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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Kritische Aufsätze

Mineralkohlen ruhenden Kräfte wahrscheinlich nicht allzu schwer durch andere zu
ersetzen sein werden, ist es noch eine große Frage, ob das Allerweltsmetall,
das Zinn, auf einigen industriellen Gebieten, auf denen es weitgehende Ver¬
wendung findet, jemals in befriedigender Weise durch andere anorganische oder
auch organische Stoffe zu ersetzen sein wird, mögen auch die Wissenschaft und die
Industrie vor noch so großartigen Erfolgen stehen. Ich glaube in Anbetracht
dessen diese Ausführungen nicht besser als mit dem Mahnworte schließen zu
können: "Ehe es zu spät ist, möge man sparsam sein in der Verwendung des
weißen Metalls, welches, nur wenig beachtet von dem Gros der Kulturmenschen
von heute, eine bescheidene und doch so überaus wichtige, vielseitige Rolle auch
noch in der modernen Industrie spielt. Möge man sparsam sein im Gebrauche
des Zinns, ehe es zu spät ist, damit man einmal nicht gezwungen sein wird,
dieses Metall mit Gold aufzuwiegen!"




Aritische Aufsätze zum Vorentwurf eines neuen
deutschen Strafgesetzbuches
Dr. Ernst Sontcig von Amtsrichter
Mord, Totschlag und Todesstrafe im Vorentwurf eines neuen deutschen
Strafgesetzbuches.

as Menschenleben, den köstlichsten Schatz" hat der Vorentwurf
ebenso wie das geltende Recht durch Bedrohung eben dieses köst¬
lichsten Schatzes geschützt, d. h. er hat die Todesstrafe als Strafe
für den Mord beibehalten. Allerdings droht er sie nicht wie
bisher unbedingt an, sondern läßt daneben lebenslängliche Zucht¬
hausstrafe und solche nicht unter zehn Jahren zu.

Über die Aufrechterhaltung der Todesstrafe wird sich voraussichtlich im
Reichstage wieder eine lebhafte Debatte entspinnen; denn ihre Abschaffung gehört
nun einmal zu dem eisernen Programm der Linksliberalen und Sozialdemokraten.
Erfreulich ist es aber für den, der von ihrer Unentbehrlichkeit überzeugt ist, zu
sehen, wie sich die Schwärmerei für ihre Abschaffung unter den denkenden
Elementen sonst liberalster und Humauster Richtung gelegt hat. Als 1870 das
Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund beraten wurde, da wäre an der
Forderung der Beibehaltung der Todesstrafe fast das ganze Gesetz gescheitert,
und es bedürfte des ganzen persönlichen Einflusses des Grafen Bismarck, um
das Gesetz mit dieser Strafe im Reichstage des Norddeutschen Bundes durch¬
zusetzen. Heute hat der Verlag der "Neuen Gesellschaftlichen Korrespondenz"


Kritische Aufsätze

Mineralkohlen ruhenden Kräfte wahrscheinlich nicht allzu schwer durch andere zu
ersetzen sein werden, ist es noch eine große Frage, ob das Allerweltsmetall,
das Zinn, auf einigen industriellen Gebieten, auf denen es weitgehende Ver¬
wendung findet, jemals in befriedigender Weise durch andere anorganische oder
auch organische Stoffe zu ersetzen sein wird, mögen auch die Wissenschaft und die
Industrie vor noch so großartigen Erfolgen stehen. Ich glaube in Anbetracht
dessen diese Ausführungen nicht besser als mit dem Mahnworte schließen zu
können: „Ehe es zu spät ist, möge man sparsam sein in der Verwendung des
weißen Metalls, welches, nur wenig beachtet von dem Gros der Kulturmenschen
von heute, eine bescheidene und doch so überaus wichtige, vielseitige Rolle auch
noch in der modernen Industrie spielt. Möge man sparsam sein im Gebrauche
des Zinns, ehe es zu spät ist, damit man einmal nicht gezwungen sein wird,
dieses Metall mit Gold aufzuwiegen!"




