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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Den Zentrmnslcuten ist aber zu raten, die Paritätsfrage einmal ruhen
zu lassen, mehr die gemeinsamen als die trennenden Punkte hervorzukehren.

Kürzlich schrieb Bischof Paul Keppler von Rottenburg, ein schönes Buch
"Mehr Freude". Daran fehlt es den Zentrumsmännern. Wo Freude ist, da
kommt auch Friede hin.




Engländer und Esperanto )
von Dr. Ernst Rliemke
I.

HMin Franzose und ein Engländer trafen sich auf ein ein Schiff und
unterhielten sich sehr angenehm. Zum Schlüsse sagte der Franzose!
"Wenn ich nicht Franzose wäre, möchte ich Engländer sein." Der
Engländer erwiderte: "Mir geht es genau ebenso; wenn ich nicht
Engländer wäre, möchte ich Engländer sein."

Ich freue mich, das; ich ein Deutscher bin, obwohl man sich oft schämen
möchte, es zu sein, und möchte nicht Engländer sein, schon um nicht seine
Sprache als Muttersprache zu haben. Aber die Engländer haben sehr schätzens¬
werte Vorzüge. Wenn sie vielfach die modernen Römer genannt werden, so ist
das in mehr als einer Hinsicht richtig. Nicht auf dem Gebiete der Logik und
des Rechts, dafür haben sie wenig Sinn, es gibt im allgemeinen kaum unlogischer
veranlagte Wesen als Engländer und -- Frauen. Deshalb haben beide auch
sonst manches gemein, Vorzüge und Nachteile: sie sind mitleidig und grausam,
die größten Menschenfreunde und die größten Egoisten, Feinde der Sklaverei und
sich und andere in Fesseln legend, Diener Gottes und Herrscher der Welt, fromm
bis zur Bigotterie und voll weltlicher Lust, voll kindlicher Natürlichkeit und naiver
Heuchelei, von lebendiger Sinnlichkeit und tcmtenhafter Prüderie, klug wie die
Schlangen und einfältig wie die Tauben, unwissend und geschickt, nüchtern und
langweilig und begeisterungsfähig bis zum Taumel, entzückbar sogar durch



") Wir sind objektiv genug, auch eine Sache, der wir nicht mit unbedingten Sympathien
gegenüberstehen, wie dein Esperanto, verfechten zu lassen, wenn es mit so guter Laune und
so umsichtig geschieht wie hier. In einem Punkte glauben wir allerdings dem Herrn Verfasser
von vornherein widersprechen zu müssen. Die Abneigung gegen dos Esperanto ist keineswegs
die Äußerung eines nur auf das Reale gerichteten Sinnes gegenüber dem "Ideal" einer
Menschheitssprache. Sie ist vielmehr die Bevorzugung des natürlich Gewordene", nämlich der
heute vorhandenen Sprachen, gegenüber einem künstlich Gemachtem, gegenüber einer Homunkulus-
Sprache. Denn die meisten Menschen -- ob mit Recht oder Unrecht, sei dahingestellt -- schließen
so: Geht wirklich einmal die Entwicklung auf Herausbildung einer allen gemeinsamen Welt¬
sprache hin, so wird es am letzten Ende kein Nebeneinander der alten Sprachen und der neu
D. Schriftltg. gemachten mehr geben, sondern nur ein Entweder-oder.

Den Zentrmnslcuten ist aber zu raten, die Paritätsfrage einmal ruhen
zu lassen, mehr die gemeinsamen als die trennenden Punkte hervorzukehren.

Kürzlich schrieb Bischof Paul Keppler von Rottenburg, ein schönes Buch
„Mehr Freude". Daran fehlt es den Zentrumsmännern. Wo Freude ist, da
kommt auch Friede hin.




Engländer und Esperanto )
von Dr. Ernst Rliemke
I.

HMin Franzose und ein Engländer trafen sich auf ein ein Schiff und
unterhielten sich sehr angenehm. Zum Schlüsse sagte der Franzose!
„Wenn ich nicht Franzose wäre, möchte ich Engländer sein." Der
Engländer erwiderte: „Mir geht es genau ebenso; wenn ich nicht
Engländer wäre, möchte ich Engländer sein."

Ich freue mich, das; ich ein Deutscher bin, obwohl man sich oft schämen
möchte, es zu sein, und möchte nicht Engländer sein, schon um nicht seine
Sprache als Muttersprache zu haben. Aber die Engländer haben sehr schätzens¬
werte Vorzüge. Wenn sie vielfach die modernen Römer genannt werden, so ist
das in mehr als einer Hinsicht richtig. Nicht auf dem Gebiete der Logik und
des Rechts, dafür haben sie wenig Sinn, es gibt im allgemeinen kaum unlogischer
veranlagte Wesen als Engländer und — Frauen. Deshalb haben beide auch
sonst manches gemein, Vorzüge und Nachteile: sie sind mitleidig und grausam,
die größten Menschenfreunde und die größten Egoisten, Feinde der Sklaverei und
sich und andere in Fesseln legend, Diener Gottes und Herrscher der Welt, fromm
bis zur Bigotterie und voll weltlicher Lust, voll kindlicher Natürlichkeit und naiver
Heuchelei, von lebendiger Sinnlichkeit und tcmtenhafter Prüderie, klug wie die
Schlangen und einfältig wie die Tauben, unwissend und geschickt, nüchtern und
langweilig und begeisterungsfähig bis zum Taumel, entzückbar sogar durch



