gewidmet und darin
etwa 230 Lieder deutscher Dichter zusammengestellt, die das gesamte Dorfleben
in allen seinen Zweigen behandeln. ' """"

Das überaus reichhaltige Material auf diesem weiten Gebiete ist jedoch
nicht wahllos in dem Buche wiedergegeben worden, wie ausdrücklich bemerkt
wird, sondern nur das Schönste und Beste, was das Dorf, seine Bewohner
und Fluren besingt und wirklich Genuß bereitet, hat Aufnahme finden können.
Und diese Auswahl ist in der Tat dem Herausgeber wohl gelungen: Man kommt
in Verlegenheit das eine oder andre Gedicht als Musterbeispiel anführen zu
wollen. weil sie fast ausnahmlos schön sind. Dabei drängt sich aber ^ auch
gleichzeitig die Überzeugung auf, daß es keinen Stand und Beruf gibt, der so
oft und so mannigfach von den Dichtern besungen worden ist wie der Bauern¬
stand und alles, was damit zusammenhängt. Wohl haben wir Lieder, die das
Soldaten-, Helden- und Kriegsleben feiern; es gibt Studenten-, Wärter- und
Vaterlandslieder aller Art; es fehlt auch keineswegs an Gedichten über Industrie
und Handwerk. Handel und Verkehr: sie kommen jedoch an Innigkeit und
Schlichtheit nicht den Liedern gleich, die auf das Landleben gerichtet sind. Die
Erklärung für diese Beobachtung ist darin zu suchen, daß kein Stand so innig
mit der Natur verknüpft ist wie der Bauernstand/der Tag für Tag mit deren
Mächten zu kämpfen, zu ringen und zu rechnen hat, der aber auch die
Segnungen und Früchte seiner Arbeit ganz unmittelbar verspürt, wenn er das
Land bebaut und Jahr für Jahr seine ganze Hoffnung der Scholle anvertraut.
Alle diese Freuden und Leiden bilden auch eine Poesie des Landlebens, die
ja schon den Griechen und den Römern nicht fremd war, aber erst bei den
deutschen Dichtern den rechten Ausdruck fand. Viele von ihnen sind auf die
eine oder andre Weise mit dem Landleben in Beziehung getreten; nicht wenige
sind auf dem Dorfe selbst geboren und haben das Leben und Treiben der
Dörfler aus eigenster Erfahrung kennen gelernt, andre wieder sind durch ihre
Lebensstellung dem Landvolke nahe getreten, wie zum Beispiel Goethe selbst,
der in seiner Eigenschaft als Minister die Aushebung und den Wegebau im
Weimarischen unter sich hatte und oft auf Dienstreisen mit den Landleuten
in Berührung kam..... '

Es ist also kein Wunder, daß das tägliche Leben des Bauern zu allen
Jahreszeiten und bei allem seinem Wirken und Schaffen vom frühen Morgen,
vom Sonnenaufgang bis zum Abendländer dichterisch verherrlicht worden ist.
Diesem Umstände trügt der Herausgeber Rechnung, wenn er zuerst Lieder
über den Bauern selbst, dann solche über das Dorf und das dörfliche Leben
bringt wenn er dann im dritten Abschnitt Lieder über U^ FWr und mal


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[0365] Das deutsche Dorf tragen, Freude an Dorf Und Flur zu wecken, das dörfliche Leben zu .»durch- geistigen" und zu veredeln. Der Herausgeber, dessen Liebe zum Dorfleben auch der Gedanke entsprungen ist, ein volkstümliches Freilichtmuseum als „deutsches Torf" in der Reichshauptstadt erstehn zu lassen/ hat sein Buch allen Freunden echten dörflichen Lebens im besten Sinne des Wortes gewidmet und darin etwa 230 Lieder deutscher Dichter zusammengestellt, die das gesamte Dorfleben in allen seinen Zweigen behandeln. ' """" Das überaus reichhaltige Material auf diesem weiten Gebiete ist jedoch nicht wahllos in dem Buche wiedergegeben worden, wie ausdrücklich bemerkt wird, sondern nur das Schönste und Beste, was das Dorf, seine Bewohner und Fluren besingt und wirklich Genuß bereitet, hat Aufnahme finden können. Und diese Auswahl ist in der Tat dem Herausgeber wohl gelungen: Man kommt in Verlegenheit das eine oder andre Gedicht als Musterbeispiel anführen zu wollen. weil sie fast ausnahmlos schön sind. Dabei drängt sich aber ^ auch gleichzeitig die Überzeugung auf, daß es keinen Stand und Beruf gibt, der so oft und so mannigfach von den Dichtern besungen worden ist wie der Bauern¬ stand und alles, was damit zusammenhängt. Wohl haben wir Lieder, die das Soldaten-, Helden- und Kriegsleben feiern; es gibt Studenten-, Wärter- und Vaterlandslieder aller Art; es fehlt auch keineswegs an Gedichten über Industrie und Handwerk. Handel und Verkehr: sie kommen jedoch an Innigkeit und Schlichtheit nicht den Liedern gleich, die auf das Landleben gerichtet sind. Die Erklärung für diese Beobachtung ist darin zu suchen, daß kein Stand so innig mit der Natur verknüpft ist wie der Bauernstand/der Tag für Tag mit deren Mächten zu kämpfen, zu ringen und zu rechnen hat, der aber auch die Segnungen und Früchte seiner Arbeit ganz unmittelbar verspürt, wenn er das Land bebaut und Jahr für Jahr seine ganze Hoffnung der Scholle anvertraut. Alle diese Freuden und Leiden bilden auch eine Poesie des Landlebens, die ja schon den Griechen und den Römern nicht fremd war, aber erst bei den deutschen Dichtern den rechten Ausdruck fand. Viele von ihnen sind auf die eine oder andre Weise mit dem Landleben in Beziehung getreten; nicht wenige sind auf dem Dorfe selbst geboren und haben das Leben und Treiben der Dörfler aus eigenster Erfahrung kennen gelernt, andre wieder sind durch ihre Lebensstellung dem Landvolke nahe getreten, wie zum Beispiel Goethe selbst, der in seiner Eigenschaft als Minister die Aushebung und den Wegebau im Weimarischen unter sich hatte und oft auf Dienstreisen mit den Landleuten in Berührung kam..... ' Es ist also kein Wunder, daß das tägliche Leben des Bauern zu allen Jahreszeiten und bei allem seinem Wirken und Schaffen vom frühen Morgen, vom Sonnenaufgang bis zum Abendländer dichterisch verherrlicht worden ist. Diesem Umstände trügt der Herausgeber Rechnung, wenn er zuerst Lieder über den Bauern selbst, dann solche über das Dorf und das dörfliche Leben bringt wenn er dann im dritten Abschnitt Lieder über U^ FWr und mal Grenzboicn IV 1909 4"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/365>, abgerufen am 18.05.2024.