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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Landeskunde

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<V"A^M^er Kultusminister hat auf Grund der Ergebnisse von Revisionen
!in den Volksschulen und Seminarübungsschulen Anweisungen
über die künftige Gestaltung des Geschichtsunterrichts sowie der
Heimat- und Erdkunde erlassen. Danach ist das Hauptgewicht
!auf die neuere vaterländische, besonders auf die preußische Ge¬
schichte von der Zeit des Großen Kurfürsten an zu legen, und zwar nicht nur
auf die äußere Machtentwicklung, sondern es sollen auch die innere Entwicklung
des Landes und die für das Volkswohl getroffnen Einrichtungen ausreichend
berücksichtigt werden. Der Unterricht soll sich nicht mit der Aufzählung von
Tatsachen begnügen, sondern durch anschauliche und lebendige Darstellung an¬
regend wirken. Zugleich sollen die Kinder mit der vaterländischen Heimat-
und Erdkunde vertraut gemacht, heimatliche Geschichte und heimische Sagen, Denk¬
mäler und Bauten sollen in den Kreis der Belehrung hineingezogen werden, und
die Schule hat dafür zu sorgen, daß die Schüler die in ihrer Heimat vor¬
kommenden Tiere. Pflanzen, Gesteine usw. kennen lernen und zu dieser Kenntnis
nach Möglichkeit auch durch Spaziergänge und Wandrungen geführt werden.

Damit ist der Weg angegeben worden, wie die Landeskunde fernerhin in
der Schule behandelt werden soll, und die Unterrichtsverwaltung hat in dem
Erlaß die feste Absicht bekundet, den Unterricht in dieser Hinsicht wirklich
nutzbar zu machen und den Kindern ein volles Verständnis, regen Sinn und
aufrichtige Liebe zur Heimat in das Leben mit hinauszugehen, soweit dies im
einzelnen überhaupt möglich ist. Es ist schon oft ausgesprochen worden, wie
wenig unser Volk von seiner engern Heimat weiß, wie wenig es die Natur-.
Kunst- und Baudenkmäler aller Art achtet, schätzt und schützt, wie viel es in
Unwissenheit vernichtet, und wie gering die Kenntnisse in der eignen Orts¬
geschichte sind. Und diese Unwissenheit, Gleichgiltigkeit und Gedankenlosigkeit
ist nicht etwa ausschließlich in den untern Schichten zu finden, die mit der
Volksschulbildung ins Leben treten und im Kampfe um das tägliche Brot
Wenig oder keine Zeit für diese idealen Güter übrig haben; auch der die
meisten Volksschichten umfassende Mittelstand mit höherer Schulbildung bringt


Grenzboten IV 1909 74


Landeskunde

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<V"A^M^er Kultusminister hat auf Grund der Ergebnisse von Revisionen
!in den Volksschulen und Seminarübungsschulen Anweisungen
über die künftige Gestaltung des Geschichtsunterrichts sowie der
Heimat- und Erdkunde erlassen. Danach ist das Hauptgewicht
!auf die neuere vaterländische, besonders auf die preußische Ge¬
schichte von der Zeit des Großen Kurfürsten an zu legen, und zwar nicht nur
auf die äußere Machtentwicklung, sondern es sollen auch die innere Entwicklung
des Landes und die für das Volkswohl getroffnen Einrichtungen ausreichend
berücksichtigt werden. Der Unterricht soll sich nicht mit der Aufzählung von
Tatsachen begnügen, sondern durch anschauliche und lebendige Darstellung an¬
regend wirken. Zugleich sollen die Kinder mit der vaterländischen Heimat-
und Erdkunde vertraut gemacht, heimatliche Geschichte und heimische Sagen, Denk¬
mäler und Bauten sollen in den Kreis der Belehrung hineingezogen werden, und
die Schule hat dafür zu sorgen, daß die Schüler die in ihrer Heimat vor¬
kommenden Tiere. Pflanzen, Gesteine usw. kennen lernen und zu dieser Kenntnis
nach Möglichkeit auch durch Spaziergänge und Wandrungen geführt werden.

