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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Adel in der Armee

Mißverhältnis. Mit dem oben angedeuteten Umschwung in der Zusammensetzung
des Offizierkorps und der gesellschaftlichen Stellung des Adels überhaupt mußte
jedoch ein Wandel eintreten. Das bürgerliche Element konnte verlangen, selb¬
ständiger zur Geltung zu kommen. Anderseits durfte weder von den alten
Traditionen des Offizierkorps noch von seiner Einheitlichkeit etwas geopfert
werden. Denn auf beiden beruht zum großen Teil sein Wert und seine Stärke.
Dies Verhältnis zu wahren und allen entgegengesetzten Bestrebungen, woher
sie auch kommen mögen, entgegenzutreten, ist eine der Hauptaufgaben der
Heeresleitung. Diese Aufgabe zwingt zu einem Kampf nicht nur gegen etwaige
Äußerungen eines Adelskastengeistes, sondern auch gegen Adelshaß, gegen
Mammonismus und Waffengattungs-Dünkel und -Mißgunst. Ein volles Aus¬
rollen aller dieser, die Einheit des kameradschaftlichen Geistes gefährdenden
Erscheinungen, zu denen auch noch konfessionelle Störungen treten können, ist
freilich unmöglich. Denn sie beruhen auf allgemein menschlichen Untugenden und
zum Teil auf den allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen, aus denen der
Offizierersatz in die Armee hinübergenommen wird. Man ist nicht in der Lage,
einen in adelichen oder bürgerlichen, kaufnmnnischen oder Gelehrten- und sonstigen
Vorurteilen aufgewachsenen jungen Menschen sofort zu einem vorurteilsloser
Kameraden umzuwandeln. Man kann auch nicht verlangen, daß z. B. der Sohn
eines schlesischen Magnaten und eines unbemittelten Landpfarrers oder der eines
Industrie-Millionärs und eines von seinen: Gehalt lebenden Beamten mit der
Offiziersernennung sich gleich "homogen" fühlen. Auch im weiteren Leben
werden auf jeden Offizier die Anschauungen seines Familienkreises sowie die
gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Garnison und seines Regiments nicht ohne
Einfluß bleiben. Das läßt sich gar nicht verhindern. Aber es muß dafür gesorgt
werden, daß derartige Verschiedenheiten sich keinenfalls in einer die Kamerad¬
schaft schädigenden Weise geltend machen, daß vielmehr allen Offizieren stets
das Bewußtsein ihrer sowohl dienstlichen wie kameradschaftlichen Gleichberechtigung,
ihrer Verpflichtung, sich mit ihren Kameraden als ein Ganzes zu fühlen, klar
gemacht wird. Das ist die einzige Homogenität, von der in einer so großen
Armee, die sich aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten rekrutiert, die
Rede fein kann. Und diese ist in der preußischen Armee stets angestrebt
und bisher erreicht worden.

Nun zur Stellung des bürgerlichen Elements in: Offizierkorps. Wie schon
hervorgehoben, war sein Eindringen in die Armee in größerem Maßstabe etwas
Neues, mit demi sich die Armee erst abfinden mußte. Alles Neue braucht Zeit,
sich durchzusetzen. Alles Neue stößt auch auf einen gewissen Widerstand bei den
Anhängern des Althergebrachten. Daß diese überall beobachtete Erscheinung
auch in der Armee hervortrat, kann niemand ernstlich wundernehmen. Es fragt
sich nur, ob dieser Widerstand sich den: Neuen, soweit es gut war, ungebührlich
entgegenstellte. Das kann man nun keineswegs behaupten. Wenn man die
Entwicklung auf diesem Gebiet an der Hand der Ranglisten verfolgt, so wird


Der Adel in der Armee

Mißverhältnis. Mit dem oben angedeuteten Umschwung in der Zusammensetzung
des Offizierkorps und der gesellschaftlichen Stellung des Adels überhaupt mußte
jedoch ein Wandel eintreten. Das bürgerliche Element konnte verlangen, selb¬
ständiger zur Geltung zu kommen. Anderseits durfte weder von den alten
Traditionen des Offizierkorps noch von seiner Einheitlichkeit etwas geopfert
werden. Denn auf beiden beruht zum großen Teil sein Wert und seine Stärke.
Dies Verhältnis zu wahren und allen entgegengesetzten Bestrebungen, woher
sie auch kommen mögen, entgegenzutreten, ist eine der Hauptaufgaben der
Heeresleitung. Diese Aufgabe zwingt zu einem Kampf nicht nur gegen etwaige
Äußerungen eines Adelskastengeistes, sondern auch gegen Adelshaß, gegen
Mammonismus und Waffengattungs-Dünkel und -Mißgunst. Ein volles Aus¬
rollen aller dieser, die Einheit des kameradschaftlichen Geistes gefährdenden
Erscheinungen, zu denen auch noch konfessionelle Störungen treten können, ist
freilich unmöglich. Denn sie beruhen auf allgemein menschlichen Untugenden und
zum Teil auf den allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen, aus denen der
Offizierersatz in die Armee hinübergenommen wird. Man ist nicht in der Lage,
einen in adelichen oder bürgerlichen, kaufnmnnischen oder Gelehrten- und sonstigen
Vorurteilen aufgewachsenen jungen Menschen sofort zu einem vorurteilsloser
Kameraden umzuwandeln. Man kann auch nicht verlangen, daß z. B. der Sohn
eines schlesischen Magnaten und eines unbemittelten Landpfarrers oder der eines
Industrie-Millionärs und eines von seinen: Gehalt lebenden Beamten mit der
Offiziersernennung sich gleich „homogen" fühlen. Auch im weiteren Leben
werden auf jeden Offizier die Anschauungen seines Familienkreises sowie die
gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Garnison und seines Regiments nicht ohne
Einfluß bleiben. Das läßt sich gar nicht verhindern. Aber es muß dafür gesorgt
werden, daß derartige Verschiedenheiten sich keinenfalls in einer die Kamerad¬
schaft schädigenden Weise geltend machen, daß vielmehr allen Offizieren stets
das Bewußtsein ihrer sowohl dienstlichen wie kameradschaftlichen Gleichberechtigung,
ihrer Verpflichtung, sich mit ihren Kameraden als ein Ganzes zu fühlen, klar
gemacht wird. Das ist die einzige Homogenität, von der in einer so großen
Armee, die sich aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten rekrutiert, die
Rede fein kann. Und diese ist in der preußischen Armee stets angestrebt
und bisher erreicht worden.