") Wir sind objektiv genug, auch eine Sache, der wir nicht mit unbedingten Sympathien
gegenüberstehen, wie dein Esperanto, verfechten zu lassen, wenn es mit so guter Laune und
so umsichtig geschieht wie hier. In einem Punkte glauben wir allerdings dem Herrn Verfasser
von vornherein widersprechen zu müssen. Die Abneigung gegen dos Esperanto ist keineswegs
die Äußerung eines nur auf das Reale gerichteten Sinnes gegenüber dem „Ideal" einer
Menschheitssprache. Sie ist vielmehr die Bevorzugung des natürlich Gewordene», nämlich der
heute vorhandenen Sprachen, gegenüber einem künstlich Gemachtem, gegenüber einer Homunkulus-
Sprache. Denn die meisten Menschen — ob mit Recht oder Unrecht, sei dahingestellt — schließen
so: Geht wirklich einmal die Entwicklung auf Herausbildung einer allen gemeinsamen Welt¬
sprache hin, so wird es am letzten Ende kein Nebeneinander der alten Sprachen und der neu
D. Schriftltg. gemachten mehr geben, sondern nur ein Entweder-oder.
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[0258] Den Zentrmnslcuten ist aber zu raten, die Paritätsfrage einmal ruhen zu lassen, mehr die gemeinsamen als die trennenden Punkte hervorzukehren. Kürzlich schrieb Bischof Paul Keppler von Rottenburg, ein schönes Buch „Mehr Freude". Daran fehlt es den Zentrumsmännern. Wo Freude ist, da kommt auch Friede hin. Engländer und Esperanto ) von Dr. Ernst Rliemke I. HMin Franzose und ein Engländer trafen sich auf ein ein Schiff und unterhielten sich sehr angenehm. Zum Schlüsse sagte der Franzose! „Wenn ich nicht Franzose wäre, möchte ich Engländer sein." Der Engländer erwiderte: „Mir geht es genau ebenso; wenn ich nicht Engländer wäre, möchte ich Engländer sein." Ich freue mich, das; ich ein Deutscher bin, obwohl man sich oft schämen möchte, es zu sein, und möchte nicht Engländer sein, schon um nicht seine Sprache als Muttersprache zu haben. Aber die Engländer haben sehr schätzens¬ werte Vorzüge. Wenn sie vielfach die modernen Römer genannt werden, so ist das in mehr als einer Hinsicht richtig. Nicht auf dem Gebiete der Logik und des Rechts, dafür haben sie wenig Sinn, es gibt im allgemeinen kaum unlogischer veranlagte Wesen als Engländer und — Frauen. Deshalb haben beide auch sonst manches gemein, Vorzüge und Nachteile: sie sind mitleidig und grausam, die größten Menschenfreunde und die größten Egoisten, Feinde der Sklaverei und sich und andere in Fesseln legend, Diener Gottes und Herrscher der Welt, fromm bis zur Bigotterie und voll weltlicher Lust, voll kindlicher Natürlichkeit und naiver Heuchelei, von lebendiger Sinnlichkeit und tcmtenhafter Prüderie, klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben, unwissend und geschickt, nüchtern und langweilig und begeisterungsfähig bis zum Taumel, entzückbar sogar durch ") Wir sind objektiv genug, auch eine Sache, der wir nicht mit unbedingten Sympathien gegenüberstehen, wie dein Esperanto, verfechten zu lassen, wenn es mit so guter Laune und so umsichtig geschieht wie hier. In einem Punkte glauben wir allerdings dem Herrn Verfasser von vornherein widersprechen zu müssen. Die Abneigung gegen dos Esperanto ist keineswegs die Äußerung eines nur auf das Reale gerichteten Sinnes gegenüber dem „Ideal" einer Menschheitssprache. Sie ist vielmehr die Bevorzugung des natürlich Gewordene», nämlich der heute vorhandenen Sprachen, gegenüber einem künstlich Gemachtem, gegenüber einer Homunkulus- Sprache. Denn die meisten Menschen — ob mit Recht oder Unrecht, sei dahingestellt — schließen so: Geht wirklich einmal die Entwicklung auf Herausbildung einer allen gemeinsamen Welt¬ sprache hin, so wird es am letzten Ende kein Nebeneinander der alten Sprachen und der neu D. Schriftltg. gemachten mehr geben, sondern nur ein Entweder-oder.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/258>, abgerufen am 17.05.2024.