Damit ist der Weg angegeben worden, wie die Landeskunde fernerhin in
der Schule behandelt werden soll, und die Unterrichtsverwaltung hat in dem
Erlaß die feste Absicht bekundet, den Unterricht in dieser Hinsicht wirklich
nutzbar zu machen und den Kindern ein volles Verständnis, regen Sinn und
aufrichtige Liebe zur Heimat in das Leben mit hinauszugehen, soweit dies im
einzelnen überhaupt möglich ist. Es ist schon oft ausgesprochen worden, wie
wenig unser Volk von seiner engern Heimat weiß, wie wenig es die Natur-.
Kunst- und Baudenkmäler aller Art achtet, schätzt und schützt, wie viel es in
Unwissenheit vernichtet, und wie gering die Kenntnisse in der eignen Orts¬
geschichte sind. Und diese Unwissenheit, Gleichgiltigkeit und Gedankenlosigkeit
ist nicht etwa ausschließlich in den untern Schichten zu finden, die mit der
Volksschulbildung ins Leben treten und im Kampfe um das tägliche Brot
Wenig oder keine Zeit für diese idealen Güter übrig haben; auch der die
meisten Volksschichten umfassende Mittelstand mit höherer Schulbildung bringt


Grenzboten IV 1909 74
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[0589] [Abbildung] Landeskunde W^W^zZW» AeWII <V"A^M^er Kultusminister hat auf Grund der Ergebnisse von Revisionen !in den Volksschulen und Seminarübungsschulen Anweisungen über die künftige Gestaltung des Geschichtsunterrichts sowie der Heimat- und Erdkunde erlassen. Danach ist das Hauptgewicht !auf die neuere vaterländische, besonders auf die preußische Ge¬ schichte von der Zeit des Großen Kurfürsten an zu legen, und zwar nicht nur auf die äußere Machtentwicklung, sondern es sollen auch die innere Entwicklung des Landes und die für das Volkswohl getroffnen Einrichtungen ausreichend berücksichtigt werden. Der Unterricht soll sich nicht mit der Aufzählung von Tatsachen begnügen, sondern durch anschauliche und lebendige Darstellung an¬ regend wirken. Zugleich sollen die Kinder mit der vaterländischen Heimat- und Erdkunde vertraut gemacht, heimatliche Geschichte und heimische Sagen, Denk¬ mäler und Bauten sollen in den Kreis der Belehrung hineingezogen werden, und die Schule hat dafür zu sorgen, daß die Schüler die in ihrer Heimat vor¬ kommenden Tiere. Pflanzen, Gesteine usw. kennen lernen und zu dieser Kenntnis nach Möglichkeit auch durch Spaziergänge und Wandrungen geführt werden. Damit ist der Weg angegeben worden, wie die Landeskunde fernerhin in der Schule behandelt werden soll, und die Unterrichtsverwaltung hat in dem Erlaß die feste Absicht bekundet, den Unterricht in dieser Hinsicht wirklich nutzbar zu machen und den Kindern ein volles Verständnis, regen Sinn und aufrichtige Liebe zur Heimat in das Leben mit hinauszugehen, soweit dies im einzelnen überhaupt möglich ist. Es ist schon oft ausgesprochen worden, wie wenig unser Volk von seiner engern Heimat weiß, wie wenig es die Natur-. Kunst- und Baudenkmäler aller Art achtet, schätzt und schützt, wie viel es in Unwissenheit vernichtet, und wie gering die Kenntnisse in der eignen Orts¬ geschichte sind. Und diese Unwissenheit, Gleichgiltigkeit und Gedankenlosigkeit ist nicht etwa ausschließlich in den untern Schichten zu finden, die mit der Volksschulbildung ins Leben treten und im Kampfe um das tägliche Brot Wenig oder keine Zeit für diese idealen Güter übrig haben; auch der die meisten Volksschichten umfassende Mittelstand mit höherer Schulbildung bringt Grenzboten IV 1909 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/589>, abgerufen am 04.05.2024.