Nun zur Stellung des bürgerlichen Elements in: Offizierkorps. Wie schon
hervorgehoben, war sein Eindringen in die Armee in größerem Maßstabe etwas
Neues, mit demi sich die Armee erst abfinden mußte. Alles Neue braucht Zeit,
sich durchzusetzen. Alles Neue stößt auch auf einen gewissen Widerstand bei den
Anhängern des Althergebrachten. Daß diese überall beobachtete Erscheinung
auch in der Armee hervortrat, kann niemand ernstlich wundernehmen. Es fragt
sich nur, ob dieser Widerstand sich den: Neuen, soweit es gut war, ungebührlich
entgegenstellte. Das kann man nun keineswegs behaupten. Wenn man die
Entwicklung auf diesem Gebiet an der Hand der Ranglisten verfolgt, so wird


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[0062] Der Adel in der Armee Mißverhältnis. Mit dem oben angedeuteten Umschwung in der Zusammensetzung des Offizierkorps und der gesellschaftlichen Stellung des Adels überhaupt mußte jedoch ein Wandel eintreten. Das bürgerliche Element konnte verlangen, selb¬ ständiger zur Geltung zu kommen. Anderseits durfte weder von den alten Traditionen des Offizierkorps noch von seiner Einheitlichkeit etwas geopfert werden. Denn auf beiden beruht zum großen Teil sein Wert und seine Stärke. Dies Verhältnis zu wahren und allen entgegengesetzten Bestrebungen, woher sie auch kommen mögen, entgegenzutreten, ist eine der Hauptaufgaben der Heeresleitung. Diese Aufgabe zwingt zu einem Kampf nicht nur gegen etwaige Äußerungen eines Adelskastengeistes, sondern auch gegen Adelshaß, gegen Mammonismus und Waffengattungs-Dünkel und -Mißgunst. Ein volles Aus¬ rollen aller dieser, die Einheit des kameradschaftlichen Geistes gefährdenden Erscheinungen, zu denen auch noch konfessionelle Störungen treten können, ist freilich unmöglich. Denn sie beruhen auf allgemein menschlichen Untugenden und zum Teil auf den allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen, aus denen der Offizierersatz in die Armee hinübergenommen wird. Man ist nicht in der Lage, einen in adelichen oder bürgerlichen, kaufnmnnischen oder Gelehrten- und sonstigen Vorurteilen aufgewachsenen jungen Menschen sofort zu einem vorurteilsloser Kameraden umzuwandeln. Man kann auch nicht verlangen, daß z. B. der Sohn eines schlesischen Magnaten und eines unbemittelten Landpfarrers oder der eines Industrie-Millionärs und eines von seinen: Gehalt lebenden Beamten mit der Offiziersernennung sich gleich „homogen" fühlen. Auch im weiteren Leben werden auf jeden Offizier die Anschauungen seines Familienkreises sowie die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Garnison und seines Regiments nicht ohne Einfluß bleiben. Das läßt sich gar nicht verhindern. Aber es muß dafür gesorgt werden, daß derartige Verschiedenheiten sich keinenfalls in einer die Kamerad¬ schaft schädigenden Weise geltend machen, daß vielmehr allen Offizieren stets das Bewußtsein ihrer sowohl dienstlichen wie kameradschaftlichen Gleichberechtigung, ihrer Verpflichtung, sich mit ihren Kameraden als ein Ganzes zu fühlen, klar gemacht wird. Das ist die einzige Homogenität, von der in einer so großen Armee, die sich aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten rekrutiert, die Rede fein kann. Und diese ist in der preußischen Armee stets angestrebt und bisher erreicht worden. Nun zur Stellung des bürgerlichen Elements in: Offizierkorps. Wie schon hervorgehoben, war sein Eindringen in die Armee in größerem Maßstabe etwas Neues, mit demi sich die Armee erst abfinden mußte. Alles Neue braucht Zeit, sich durchzusetzen. Alles Neue stößt auch auf einen gewissen Widerstand bei den Anhängern des Althergebrachten. Daß diese überall beobachtete Erscheinung auch in der Armee hervortrat, kann niemand ernstlich wundernehmen. Es fragt sich nur, ob dieser Widerstand sich den: Neuen, soweit es gut war, ungebührlich entgegenstellte. Das kann man nun keineswegs behaupten. Wenn man die Entwicklung auf diesem Gebiet an der Hand der Ranglisten verfolgt, so wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/62>, abgerufen am 18.05.2024.