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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Das Zinn

denen das von keinen Fett- und Pflanzensäuren angreifbare Zinn von aller¬
größter Bedeutung und wohl kaum durch ein anderes Metall zu ersetzen ist, da
jene Eigenschaft nur verschiedenen Edelmetallen bezw. deren Legierungen zukommt,
abgesehen allerdings von dem Aluminium, das vielleicht, aber nur bei einem
viel niedrigeren Marktpreise, einmal für die Konservenfabrikanten in Betracht
kommen wird.

Wo in der Welt ist nun in der Zukunft noch die Entdeckung von Zinncrz-
lagerstätten zu erwarten? Theoretisch ist diese Frage nicht so schwer zu beant¬
worten, und man kann sagen, daß man vornehmlich dort nach Zinnstein zu
suchen hat, wo Lithionit-Granite in einiger Ausdehnung zutage treten, oder
wo Alluvial- bezw. Diluvialbildungen zu finden sind, die sich ganz oder teil¬
weise aus Schutt von dieser Gebirgsart bezw. Greisen zusammensetzen. Granit
besteht bekanntlich aus Feldspat, Quarz und Glimmer. Nun ist es eigen¬
tümlich -- was ich selbst durch zahlreiche von mir gemachte Analysen bestätigt
gefunden habe -- daß sozusagen alle Kali-Glimmer, bei welchen ein Teil des
Kalis durch Lithion ersetzt ist. auch Spuren von Zinnoxyd (LnO.) enthalten,
welches dann chemisch die Kieselsäure (LiV.) teilweise zu ersetzen scheint. In
der Praxis gestaltet sich die Beantwortung der Frage, wo in der Welt voraus¬
sichtlich "och bergmännisch auszubeutende Zinnsteinlager zu finden sein werden,
nicht so einfach.

Außer den großen Urgebirgsmassiven des nördlichsten Amerika und Asien
sowie auch Südamerikas, welche vielleicht noch größere natürliche Zinnreserven
in sich schließen, scheinen mir allein im Bereiche der weitausgedehnter südost-
asiatischen Urgebirgserhebung mit einiger Sicherheit noch beträchtliche Mengen
von dem das weiße Metall enthaltenden Erze zu erwarten zu sein. Vor allem
halte ich das weite Gebiet der flachen Ostküste von Sumatra und der vor¬
liegenden Inseln in dieser Beziehung für noch vielversprechend, aber auch Siam
und Burma sowie die angrenzenden Territorien könnten sehr leicht noch einmal
das Feld eines blühenden Zinnbergbaues werden, ebenso wie auf dem austra¬
lischen Festlande einzelne an Neu-Süd-Wales resp. Victoria angrenzende Gebiete.

Nach all dem Gesagten wird wohl kein Zweifel darüber bestehen können,
daß die Frage, wie lange noch die natürlichen Zinnreserven der Welt der immer
steigenden Nachfrage nach dem Metall gegenüber aushalten werden, vom national¬
ökonomischen Standpunkt aus in gewissem Sinne eine noch viel brennendere
ist als die der Erschöpfung der Steinkohlenvorräte der Erde, deren Eintreten
entschieden in noch viel weiterem Felde liegt. Wärme und Kraft liefernde
Quellen und ebenso Metalle aus ihren Erzen isolierende Mittel sind außer der
Steinkohle auch noch sonst wohl zu finden. Ich erinnere nur an die Kraft,
welche aus dem fließenden Wasser, den von Ebbe und Flut bewegten Meeres¬
wogen sowie aus den Sonnenstrahlen zu ziehen ist, abgesehen von den geradezu
enormen Torf- (und auch Braunkohlen-) Vorräten, welche namentlich der Boden
der höheren nördlichen Breiten noch in sich schließt. Während nun die in den


Grenzboten III 1910 66
Das Zinn

denen das von keinen Fett- und Pflanzensäuren angreifbare Zinn von aller¬
größter Bedeutung und wohl kaum durch ein anderes Metall zu ersetzen ist, da
jene Eigenschaft nur verschiedenen Edelmetallen bezw. deren Legierungen zukommt,
abgesehen allerdings von dem Aluminium, das vielleicht, aber nur bei einem
viel niedrigeren Marktpreise, einmal für die Konservenfabrikanten in Betracht
kommen wird.

Wo in der Welt ist nun in der Zukunft noch die Entdeckung von Zinncrz-
lagerstätten zu erwarten? Theoretisch ist diese Frage nicht so schwer zu beant¬
worten, und man kann sagen, daß man vornehmlich dort nach Zinnstein zu
suchen hat, wo Lithionit-Granite in einiger Ausdehnung zutage treten, oder
wo Alluvial- bezw. Diluvialbildungen zu finden sind, die sich ganz oder teil¬
weise aus Schutt von dieser Gebirgsart bezw. Greisen zusammensetzen. Granit
besteht bekanntlich aus Feldspat, Quarz und Glimmer. Nun ist es eigen¬
tümlich — was ich selbst durch zahlreiche von mir gemachte Analysen bestätigt
gefunden habe — daß sozusagen alle Kali-Glimmer, bei welchen ein Teil des
Kalis durch Lithion ersetzt ist. auch Spuren von Zinnoxyd (LnO.) enthalten,
welches dann chemisch die Kieselsäure (LiV.) teilweise zu ersetzen scheint. In
der Praxis gestaltet sich die Beantwortung der Frage, wo in der Welt voraus¬
sichtlich »och bergmännisch auszubeutende Zinnsteinlager zu finden sein werden,
nicht so einfach.

