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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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?>in polnischen volksbcmkcn in Vbcrschlesien

sehr schlecht verpflegt, da der Staat die zu ihrer Unterhaltung nötigen Summen
nicht oder schlecht bezahlte. Die Rückstände für die Pflegemutter beliefen sich
in den Jahren 1793 bis 1799 in manchen Departements bis auf 450000 Frs.
Diese Frauen sorgten sich daher nicht um die ihnen anvertrauten Zöglinge,
ließen sie jämmerlich verkümmern oder schickten sie wieder an die Findelhäuser
zurück. Dort lagen die armen Kinder zu vieren in einer Wiege und wurden
zu vieren von einer einzigen Amme genährt.

Die Unsittlichkeit förderte naturgemäß das Verbrechen. Die milden Gesetze
vermehrten die Zahl der Diebe und Mörder. Paris und seine Umgebungen,
besonders die Wäldchen, waren die Schlupfwinkel von Räuberbanden geworden.
Die Einwohner lebten in steter Angst und Furcht vor ihnen, aber dennoch tat
das Direktorium nichts, um diesem Treiben Einhalt zu tun. Noch 1798
beklagte man sich über die vielen Diebstähle und Verbrechen.

All diesen Mißständen sollte erst die Konsulatszeit ein Ende machen,
obwohl auch da noch in den ersten Jahren nicht aller Schmutz hinweggefegt
werden konnte.




Die polnischen Volksbanken in Gberschlesien
von Amtsrichter Dr. Lrnst Sontag (Schlich.)

!ir gehen nun (Vergl. Heft 19) zur Betrachtung der inneren
Organisation der Banken Ludowy über. Sie haben, da
sie Genossenschaften gemäß dem deutschen Genossenschaftsgesetze sind,
als Organ Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung. Aber
der Einfluß dieser Organe ist anders verteilt als bei den meisten
deutschen Genossenschaften. Während bei diesen theoretisch immer betollt wird,
daß das oberste Organ die Generalversammlung sei, und während in der
Praxis in der Regel der Vorstand herrscht, ruht bei den Polenbanken meist
der Haupteinfluß bei dem Aufsichtsrat. (Ebenso Bernhard für die Genossen¬
schaften in Posen lind Westpreilßeu. (S. 456.) Dieser besteht, auch wenn
die Bank mit so wenig Genossen gegründet wird, daß sich eine deutsche
Genossenschaft mit drei bis fünf Aufsichtsräten begnügen würde, aus neun
Mitgliedern. Die Bank Ludow,) in Kattowitz z.B. ist mit zwölf Genossen
gegründet worden, von denen drei sich in die Rolle des Vorstandes und neun
in die Rolle des Aufsichtsrats teilten, so daß also unbcamtete Genossen gar nicht


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sehr schlecht verpflegt, da der Staat die zu ihrer Unterhaltung nötigen Summen
nicht oder schlecht bezahlte. Die Rückstände für die Pflegemutter beliefen sich
in den Jahren 1793 bis 1799 in manchen Departements bis auf 450000 Frs.
Diese Frauen sorgten sich daher nicht um die ihnen anvertrauten Zöglinge,
ließen sie jämmerlich verkümmern oder schickten sie wieder an die Findelhäuser
zurück. Dort lagen die armen Kinder zu vieren in einer Wiege und wurden
zu vieren von einer einzigen Amme genährt.

Die Unsittlichkeit förderte naturgemäß das Verbrechen. Die milden Gesetze
vermehrten die Zahl der Diebe und Mörder. Paris und seine Umgebungen,
besonders die Wäldchen, waren die Schlupfwinkel von Räuberbanden geworden.
Die Einwohner lebten in steter Angst und Furcht vor ihnen, aber dennoch tat
das Direktorium nichts, um diesem Treiben Einhalt zu tun. Noch 1798
beklagte man sich über die vielen Diebstähle und Verbrechen.

All diesen Mißständen sollte erst die Konsulatszeit ein Ende machen,
obwohl auch da noch in den ersten Jahren nicht aller Schmutz hinweggefegt
werden konnte.




Die polnischen Volksbanken in Gberschlesien
von Amtsrichter Dr. Lrnst Sontag (Schlich.)

!ir gehen nun (Vergl. Heft 19) zur Betrachtung der inneren
Organisation der Banken Ludowy über. Sie haben, da
sie Genossenschaften gemäß dem deutschen Genossenschaftsgesetze sind,
als Organ Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung. Aber
der Einfluß dieser Organe ist anders verteilt als bei den meisten
deutschen Genossenschaften. Während bei diesen theoretisch immer betollt wird,
daß das oberste Organ die Generalversammlung sei, und während in der
Praxis in der Regel der Vorstand herrscht, ruht bei den Polenbanken meist
der Haupteinfluß bei dem Aufsichtsrat. (Ebenso Bernhard für die Genossen¬
schaften in Posen lind Westpreilßeu. (S. 456.) Dieser besteht, auch wenn
die Bank mit so wenig Genossen gegründet wird, daß sich eine deutsche
Genossenschaft mit drei bis fünf Aufsichtsräten begnügen würde, aus neun
Mitgliedern. Die Bank Ludow,) in Kattowitz z.B. ist mit zwölf Genossen
gegründet worden, von denen drei sich in die Rolle des Vorstandes und neun
in die Rolle des Aufsichtsrats teilten, so daß also unbcamtete Genossen gar nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/331>, abgerufen am 05.05.2024.