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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Engländer und Esperanto

Nichtigkeiten, großherzig und kleinlich, faul und bequem und vou bewunderns-
werter Zähigkeit und fleißiger Ausdauer, oberflächlich und von tiefer Innigkeit,
kühl und unnahbar und von gewinnender Freundlichkeit, von feinsten: Taktgefühl
und von verletzender Taktlosigkeit, selbständig bis zum Eigensinn und blindlings
der Mode folgend und anderen Äußerungen des Herden- und Nachahmungs¬
triebes, Anhänger der äußeren Form und sich rücksichtslos darüber hinwegsetzend,
konservativ und schnell entschlossen zu kühnen Neuerungen, non8e l8
Lsstle" und "ttorrie sweet Korne" und doch in der ganzen Welt zuhause und
überall wie zuHanse, und überall dieselben, mit sich und dem Leben zufrieden,
gutmütig und ohne Sinn für Humor. Noch eins, wovon ich aber nicht behaupten
will, daß es mit dem Maugel an Logik zusamnwnhängt.' Engländer und Frauen
gehören zum schöneren Teil der Menschen.

Was die Engländer so groß gemacht hat, liegt in der Einheit und Einheitlichkeit
des Volkes; in dieser Einheit haben sich die Vorzüge der Einzelnen verstärkt und
ihre Fehler abgeschwächt. Von den Engländern gilt genau das Gegenteil von
dem, was ein Vers Schillers sagt:

Die Deutschen übenagen an Zahl der Intelligenzen wahrscheinlich bei weitem
die Engländer, aber ihnen fehlt die Organisation, das Unterordnen der Besonder¬
heiten unter das Hauptziel, das nur durch die Vereinheitlichung der Kräfte erreicht
werden kann. Die Engländer haben es verstanden, Ordnung und Freiheit in
glücklicher Weise zu vereinen und über dem Bürger uicht den Menschen zu
vernachlässigen, die Selbständigkeit des Einzelnen mit der Gemeinschaft zu stärken
und Naturtrieb und Kulturzwang so weit herrschen zu lassen, daß Körper und
Geist ebenso zu ihren: Rechte kommen wie Arbeit und Spiel. Hier sind sie
würdige Artgenossen der alten Römer. Wer das stolze Wort "civis Komanus
sum" sprach, der wußte, er war nur dadurch freier Herr feiner Persönlichkeit,
daß er Mitglied einer starken Gemeinschaft war, und er wußte, daß die
Gemeinschaft nicht stark sein konnte, wenn der Einzelne sich ihr nicht unterordnete.

Was bei den Römern mehr Folge ihrer logischen Veranlagung war, das
verdanken die Engländer demselben instinktartiger Gefühl, das die typische Frau
sich, wo es not tut, unterordnen läßt, damit sie besser herrschen kaun, wo es
ihr mehr paßt. Es ist wie alles Jnstiuktartige der Vorzug einer Schwäche.
Gerade weil die Engländer wie die Frauen fühlen, daß sie als Einzelwesen sehr
wenig bedeuten, suchen sie das zu pflegen, was sie schützt und thuen Macht gibt.
Die Frau hält fest am Schamgefühl, der geschlechtliche" Moral und allgemein
der Sitte, auch wo sie persönlich nicht in Mitleidenschaft gezogen wird; niemand
urteilt härter über ein gefallenes Mädchen als ihre Geschlechtsgenossinnen, und
wo die Sitte der Frau verbietet, abends allem auf die Straße zu gehen, dn
unterläßt es auch die starke und mutige Frau, die persönlich nichts zu fürchten


Engländer und Esperanto

Nichtigkeiten, großherzig und kleinlich, faul und bequem und vou bewunderns-
werter Zähigkeit und fleißiger Ausdauer, oberflächlich und von tiefer Innigkeit,
kühl und unnahbar und von gewinnender Freundlichkeit, von feinsten: Taktgefühl
und von verletzender Taktlosigkeit, selbständig bis zum Eigensinn und blindlings
der Mode folgend und anderen Äußerungen des Herden- und Nachahmungs¬
triebes, Anhänger der äußeren Form und sich rücksichtslos darüber hinwegsetzend,
konservativ und schnell entschlossen zu kühnen Neuerungen, non8e l8
Lsstle" und „ttorrie sweet Korne" und doch in der ganzen Welt zuhause und
überall wie zuHanse, und überall dieselben, mit sich und dem Leben zufrieden,
gutmütig und ohne Sinn für Humor. Noch eins, wovon ich aber nicht behaupten
will, daß es mit dem Maugel an Logik zusamnwnhängt.' Engländer und Frauen
gehören zum schöneren Teil der Menschen.