Außer den großen Urgebirgsmassiven des nördlichsten Amerika und Asien
sowie auch Südamerikas, welche vielleicht noch größere natürliche Zinnreserven
in sich schließen, scheinen mir allein im Bereiche der weitausgedehnter südost-
asiatischen Urgebirgserhebung mit einiger Sicherheit noch beträchtliche Mengen
von dem das weiße Metall enthaltenden Erze zu erwarten zu sein. Vor allem
halte ich das weite Gebiet der flachen Ostküste von Sumatra und der vor¬
liegenden Inseln in dieser Beziehung für noch vielversprechend, aber auch Siam
und Burma sowie die angrenzenden Territorien könnten sehr leicht noch einmal
das Feld eines blühenden Zinnbergbaues werden, ebenso wie auf dem austra¬
lischen Festlande einzelne an Neu-Süd-Wales resp. Victoria angrenzende Gebiete.

Nach all dem Gesagten wird wohl kein Zweifel darüber bestehen können,
daß die Frage, wie lange noch die natürlichen Zinnreserven der Welt der immer
steigenden Nachfrage nach dem Metall gegenüber aushalten werden, vom national¬
ökonomischen Standpunkt aus in gewissem Sinne eine noch viel brennendere
ist als die der Erschöpfung der Steinkohlenvorräte der Erde, deren Eintreten
entschieden in noch viel weiterem Felde liegt. Wärme und Kraft liefernde
Quellen und ebenso Metalle aus ihren Erzen isolierende Mittel sind außer der
Steinkohle auch noch sonst wohl zu finden. Ich erinnere nur an die Kraft,
welche aus dem fließenden Wasser, den von Ebbe und Flut bewegten Meeres¬
wogen sowie aus den Sonnenstrahlen zu ziehen ist, abgesehen von den geradezu
enormen Torf- (und auch Braunkohlen-) Vorräten, welche namentlich der Boden
der höheren nördlichen Breiten noch in sich schließt. Während nun die in den


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[0533] Das Zinn denen das von keinen Fett- und Pflanzensäuren angreifbare Zinn von aller¬ größter Bedeutung und wohl kaum durch ein anderes Metall zu ersetzen ist, da jene Eigenschaft nur verschiedenen Edelmetallen bezw. deren Legierungen zukommt, abgesehen allerdings von dem Aluminium, das vielleicht, aber nur bei einem viel niedrigeren Marktpreise, einmal für die Konservenfabrikanten in Betracht kommen wird. Wo in der Welt ist nun in der Zukunft noch die Entdeckung von Zinncrz- lagerstätten zu erwarten? Theoretisch ist diese Frage nicht so schwer zu beant¬ worten, und man kann sagen, daß man vornehmlich dort nach Zinnstein zu suchen hat, wo Lithionit-Granite in einiger Ausdehnung zutage treten, oder wo Alluvial- bezw. Diluvialbildungen zu finden sind, die sich ganz oder teil¬ weise aus Schutt von dieser Gebirgsart bezw. Greisen zusammensetzen. Granit besteht bekanntlich aus Feldspat, Quarz und Glimmer. Nun ist es eigen¬ tümlich — was ich selbst durch zahlreiche von mir gemachte Analysen bestätigt gefunden habe — daß sozusagen alle Kali-Glimmer, bei welchen ein Teil des Kalis durch Lithion ersetzt ist. auch Spuren von Zinnoxyd (LnO.) enthalten, welches dann chemisch die Kieselsäure (LiV.) teilweise zu ersetzen scheint. In der Praxis gestaltet sich die Beantwortung der Frage, wo in der Welt voraus¬ sichtlich »och bergmännisch auszubeutende Zinnsteinlager zu finden sein werden, nicht so einfach. Außer den großen Urgebirgsmassiven des nördlichsten Amerika und Asien sowie auch Südamerikas, welche vielleicht noch größere natürliche Zinnreserven in sich schließen, scheinen mir allein im Bereiche der weitausgedehnter südost- asiatischen Urgebirgserhebung mit einiger Sicherheit noch beträchtliche Mengen von dem das weiße Metall enthaltenden Erze zu erwarten zu sein. Vor allem halte ich das weite Gebiet der flachen Ostküste von Sumatra und der vor¬ liegenden Inseln in dieser Beziehung für noch vielversprechend, aber auch Siam und Burma sowie die angrenzenden Territorien könnten sehr leicht noch einmal das Feld eines blühenden Zinnbergbaues werden, ebenso wie auf dem austra¬ lischen Festlande einzelne an Neu-Süd-Wales resp. Victoria angrenzende Gebiete. Nach all dem Gesagten wird wohl kein Zweifel darüber bestehen können, daß die Frage, wie lange noch die natürlichen Zinnreserven der Welt der immer steigenden Nachfrage nach dem Metall gegenüber aushalten werden, vom national¬ ökonomischen Standpunkt aus in gewissem Sinne eine noch viel brennendere ist als die der Erschöpfung der Steinkohlenvorräte der Erde, deren Eintreten entschieden in noch viel weiterem Felde liegt. Wärme und Kraft liefernde Quellen und ebenso Metalle aus ihren Erzen isolierende Mittel sind außer der Steinkohle auch noch sonst wohl zu finden. Ich erinnere nur an die Kraft, welche aus dem fließenden Wasser, den von Ebbe und Flut bewegten Meeres¬ wogen sowie aus den Sonnenstrahlen zu ziehen ist, abgesehen von den geradezu enormen Torf- (und auch Braunkohlen-) Vorräten, welche namentlich der Boden der höheren nördlichen Breiten noch in sich schließt. Während nun die in den Grenzboten III 1910 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/533>, abgerufen am 28.05.2024.