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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Adel in der Armee
v Oberst a, D, von poellnitz on

le jetzt so viel besprochene Frage der adelichen und nichtadelichen
Offiziere, wenn man überhaupt von einer solchen "Frage" sprechen
kann, ist nur auf Grund der historischen Entwickelung des preußischen
Offizierkorps richtig zu beurteilen. Man muß davon ausgehen, daß
die preußische Armee zwar seit jeher nichtadeliche Offiziere in ihren
Reihen gehabt hat, den Grundstock aber der Adel bildete. Erst in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts trat einesteils durch die starken Armee-
vermehrungeu, andernteils durch den allgemeinen Umschwung in der Bewertung
der Geburtsvorzüge in gesellschaftlichen Dingen eine allmähliche Verschiebung
ein. Die Kreise des Offizierersatzes mußten weiter gezogen werden. Der
Prozentsatz der nichtadelichen Offiziere wuchs stetig, anfangs natürlich nur in
den unteren Dienstgraden.

Die Traditionen des Adels und des Offizierkorps waren nun in Preußen
von alters her so innig miteinander verkettet, daß man von Anschauungen,
Lebensgewohnheiten und Standesbegriffen im allgemeinen, die sich decken, sprechen
kann. Die wenigen in der Armee befindlichen bürgerlichen Offiziere hatten sich stets,
insoweit sie nicht Familien entstammten, in denen sowieso die gleichen Tra¬
ditionen herrschten wie im Adel, den im Offizierkorps maßgebenden Anschauungen
vollkommen angepaßt. Infolgedessen war trotz der verschiedenen Abstammung
seiner Mitglieder das preußische Offizierkorps doch stets einheitlich in bezug auf
die grundlegenden Lebensanschauungen und auf das Bewußtsein, nur eine
große Kameradschaft zu bilden. Freilich eine adeliche. Der nichtadeliche
Offizier wurde sozusagen durch seinen Offiziersrock geadelt.

Solange der nichtadelichen Offiziere nur wenige waren und der Adel auch
im gesellschaftlichen Leben überall unbestrittene Vorrechte genoß, lag hierin kein


Grenzboten II 1910 7


Der Adel in der Armee
v Oberst a, D, von poellnitz on

le jetzt so viel besprochene Frage der adelichen und nichtadelichen
Offiziere, wenn man überhaupt von einer solchen „Frage" sprechen
kann, ist nur auf Grund der historischen Entwickelung des preußischen
Offizierkorps richtig zu beurteilen. Man muß davon ausgehen, daß
die preußische Armee zwar seit jeher nichtadeliche Offiziere in ihren
Reihen gehabt hat, den Grundstock aber der Adel bildete. Erst in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts trat einesteils durch die starken Armee-
vermehrungeu, andernteils durch den allgemeinen Umschwung in der Bewertung
der Geburtsvorzüge in gesellschaftlichen Dingen eine allmähliche Verschiebung
ein. Die Kreise des Offizierersatzes mußten weiter gezogen werden. Der
Prozentsatz der nichtadelichen Offiziere wuchs stetig, anfangs natürlich nur in
den unteren Dienstgraden.

Die Traditionen des Adels und des Offizierkorps waren nun in Preußen
von alters her so innig miteinander verkettet, daß man von Anschauungen,
Lebensgewohnheiten und Standesbegriffen im allgemeinen, die sich decken, sprechen
kann. Die wenigen in der Armee befindlichen bürgerlichen Offiziere hatten sich stets,
insoweit sie nicht Familien entstammten, in denen sowieso die gleichen Tra¬
ditionen herrschten wie im Adel, den im Offizierkorps maßgebenden Anschauungen
vollkommen angepaßt. Infolgedessen war trotz der verschiedenen Abstammung
seiner Mitglieder das preußische Offizierkorps doch stets einheitlich in bezug auf
die grundlegenden Lebensanschauungen und auf das Bewußtsein, nur eine
große Kameradschaft zu bilden. Freilich eine adeliche. Der nichtadeliche
Offizier wurde sozusagen durch seinen Offiziersrock geadelt.

Solange der nichtadelichen Offiziere nur wenige waren und der Adel auch
im gesellschaftlichen Leben überall unbestrittene Vorrechte genoß, lag hierin kein


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[0061] [Abbildung] Der Adel in der Armee v Oberst a, D, von poellnitz on le jetzt so viel besprochene Frage der adelichen und nichtadelichen Offiziere, wenn man überhaupt von einer solchen „Frage" sprechen kann, ist nur auf Grund der historischen Entwickelung des preußischen Offizierkorps richtig zu beurteilen. Man muß davon ausgehen, daß die preußische Armee zwar seit jeher nichtadeliche Offiziere in ihren Reihen gehabt hat, den Grundstock aber der Adel bildete. Erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts trat einesteils durch die starken Armee- vermehrungeu, andernteils durch den allgemeinen Umschwung in der Bewertung der Geburtsvorzüge in gesellschaftlichen Dingen eine allmähliche Verschiebung ein. Die Kreise des Offizierersatzes mußten weiter gezogen werden. Der Prozentsatz der nichtadelichen Offiziere wuchs stetig, anfangs natürlich nur in den unteren Dienstgraden. Die Traditionen des Adels und des Offizierkorps waren nun in Preußen von alters her so innig miteinander verkettet, daß man von Anschauungen, Lebensgewohnheiten und Standesbegriffen im allgemeinen, die sich decken, sprechen kann. Die wenigen in der Armee befindlichen bürgerlichen Offiziere hatten sich stets, insoweit sie nicht Familien entstammten, in denen sowieso die gleichen Tra¬ ditionen herrschten wie im Adel, den im Offizierkorps maßgebenden Anschauungen vollkommen angepaßt. Infolgedessen war trotz der verschiedenen Abstammung seiner Mitglieder das preußische Offizierkorps doch stets einheitlich in bezug auf die grundlegenden Lebensanschauungen und auf das Bewußtsein, nur eine große Kameradschaft zu bilden. Freilich eine adeliche. Der nichtadeliche Offizier wurde sozusagen durch seinen Offiziersrock geadelt. Solange der nichtadelichen Offiziere nur wenige waren und der Adel auch im gesellschaftlichen Leben überall unbestrittene Vorrechte genoß, lag hierin kein Grenzboten II 1910 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/61>, abgerufen am 05.05.2024.