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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Petra

zu werden, weil mancher, dem das geschriebn" Wort beim Lesen nicht zum
Klänge wird, nur allzu geneigt ist, den Dichter für das Ausbleiben des Lust¬
gefühls verantwortlich zu machen.

Solange Dichter wie Hermann Wette bemüht bleiben, die Schönheit
ihrer alten Muttersprache zu erhalten, ist es verfrüht, unsrer geliebten platt¬
deutschen Modersprak das Sterbelied zu singen. In dem Aschenbrödel Platt¬
deutsch ist eine Königin verborgen; das wird jeder freudig bekennen, der
dem Sänge Hermann Wettes lauscht, und mir zustimmen, wenn ich zum
Schluß bemerke: Mit der niederdeutschen Sprache würde etwas Herrliches aus
unserm Volksleben verschwinden; sie ist ein "Quickborn" im wahren Sinne
des Wortes.




Petra
Reiseerinnerungen aus der Hauptstadt der Nabatäer
von Heinrich Wolfgang Truhen

er nächste Tag s
MtiLllV ollte uns den herrlichsten und schönsten Eindruck
unsrer ganzen Reise geben, den Einzug in das eigentliche Petra
durch den Sit. Es ist das eine großartige Felsenklamm, durch
die sich in Windungen etwa eine halbe Stunde der Bach nach
Westen zieht. Es ist wundervoll, aus dem heißen Sonnenbrand
in der weiten Talsohle von Bad-es-Sit, der durch den Reflex der
Weißen Sandsteinflächen noch empfindlicher wird, nun plötzlich einzutreten in
diese geheimnisvolle, wasserreiche Schlucht mit ihrer erquickenden Kühle und
ihrem gedämpften Licht. Nun haben wir zum erstenmal in unmittelbarer Nähe
diesen herrlichen roten Sandstein, das Juwel von Petra. Etwa achtzig bis
hundert Meter, so mußte ich schätzen, starren auf beiden Seiten die Felsen in
die Höhe. Die Breite unten beträgt durchschnittlich drei bis fünf Meter, er¬
weitert sich aber an manchen Stellen bis zu neun Metern, und bietet so dem
Auge immer neue und reizvolle Motive und Perspektiven. Oben neigen sich
bisweilen die hohen Felsen einander zu, als wollten sie sich freundschaftlich die
Hand reichen, und lassen nur einen schmalen Lichtschein hindurch. Und welche
herrliche Wirkungen entstehn durch das gebrochne, nur von oben einfallende
Licht auf dem bunten Stein! Die Grundfarbe ist rot, aber es ist in allen
Nuancen vorhanden, je nachdem das Licht auf frische Bruchstellen oder alte
Verwilderungen fällt, vom zartesten, duftigsten Rosa bis zum brennenden
Ziegelrot und Zinnober, bis zum glühendsten, blutigsten Purpur und bis zum
ganz dunkeln, schweren Violett, dem nur noch einige rote Töne beigemischt sind.
Aber auch fast alle andern Farben sind vertreten, wenigstens wenn man gleich
andre Teile von Petra mit ins Auge faßt, weiß, gelb, braun, ja sogar blau.
Und das herrlichste ist, daß dieser Stein meist in einer zur Grundfarbe
passenden Supplementärfarbe geädert ist. Manche Schichten sind bunt ge-


Petra

zu werden, weil mancher, dem das geschriebn« Wort beim Lesen nicht zum
Klänge wird, nur allzu geneigt ist, den Dichter für das Ausbleiben des Lust¬
gefühls verantwortlich zu machen.

Solange Dichter wie Hermann Wette bemüht bleiben, die Schönheit
ihrer alten Muttersprache zu erhalten, ist es verfrüht, unsrer geliebten platt¬
deutschen Modersprak das Sterbelied zu singen. In dem Aschenbrödel Platt¬
deutsch ist eine Königin verborgen; das wird jeder freudig bekennen, der
dem Sänge Hermann Wettes lauscht, und mir zustimmen, wenn ich zum
Schluß bemerke: Mit der niederdeutschen Sprache würde etwas Herrliches aus
unserm Volksleben verschwinden; sie ist ein „Quickborn" im wahren Sinne
des Wortes.