Was die Engländer so groß gemacht hat, liegt in der Einheit und Einheitlichkeit
des Volkes; in dieser Einheit haben sich die Vorzüge der Einzelnen verstärkt und
ihre Fehler abgeschwächt. Von den Engländern gilt genau das Gegenteil von
dem, was ein Vers Schillers sagt:

Die Deutschen übenagen an Zahl der Intelligenzen wahrscheinlich bei weitem
die Engländer, aber ihnen fehlt die Organisation, das Unterordnen der Besonder¬
heiten unter das Hauptziel, das nur durch die Vereinheitlichung der Kräfte erreicht
werden kann. Die Engländer haben es verstanden, Ordnung und Freiheit in
glücklicher Weise zu vereinen und über dem Bürger uicht den Menschen zu
vernachlässigen, die Selbständigkeit des Einzelnen mit der Gemeinschaft zu stärken
und Naturtrieb und Kulturzwang so weit herrschen zu lassen, daß Körper und
Geist ebenso zu ihren: Rechte kommen wie Arbeit und Spiel. Hier sind sie
würdige Artgenossen der alten Römer. Wer das stolze Wort „civis Komanus
sum" sprach, der wußte, er war nur dadurch freier Herr feiner Persönlichkeit,
daß er Mitglied einer starken Gemeinschaft war, und er wußte, daß die
Gemeinschaft nicht stark sein konnte, wenn der Einzelne sich ihr nicht unterordnete.

Was bei den Römern mehr Folge ihrer logischen Veranlagung war, das
verdanken die Engländer demselben instinktartiger Gefühl, das die typische Frau
sich, wo es not tut, unterordnen läßt, damit sie besser herrschen kaun, wo es
ihr mehr paßt. Es ist wie alles Jnstiuktartige der Vorzug einer Schwäche.
Gerade weil die Engländer wie die Frauen fühlen, daß sie als Einzelwesen sehr
wenig bedeuten, suchen sie das zu pflegen, was sie schützt und thuen Macht gibt.
Die Frau hält fest am Schamgefühl, der geschlechtliche» Moral und allgemein
der Sitte, auch wo sie persönlich nicht in Mitleidenschaft gezogen wird; niemand
urteilt härter über ein gefallenes Mädchen als ihre Geschlechtsgenossinnen, und
wo die Sitte der Frau verbietet, abends allem auf die Straße zu gehen, dn
unterläßt es auch die starke und mutige Frau, die persönlich nichts zu fürchten


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[0259] Engländer und Esperanto Nichtigkeiten, großherzig und kleinlich, faul und bequem und vou bewunderns- werter Zähigkeit und fleißiger Ausdauer, oberflächlich und von tiefer Innigkeit, kühl und unnahbar und von gewinnender Freundlichkeit, von feinsten: Taktgefühl und von verletzender Taktlosigkeit, selbständig bis zum Eigensinn und blindlings der Mode folgend und anderen Äußerungen des Herden- und Nachahmungs¬ triebes, Anhänger der äußeren Form und sich rücksichtslos darüber hinwegsetzend, konservativ und schnell entschlossen zu kühnen Neuerungen, non8e l8 Lsstle" und „ttorrie sweet Korne" und doch in der ganzen Welt zuhause und überall wie zuHanse, und überall dieselben, mit sich und dem Leben zufrieden, gutmütig und ohne Sinn für Humor. Noch eins, wovon ich aber nicht behaupten will, daß es mit dem Maugel an Logik zusamnwnhängt.' Engländer und Frauen gehören zum schöneren Teil der Menschen. Was die Engländer so groß gemacht hat, liegt in der Einheit und Einheitlichkeit des Volkes; in dieser Einheit haben sich die Vorzüge der Einzelnen verstärkt und ihre Fehler abgeschwächt. Von den Engländern gilt genau das Gegenteil von dem, was ein Vers Schillers sagt: Die Deutschen übenagen an Zahl der Intelligenzen wahrscheinlich bei weitem die Engländer, aber ihnen fehlt die Organisation, das Unterordnen der Besonder¬ heiten unter das Hauptziel, das nur durch die Vereinheitlichung der Kräfte erreicht werden kann. Die Engländer haben es verstanden, Ordnung und Freiheit in glücklicher Weise zu vereinen und über dem Bürger uicht den Menschen zu vernachlässigen, die Selbständigkeit des Einzelnen mit der Gemeinschaft zu stärken und Naturtrieb und Kulturzwang so weit herrschen zu lassen, daß Körper und Geist ebenso zu ihren: Rechte kommen wie Arbeit und Spiel. Hier sind sie würdige Artgenossen der alten Römer. Wer das stolze Wort „civis Komanus sum" sprach, der wußte, er war nur dadurch freier Herr feiner Persönlichkeit, daß er Mitglied einer starken Gemeinschaft war, und er wußte, daß die Gemeinschaft nicht stark sein konnte, wenn der Einzelne sich ihr nicht unterordnete. Was bei den Römern mehr Folge ihrer logischen Veranlagung war, das verdanken die Engländer demselben instinktartiger Gefühl, das die typische Frau sich, wo es not tut, unterordnen läßt, damit sie besser herrschen kaun, wo es ihr mehr paßt. Es ist wie alles Jnstiuktartige der Vorzug einer Schwäche. Gerade weil die Engländer wie die Frauen fühlen, daß sie als Einzelwesen sehr wenig bedeuten, suchen sie das zu pflegen, was sie schützt und thuen Macht gibt. Die Frau hält fest am Schamgefühl, der geschlechtliche» Moral und allgemein der Sitte, auch wo sie persönlich nicht in Mitleidenschaft gezogen wird; niemand urteilt härter über ein gefallenes Mädchen als ihre Geschlechtsgenossinnen, und wo die Sitte der Frau verbietet, abends allem auf die Straße zu gehen, dn unterläßt es auch die starke und mutige Frau, die persönlich nichts zu fürchten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/259>, abgerufen am 14.06.2024.