Aritische Aufsätze zum Vorentwurf eines neuen
deutschen Strafgesetzbuches
Dr. Ernst Sontcig von Amtsrichter
Mord, Totschlag und Todesstrafe im Vorentwurf eines neuen deutschen
Strafgesetzbuches.

as Menschenleben, den köstlichsten Schatz" hat der Vorentwurf
ebenso wie das geltende Recht durch Bedrohung eben dieses köst¬
lichsten Schatzes geschützt, d. h. er hat die Todesstrafe als Strafe
für den Mord beibehalten. Allerdings droht er sie nicht wie
bisher unbedingt an, sondern läßt daneben lebenslängliche Zucht¬
hausstrafe und solche nicht unter zehn Jahren zu.

Über die Aufrechterhaltung der Todesstrafe wird sich voraussichtlich im
Reichstage wieder eine lebhafte Debatte entspinnen; denn ihre Abschaffung gehört
nun einmal zu dem eisernen Programm der Linksliberalen und Sozialdemokraten.
Erfreulich ist es aber für den, der von ihrer Unentbehrlichkeit überzeugt ist, zu
sehen, wie sich die Schwärmerei für ihre Abschaffung unter den denkenden
Elementen sonst liberalster und Humauster Richtung gelegt hat. Als 1870 das
Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund beraten wurde, da wäre an der
Forderung der Beibehaltung der Todesstrafe fast das ganze Gesetz gescheitert,
und es bedürfte des ganzen persönlichen Einflusses des Grafen Bismarck, um
das Gesetz mit dieser Strafe im Reichstage des Norddeutschen Bundes durch¬
zusetzen. Heute hat der Verlag der „Neuen Gesellschaftlichen Korrespondenz"


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[0534] Kritische Aufsätze Mineralkohlen ruhenden Kräfte wahrscheinlich nicht allzu schwer durch andere zu ersetzen sein werden, ist es noch eine große Frage, ob das Allerweltsmetall, das Zinn, auf einigen industriellen Gebieten, auf denen es weitgehende Ver¬ wendung findet, jemals in befriedigender Weise durch andere anorganische oder auch organische Stoffe zu ersetzen sein wird, mögen auch die Wissenschaft und die Industrie vor noch so großartigen Erfolgen stehen. Ich glaube in Anbetracht dessen diese Ausführungen nicht besser als mit dem Mahnworte schließen zu können: „Ehe es zu spät ist, möge man sparsam sein in der Verwendung des weißen Metalls, welches, nur wenig beachtet von dem Gros der Kulturmenschen von heute, eine bescheidene und doch so überaus wichtige, vielseitige Rolle auch noch in der modernen Industrie spielt. Möge man sparsam sein im Gebrauche des Zinns, ehe es zu spät ist, damit man einmal nicht gezwungen sein wird, dieses Metall mit Gold aufzuwiegen!" Aritische Aufsätze zum Vorentwurf eines neuen deutschen Strafgesetzbuches Dr. Ernst Sontcig von Amtsrichter Mord, Totschlag und Todesstrafe im Vorentwurf eines neuen deutschen Strafgesetzbuches. as Menschenleben, den köstlichsten Schatz" hat der Vorentwurf ebenso wie das geltende Recht durch Bedrohung eben dieses köst¬ lichsten Schatzes geschützt, d. h. er hat die Todesstrafe als Strafe für den Mord beibehalten. Allerdings droht er sie nicht wie bisher unbedingt an, sondern läßt daneben lebenslängliche Zucht¬ hausstrafe und solche nicht unter zehn Jahren zu. Über die Aufrechterhaltung der Todesstrafe wird sich voraussichtlich im Reichstage wieder eine lebhafte Debatte entspinnen; denn ihre Abschaffung gehört nun einmal zu dem eisernen Programm der Linksliberalen und Sozialdemokraten. Erfreulich ist es aber für den, der von ihrer Unentbehrlichkeit überzeugt ist, zu sehen, wie sich die Schwärmerei für ihre Abschaffung unter den denkenden Elementen sonst liberalster und Humauster Richtung gelegt hat. Als 1870 das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund beraten wurde, da wäre an der Forderung der Beibehaltung der Todesstrafe fast das ganze Gesetz gescheitert, und es bedürfte des ganzen persönlichen Einflusses des Grafen Bismarck, um das Gesetz mit dieser Strafe im Reichstage des Norddeutschen Bundes durch¬ zusetzen. Heute hat der Verlag der „Neuen Gesellschaftlichen Korrespondenz"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/534>, abgerufen am 06.05.2024.