Petra
Reiseerinnerungen aus der Hauptstadt der Nabatäer
von Heinrich Wolfgang Truhen

er nächste Tag s
MtiLllV ollte uns den herrlichsten und schönsten Eindruck
unsrer ganzen Reise geben, den Einzug in das eigentliche Petra
durch den Sit. Es ist das eine großartige Felsenklamm, durch
die sich in Windungen etwa eine halbe Stunde der Bach nach
Westen zieht. Es ist wundervoll, aus dem heißen Sonnenbrand
in der weiten Talsohle von Bad-es-Sit, der durch den Reflex der
Weißen Sandsteinflächen noch empfindlicher wird, nun plötzlich einzutreten in
diese geheimnisvolle, wasserreiche Schlucht mit ihrer erquickenden Kühle und
ihrem gedämpften Licht. Nun haben wir zum erstenmal in unmittelbarer Nähe
diesen herrlichen roten Sandstein, das Juwel von Petra. Etwa achtzig bis
hundert Meter, so mußte ich schätzen, starren auf beiden Seiten die Felsen in
die Höhe. Die Breite unten beträgt durchschnittlich drei bis fünf Meter, er¬
weitert sich aber an manchen Stellen bis zu neun Metern, und bietet so dem
Auge immer neue und reizvolle Motive und Perspektiven. Oben neigen sich
bisweilen die hohen Felsen einander zu, als wollten sie sich freundschaftlich die
Hand reichen, und lassen nur einen schmalen Lichtschein hindurch. Und welche
herrliche Wirkungen entstehn durch das gebrochne, nur von oben einfallende
Licht auf dem bunten Stein! Die Grundfarbe ist rot, aber es ist in allen
Nuancen vorhanden, je nachdem das Licht auf frische Bruchstellen oder alte
Verwilderungen fällt, vom zartesten, duftigsten Rosa bis zum brennenden
Ziegelrot und Zinnober, bis zum glühendsten, blutigsten Purpur und bis zum
ganz dunkeln, schweren Violett, dem nur noch einige rote Töne beigemischt sind.
Aber auch fast alle andern Farben sind vertreten, wenigstens wenn man gleich
andre Teile von Petra mit ins Auge faßt, weiß, gelb, braun, ja sogar blau.
Und das herrlichste ist, daß dieser Stein meist in einer zur Grundfarbe
passenden Supplementärfarbe geädert ist. Manche Schichten sind bunt ge-


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[0467] Petra zu werden, weil mancher, dem das geschriebn« Wort beim Lesen nicht zum Klänge wird, nur allzu geneigt ist, den Dichter für das Ausbleiben des Lust¬ gefühls verantwortlich zu machen. Solange Dichter wie Hermann Wette bemüht bleiben, die Schönheit ihrer alten Muttersprache zu erhalten, ist es verfrüht, unsrer geliebten platt¬ deutschen Modersprak das Sterbelied zu singen. In dem Aschenbrödel Platt¬ deutsch ist eine Königin verborgen; das wird jeder freudig bekennen, der dem Sänge Hermann Wettes lauscht, und mir zustimmen, wenn ich zum Schluß bemerke: Mit der niederdeutschen Sprache würde etwas Herrliches aus unserm Volksleben verschwinden; sie ist ein „Quickborn" im wahren Sinne des Wortes. Petra Reiseerinnerungen aus der Hauptstadt der Nabatäer von Heinrich Wolfgang Truhen er nächste Tag s MtiLllV ollte uns den herrlichsten und schönsten Eindruck unsrer ganzen Reise geben, den Einzug in das eigentliche Petra durch den Sit. Es ist das eine großartige Felsenklamm, durch die sich in Windungen etwa eine halbe Stunde der Bach nach Westen zieht. Es ist wundervoll, aus dem heißen Sonnenbrand in der weiten Talsohle von Bad-es-Sit, der durch den Reflex der Weißen Sandsteinflächen noch empfindlicher wird, nun plötzlich einzutreten in diese geheimnisvolle, wasserreiche Schlucht mit ihrer erquickenden Kühle und ihrem gedämpften Licht. Nun haben wir zum erstenmal in unmittelbarer Nähe diesen herrlichen roten Sandstein, das Juwel von Petra. Etwa achtzig bis hundert Meter, so mußte ich schätzen, starren auf beiden Seiten die Felsen in die Höhe. Die Breite unten beträgt durchschnittlich drei bis fünf Meter, er¬ weitert sich aber an manchen Stellen bis zu neun Metern, und bietet so dem Auge immer neue und reizvolle Motive und Perspektiven. Oben neigen sich bisweilen die hohen Felsen einander zu, als wollten sie sich freundschaftlich die Hand reichen, und lassen nur einen schmalen Lichtschein hindurch. Und welche herrliche Wirkungen entstehn durch das gebrochne, nur von oben einfallende Licht auf dem bunten Stein! Die Grundfarbe ist rot, aber es ist in allen Nuancen vorhanden, je nachdem das Licht auf frische Bruchstellen oder alte Verwilderungen fällt, vom zartesten, duftigsten Rosa bis zum brennenden Ziegelrot und Zinnober, bis zum glühendsten, blutigsten Purpur und bis zum ganz dunkeln, schweren Violett, dem nur noch einige rote Töne beigemischt sind. Aber auch fast alle andern Farben sind vertreten, wenigstens wenn man gleich andre Teile von Petra mit ins Auge faßt, weiß, gelb, braun, ja sogar blau. Und das herrlichste ist, daß dieser Stein meist in einer zur Grundfarbe passenden Supplementärfarbe geädert ist. Manche Schichten sind bunt ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/467>, abgerufen am 04.05.2024.